Yoav ist zufrieden. Eben hat die Gruppe von Kindern und Jugendlichen ihre Trainingsstunde auf dem Fitnesspfad beendet, schwitzend stehen sie in der noch immer glutheißen Abendstunde beisammen und nippen an ihren Wasserflaschen. Gleich wird Yoav als Trainer und sportlicher Betreuer eine nächste Gruppe, diesmal sind es Senioren, also Menschen auf der anderen Seite der Alterspyramide, in Empfang nehmen und mit ihnen vielleicht nicht die gleichen, aber ebenfalls anspruchsvolle Übungen auf dem rund zweieinhalb Kilometer langen Pfad absolvieren.
»Alle hier muss man nicht speziell motivieren, sie wissen genau, was sie mit ihrer sportlichen Tätigkeit erreichen wollen«, sagt er schmunzelnd und zeigt auf die beiden Gruppen. Mobiltelefone, sonst in Israel in jeder Situation noch weniger wegzudenken als in Europa, sind hier kaum zu sehen; die Sportbetreibenden wirken unglaublich konzentriert. Zu sehen sind auch ganze Familien, einzelne Paare haben sogar einen Kinderwagen dabei. Wenn die Israelis von einer Idee begeistert sind, dann bringen sie sich oft voll und ganz ein. Die Trainingseinheiten sind gratis, ein Verein bezahlt die Trainerinnen und Trainer, Sponsoren werden laufend gesucht.
Vitaparcours Die Idee eines Fitness-Pfades, ganz nach Schweizer Vorbild (dort Vitaparcours genannt), mitten in Israel, in Kfar Saba? »Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen«, hätte Theodor Herzl vielleicht dazu gesagt. Ein Satz, der auf jeden Fall sowieso sehr gut klingt in den Ohren von Guido Guth.
Der aus Basel stammende Guido Guth, der zusammen mit seiner Familie seit 28 Jahren in Kfar Saba lebt und arbeitet, wollte unbedingt ein wenig Schweiz ans Mittelmeer mitnehmen. So kam er auf die Idee mit dem Vitaparcours, den einige Sportbegeisterte vor genau 50 Jahren in Zürich ins Leben gerufen hatten – und der über Jahrzehnte hinweg in verschiedenen Ländern, nicht zuletzt in Deutschland mit rund 1500 Trimm-dich-Pfaden, begeisterte Nachahmer gefunden hat.
Nun eben auch in Kfar Saba. Der dortige Fitnesspfad, hier auch »Shapepark« genannt, ist vermutlich der einzige im Nahen Osten, aber auf jeden Fall der erste in Israel.
Unternehmer Guido Guth, der in Kfar Saba erfolgreich ein Übersetzungsbüro betreibt, war von seiner Idee fast etwas besessen und lag den Verantwortlichen seiner neuen Heimatstadt in den Ohren. Schweizerisch-höflich, aber beharrlich. Die Stadt stellte für das Projekt dann schließlich auch prompt ein großes Gelände am Stadtrand zur Verfügung, vorher war das Gebiet dort ein Kartoffelfeld und ziemlich verwaist. »Selbst Schlangen gab es hier«, sagt Guido Guth.
Die seltenen Vögel sind geblieben, auch Papageien zeigen sich. Nun befindet sich der »Shapepark« in einem relativ jungen Quartier der aufstrebenden 100.000-Einwohner-Stadt im Großraum Tel Aviv; ein Quartier mit dem Namen »Schchuna Yeruka«, was übersetzt »Grünes Quartier« heißt und auf ein gewisses Bewusstsein für Umweltschutz hinweist, der es allerdings in Israel noch immer schwer hat.
Naherholung Immerhin kommen nicht alle Fitness-Begeisterten mit dem Auto, immer wieder spazieren Männer und Frauen im sportlichen Outfit aus dem benachbarten Wohnquartier aufs Gelände. Der »Shapepark« gilt als Naherholungsgebiet der Stadt.
Dass Guido Guth seine Idee möglichst eins zu eins nach dem Schweizer Vorbild umsetzen konnte (wofür er auch die Erlaubnis der Schweizer Stiftung Vitaparcours und des Hauptsponsors erhielt), musste gut geplant werden. Denn da war von der Ausgangslage doch einiges anders als in der Schweiz. Etwa die Idee, dass der Vitaparcours wie in der Schweiz durch einen Wald führen sollte, was heute der Fall ist.
»Die Stadt plante hier eigentlich einen Park, doch musste diese Idee aus finanziellen Gründen auf Eis gelegt werden«, erzählt der 59-Jährige weiter. Guth konnte die Verantwortlichen überzeugen, statt dem wasserverschlingenden Park einen wassersparenden Wald zu pflanzen. Und diese Bäume brauchen auch nach fünf Jahren fast kein Wasser, in Israel eine sehr wichtige Sache.
Die Vorgabe, dass die gesamte Strecke nach Schweizer Vorbild Naturboden und nicht etwa Asphalt sein muss, überzeugte die Stadtväter und -mütter von Kfar Saba ebenfalls.
Know-how Seit 2014 gibt es nun den Vitaparcours – und seit einigen Monaten verfügt die israelische Variante davon sogar über eine Beleuchtung. Denn da es in Israel im Gegensatz zu Europa viel früher dunkel wird, die arbeitende Bevölkerung aber auch in der Dunkelheit nicht auf die Möglichkeit verzichten möchte, Fitness in der Natur zu betreiben, wurde nach dieser Möglichkeit gesucht. Über 100 Beleuchtungskörper machen hier die Nacht zum Tag und ermöglichen so Klimmzüge oder Baumstammhüpfen bis weit in die israelische Nacht hinein.
Weil dies finanziell doch einen erheblichen Zusatzaufwand bedeutete, wurde Guth bei dem Basler Verleger Thomas Karger und dessen Familie vorstellig. Kargers früh verstorbener Sohn Steven war Guths bester Freund, und so kam dieses Zusatzprojekt zustande.
Bei anderen Dingen konnte Guido Guth auf sein eigenes Know-how zurückgreifen: Sein Büro besorgte die wortgetreue Übersetzung der Instruktionstafeln – geachtet wurde dabei auf die kleinsten Details. »Da im Hebräischen von rechts nach links geschrieben wird, wechseln auch die Figuren auf den Schildern, welche die Übungen erläutern, hier in Israel die Seiten – genau umgekehrt wie in der Schweiz«, erläutert der Ex-Basler. Von den Schildern gibt es übrigens fünf Reserveexemplare, falls mal eines kaputtgehen sollte, was bisher aber nicht der Fall war. Gedruckt werden mussten sie in der Schweiz, da die Stiftung die Originalvorlage der Schilder nicht aus der Hand gibt, da ist man ganz streng.
Wie viel Zeit Guido Guth in sein »Kind« investiert hat? Der Familienvater grinst und sagt: »Ich weiß nicht, nach 3000 Arbeitsstunden habe ich aufgehört zu zählen.«