Tel Aviv ist als Partymetropole weltweit bekannt. Die »Stadt, die niemals schläft« lockt zum Vergnügen rund um die Uhr. Auch das Tourismusministerium nutzt diesen Ruf und lädt junge Leute mit bunten Anzeigen zum Feiern ins Land. Zu einem ausschweifenden Nachtleben gehört Alkohol, keine Frage: das kühle Bier in lauen Sommernächten, der eiskalte Gin Tonic an der Strandbar. Doch nun wird Einheimische wie Touristen das Trinken noch teurer zu stehen kommen. Die Steuer auf Alkohol wird am 1. Juli um 25 Prozent erhöht.
Die Reform war bereits im Frühjahr 2010 beschlossen worden, sollte jedoch bis Januar 2014 schrittweise umgesetzt werden, um vor allem Hersteller und Händler zu schützen. Vor wenigen Tagen allerdings hatte Finanzminister Yair Lapid angekündigt, die Steuer bereits früher als geplant anzuheben – zum großen Ärgernis von Produzenten, Verkäufern und Konsumenten. Doch nun macht der Finanzminister schon in diesem Sommer Nägel mit Köpfen und dreht den Israelis den Bierhahn zu.
Bier Dabei waren die Preise für Zigaretten und Alkohol bereits im vergangenen Jahr extrem gestiegen. Die alte Regierung mit dem damaligen Finanzminister Yuval Steinitz (ebenfalls unter Premier Benjamin Netanjahu) hatte die Steuer auf Bier ad hoc von 2,18 Schekel auf 4,25 Schekel pro Liter erhöht – nahezu um 100 Prozent.
Nachdem seit 1. Juni bereits statt der bisherigen 17 nun 18 Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden – und sich über Nacht praktisch alle Produkte im Land verteuerten –, wird nun auch noch das Ausgehen zum fast unbezahlbaren Vergnügen.
Schiri Ben-Yosef sitzt in einem Café an der Basel-Straße in Tel Aviv und lässt sich ein gezapftes Maccabi schmecken. »Das wird wohl eines der letzten Biere sein, die ich trinken werde«, seufzt die Studentin. »Bald ist das bei meinem begrenzten Einkommen einfach nicht mehr drin.« Über die Frage, ob sie die Steuererhöhung im Rahmen des Sparpaketes der Regierung akzeptabel findet, lacht sie höhnisch. »Was soll daran gerecht sein, wenn sich der normale Mensch noch nicht einmal mehr ein Bierchen leisten kann? Das ist schlichtweg Diebstahl!«
Schon jetzt muss sie für den halben Liter in einer Kneipe fünf bis 5,50 Euro berappen. Ab Juli werden es noch mehr sein. »Das sind skandinavische Verhältnisse, da kann ich nicht mehr mit«, meint Ben-Yosef frustriert. Die Steuer auf 100 Prozent Alkohol pro Liter wird von 84 Schekel auf 105 Schekel (21 Euro) angehoben. Ein Liter Bier mit fünf Prozent Alkohol wird demzufolge in Israel zukünftig mit 1,01 Euro besteuert.
Rückgang »Das ist völlig verrückt«, meint Asif Tsachar, Inhaber des Musikklubs Levontin. »Es ist kein Getue. Die Leute können sich wirklich nicht mehr leisten, ein, zwei Drinks zu trinken, wenn sie am Abend ausgehen. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein.« Dass die Kneipen und Bars nach wie vor gut besucht sind, hat für Tsachar einen einfachen Grund. »Es sind die Israelis, die es sich sowohl heute als auch in der Zukunft noch leisten können. Die Reichen aus dem Norden Tel Avivs zum Beispiel. Aber für die einfachen Leute ist es nicht mehr drin.«
Bereits nach der ersten drastischen Erhöhung hat der Inhaber einen starken Rückgang beim Bestellen von Alkohol verzeichnet, erzählt er. »Die meisten nippen den ganzen Abend an einem Getränk. Für uns ist das katastrophal.« Aber er versteht seine Gäste: »Es ist doch klar, dass man zuallererst darauf verzichtet, worauf man einigermaßen verzichten kann. Und das ist für viele eben Ausgehen, Spaß haben und dabei etwas trinken. Wollen die Politiker etwa, dass die ganze Ausgehbranche zusammenbricht?«
Tsachar ist erstaunt über die Ignoranz der Regierung gegenüber den negativen Auswirkungen dieses Sparpakets. »Alles, was bis jetzt beschlossen wurde, trifft den kleinen Mann. Der kann sich das Bier am Feierabend nicht mehr leisten, der muss im Supermarkt unglaubliche Rechnungen bezahlen, dem tut das gekürzte Kindergeld weh.«
Erziehung Der Finanzminister muss ein riesiges Haushaltsloch stopfen und versucht dies mit allen möglichen Mitteln. Aus der neuen Alkoholsteuer werden Mehreinkünfte von 40 bis 70 Millionen Euro erwartet.
Neben dem Budgetproblem ist ein weiterer Grund für die Verteuerung der Wunsch der Politik, den Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen zu minimieren. Auch in Israel ist mittlerweile »Komasaufen« kein Fremdwort mehr, gerade in den Sommerferien trinken sich Minderjährige die Langeweile weg. Das Ministerium ist der Auffassung, dass höhere Preise Kinder vor Alkoholmissbrauch schützen werden.
»Völliger Quatsch«, ist die Meinung von Kioskbesitzer Ron Maimon aus Newe Zedek. »Um zu schützen, müsste mehr Aufklärung her, auch Kontrollen und vielleicht sogar Schulungen des Verkaufspersonals. Denn den Kids ist es doch egal, ob ein Bier 25 oder 35 Schekel kostet. Wenn die saufen wollen, besorgen die sich das Geld.« Maimon meint, die Preiserhöhung schütze in keiner Weise, sondern schade vor allem Händlern und ganz normalen Leuten. »Wenn hier alle auf dem Trockenen sitzen – wo bleibt da die Lebensfreude? Und dafür ist Israel doch eigentlich bekannt.«