Palästina gehörte noch zum Osmanischen Reich und wurde von der Hohen Pforte, dem Sultanspalast in Istanbul, aus regiert, als Ruth Dajan - damals hieß sie noch Ruth Schwartz - am 7. März 1917 in Haifa zur Welt kam. Mit 18 heiratete sie 1935 Mosche Dajan; aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
AFFÄREN Mosche Dajan kämpfte im israelischen Unabhängigkeitskrieg und stieg später zum Generalstabschef der israelischen Streitkräfte und in der Zeit des Sechstagekriegs zum Verteidigungsminister auf. Während des Jom-Kippur-Kriegs mit Ägypten 1973 trat er zurück, feierte aber kurze Zeit später ein Comeback. Als Außenminister war Dajan dann in der Begin-Regierung maßgeblich am Zustandekommen des Camp-David-Friedensabkommens mit Ägypten beteiligt. Er starb 1981.
Der Mann mit der Augenklappe war nicht nur für seine militärischen und politischen Taten bekannt, sondern auch für seine zahlreichen Affären. Bereits Anfang der 1970er-Jahre trennte sich das Ehepaar Dajan. 1973 brachte Ruth gemeinsam mit einer Mitautorin ein biografisches Werk heraus, das zum Kassenschlager wurde. Darin setzte sie sich auch mit den Affären ihres Ex-Mannes auseinander und wird mit den Worten zitiert: »Er hatte so einen schlechten Geschmack, was die Frauen angeht.«
Ruth Dajans Schwester Reuma heiratete Ezer Weizman, einen Neffen des ersten israelischen Präsidenten Chaim Weizmann. Auch er machte in der israelischen Armee Karriere und bekleidete später das Amt des Verteidigungsministers. Von 1993 bis 2000 war er Israels Staatspräsident.
ENGAGEMENT 1954 gründete Ruth Dajan das Modelabel Maskit, nach dem hebräischen Wort für Handarbeit benannt. Unter ihrer Führung versuchte das Unternehmen, einerseits moderne Mode im gehobenen Preissegment zu produzieren, andererseits aber auch die verschiedenen handwerklichen Fähigkeiten und modischen Traditionen der nach Israel Eingewanderten weiterleben zu lassen. Lange Jahre war das Unternehmen sehr erfolgreich, 1994 wurde es aber geschlossen.
Dajan war auch sozialpolitisch engagiert und setzte sich sowohl für Frauenrechte als auch für die Aussöhnung zwischen Israelis und Arabern ein. Sie gründete die Vereinigung Brit Bnei Shem/Ibnaa Sam, die israelische und arabische Frauen zusammenbrachte.
2009, im Alter 92 Jahren, flog sie nach Malta, um sich dort mit der Witwe des PLO-Oberhaupts Jassir Arafat zu treffen. Mit deren Mutter, der Dichterin Raymonda Tawil, verband sie eine lange Freundschaft. Bis zum Schluss war Dajan geistig rüstig und aktiv. Am frühen Freitagmorgen, wenige Wochen vor ihrem 104. Geburtstag, verstarb sie in Tel Aviv.
Israels Präsident Reuven Rivlin würdigte als »eine Frau, die schon zu Lebzeiten zu einer israelischen Legende wurde«. Rivlin weiter: »Ihre Lebensgeschichte war die Verwirklichung des israelischen und zionistischen Traums.« Dajan sei »ein Vorbild für Generationen von Unternehmern« gewesen und eine Frau, »die den guten Geschmack kannte und ihn auf exquisite Weise in ihren Mustern und Stoffen zum Ausdruck brachte«.