Ein alter jüdischer Witz – er ist so alt, dass er aus der Zeit stammt, als Polen noch eine Volksrepublik war – geht so: Ein polnischer kommunistischer Funktionär, nennen wir ihn Jacek, hat ein stillschweigendes Abkommen mit Bronek, seinem Chauffeur: Bronek darf ungehemmt über die Partei schimpfen, im Gegenzug kann Jacek ihm nichts anhängen.
Eines Sommers bricht der Sechstagekrieg aus. Am ersten Tag des Krieges verkündet Bronek: «Die Israelis haben heute Morgen die ägyptische Luftwaffe zerschmettert!” Jacek entfaltet die Trybuna Ludu und schweigt.
Am dritten Tag meldet Bronek mit Triumph in der Stimme: «Die Israelis jagen die ägyptischen Panzer wie die Hasen!” Jacek lehnt sich auf der Rückbank zurück und entzündet eine Havanna. Am sechsten Tag schweigt Bronek hinter seinem Steuer; kein freches Wort, kein Siegesgeheul.
«Na, was ist?”, fragt Jacek und lüpft die Augenbraue. Bronek knirscht zwischen den Zähnen hervor: «Ich habe heute herausgefunden, dass es sich bei diesen Israelis” – verbitterte Pause – «um Juden handelt.”
Bevor ich zum eigentlichen Thema meines kurzen Essays komme, ein paar Worte über die Ukraine: Die Republikanische Partei, wie sie in Amerika bis 2015 existierte, hätte ohne Zweifel geschlossen hinter der Ukraine gestanden. Sie hätte die Regierung Biden kritisiert, weil sie viel zu zögerlich Waffen schickte. Führende republikanische Politiker hätten gefordert, Putin mit der Entsendung amerikanischer Soldaten zumindest zu drohen.
Kein Mensch hätte republikanischer Präsidentschaftskandidat werden können, der Kiew nicht mehrere Male besucht hätte, um sich mit breitem amerikanischem Unterstützerlächeln an der Seite Wolodymir Selenskys fotografieren zu lassen. Die von Donald Trump dominierten Republikaner sind eine andere Partei: J. D. Vance, der gern Vizepräsident (und nach Trumps Tod Präsident) werden möchte, macht aus seiner Verachtung für die Ukraine kein Geheimnis.
Die heutige Unterstützung der amerikanischen Rechten für Israel ruht auf zwei Säulen.
Soeben kam heraus, dass Elon Musk, der rechtsradikale Unternehmer, der Trump unterstützt, seit zwei Jahren mit Wladimir Putin in ständigem Kontakt steht. Mehr als die Hälfte der Republikaner hält Putins Russland, ein korruptes, kaputtes Land, das auf die Hilfe Nordkoreas angewiesen ist, für ein nachahmenswertes Modell. Atemberaubend daran ist unter anderem, wie wenig uns dies noch auffällt: Die Republikanische Partei hat sich beinahe zur Gänze in einen Club von Russlandfreunden verwandelt, der Landesverrat allenfalls für eine lässliche Sünde hält.
Soeben werden wir Zeugen einer zweiten Metamorphose der Republikanischen Partei. Bisher waren amerikanische Konservative (sehr im Unterschied zu ihren deutschen Kollegen) ziemlich verlässliche Feinde der chinesischen Diktatur. Trump pflegte eine scharfe Rhetorik gegen Peking und führte einen Handelskrieg gegen die Chinesen, den er allerdings mit Pauken und Trompeten verlor.
Irgendjemand veröffentlichte auf Trumps Twitteraccount eine Solidaritätserklärung für die Demokratiebewegung in Hongkong, als sie von chinahörigen Polizisten niedergeknüppelt wurde. Allerdings war schon dies nie ganz eindeutig: Trump erklärte während seiner Präsidentschaft, er habe sich mit Xi Jinping ausgezeichnet verstanden.
Wissen die Trump-Anhänger, dass Israel ein levantinischer Staat ist, dessen Einwohner im Kino Sonnenblumenschalen auf den Boden spucken und ihre Söhne beschneiden lassen?
Seit dem Ende seiner Zeit im Weißen Haus ist aus der Bewunderung offene Liebe geworden. Und nun mehren sich die Zeichen, dass die trumpistische Rechte in Amerika sich so hart gegen das demokratische Taiwan wenden wird, wie sie sich gegen die demokratische Ukraine gewendet hat.
Elon Musk, der in China wirtschaftliche Interessen hat, sagt bereits offen, Taiwan sei ein integraler Bestandteil von China. Trump lässt verlautbaren, er erwarte, dass Taiwan die Amerikaner dafür bezahlt, verteidigt zu werden. Eine Prognose: Bald wird man das Argument hören, Taiwan wende nicht genug Mittel zu seiner eigenen Verteidigung auf. Und sobald die Lage um Taiwan ernsthaft brenzlig wird, wird die amerikanische Rechte entdecken, dass die chinesischen Kommunisten für Disziplin und Rassereinheit einstehen, die Taiwanesen hingegen korrupt und dekadent sind.
Eines Tages werden die US-Rechten herausfinden, dass es sich bei Israelis um Juden handelt.
Damit kehren wir nun endlich zu dem Eingangswitz zurück. Die amerikanischen Konservativen sind seit ein paar Jahrzehnten die härtesten Unterstützer Israels. Allerdings war das keineswegs immer so: Israel wurde bekanntlich von Linksradikalen mit Hilfe der Sowjetunion gegründet; in den Fünfzigerjahren hatte Israel mehr Ähnlichkeiten mit Jugoslawien als mit einem westlichen Staat, das Land war arm, kollektivistisch und vom Glauben an den Sozialismus beseelt.
Der republikanische Präsident Eisenhower pfiff die britischen und französischen Truppen zurück, als sie Israel 1956 im Suezkrieg unterstützten. Im Sechstagekrieg kämpfte Israel mit französischen, nicht mit amerikanischen Waffen. Unter dem Republikaner Nixon begann sich das zu ändern; Ronald Reagan aber besuchte Israel in seiner Amtszeit kein einziges Mal, und seine Regierung verurteilte scharf, dass die Israelis den Reaktor Osirak bombardierten, in dem Saddam Hussein die Atombomben herstellen wollte, die nötig waren, um Israel von der Landkarte zu fegen.
Die heutige Unterstützung der amerikanischen Rechten für Israel ruht auf zwei Säulen. Erstens: dem Apokalypseglauben der christlichen Rechten. Die weißen protestantischen Fundamentalisten meinen, dass Jesus erst dann aus dem Himmel wiederkehren wird, wenn die Juden in ihrem eigenen Staat leben. Allerdings glauben sie auch, dass es vorher zu einem Endkampf zwischen Gut und Böse kommt, bei dem die Mehrheit der Juden in einem zweiten Holocaust verreckt; der Rest der Juden werde sich nach stattgehabt Katastrophe zum Christentum bekehren.
Trump findet, Hitler habe auch Gutes getan, außerdem bewundere er, wie loyal die Wehrmachtsgeneräle zu ihrem Führer gestanden hätten.
Die zweite Säule: die Islamophobie. Rechte Amerikaner sehen den Staat Israel als Bastion gegen die islamischen Horden, als weißen Staat, der von braunhäutigen Barbaren belagert werde.
Was ist, wenn diese beiden Säulen zusammenbrechen, weil die Israelis sich weigern, als Statisten die ihnen vorgeschriebenen Rollen zu erfüllen? Womöglich wird, wenn dieser fürchterlich und notwendige Krieg gegen Hamas und Hisbollah vorbei ist, Benjamin Netanyahu gestürzt. Das ist zumindest nicht undenkbar. Vielleicht erkennen Saudi-Arabien und der Libanon Israel an. Auch das liegt im Bereich des Vorstellbaren. Vielleicht endet eines Tages sogar das verbrecherische Regime im Iran.
Was wird dann sichtbar werden? Ein Israel, das keineswegs weiß, sondern sehr buntscheckig ist, voller Juden, die aus den arabischen Ländern stammen: kein westlicher, sondern ein levantinischer Staat, dessen Einwohner im Kino Sonnenblumenschalen auf den Boden spucken und ihre Söhne beschneiden lassen.
Ein Kleinstaat, in dem für muslimische Bürgerinnen und Bürger ganz selbstverständlich die Scharia gilt, die Mehrfachehe bei Beduinen augenzwinkernd geduldet wird und gleichzeitig Schwule händchenhaltend am Strand von Tel Aviv spazieren gehen. Ein Gemeinwesen, dessen Rechtssystem bis heute sehr osmanisch aussieht, in dem Tiere betäubungslos geschächtet werden und Kirchenglocken außerhalb von Jerusalem so gut wie nie zu hören sind.
Rechte Amerikaner sehen den Staat Israel als Bastion gegen die islamischen Horden, als weißen Staat.
Noch etwas Anderes kommt hinzu. Donald Trumps ehemaliger Stabschef John Kelly – ein Viersternegeneral und ganz gewiss kein Linker – hat gerade eben ausgeplaudert, dass Trump findet, Hitler habe auch Gutes getan, außerdem bewundere er, wie loyal die Wehrmachtsgeneräle zu ihrem Führer gestanden hätten.
Mittlerweile hat sich ein weiterer Zeuge gemeldet, der Kelly bestätigt. Die erste Reaktion der Trump-Anhänger war: Leugnung. Die zweite Reaktion ist: Was sei denn schon dabei? Hitler sei doch längst tot. Drittens werden Trumps Fans wahrscheinlich sagen, dass ihr Idol vollkommen Recht hat. Was ist, wenn Netanyahu das dann nicht mehr entschuldigt? Wenn Israel irgendwann nicht mehr mitspielt?
Eines Tages werden die amerikanischen Rechten herausfinden, dass es sich bei diesen Israelis um Juden handelt. Und dann – unser antisemitischer polnischer Chauffeur lässt schön grüßen – wird es mit der Israelbegeisterung der trumpistischen Republikaner schlagartig vorbei sein.
Der Autor ist Journalist und Schriftsteller. Er lebt in New York.