Er ist ein Mann von Welt. Dass Schimon Peres dem Präsidentenamt in Israel wieder Würde verliehen hat, darüber gibt es keinen Zweifel. Seit sieben Jahren schreitet er voll Charme und Eleganz über die diplomatischen Parketts der Welt, ist so scharfsinnig wie gütig und wird von sämtlichen Staatsoberhäuptern verehrt und respektiert. Im Sommer geht Peres’ Amtszeit zu Ende. Eigentlich hätte das Rennen um den präsidialen Sessel längst beginnen sollen. Doch wenn es nach Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geht, wird es demnächst keinen Präsidenten des jüdischen Staates mehr geben.
Der Regierungschef tut derzeit alles, um die Wahl aufzuschieben oder gleich ganz zu verhindern. Das Gesetz besagt, dass sämtliche Details 90 bis 30 Tage vor dem Ende der laufenden Amtszeit verkündet sein müssen. Und diese Frist ist bereits zur Hälfte abgelaufen. Weder stehen bislang die Kandidaten fest, noch gibt es ein Datum.
Warum? »Weil der Ministerpräsident wie ein wütender Stier herumtobt«, heißt es aus internen Regierungskreisen. »Er will diese Wahl verhindern, als hinge sein Leben davon ab, er läuft Amok«, so und ähnlich werden immer mehr Gesprächspartner zitiert. Offenbar versucht Netanjahu bereits seit Wochen, die Unterstützung seiner Likud-Freunde zu gewinnen, um den Gang zur Urne um ein halbes Jahr zu verschieben. Ziel der Aktion ist eine Gesetzesänderung. Wie der Premier selbst zugab, hat er vor, das Amt des Präsidenten in Israel komplett abzuschaffen. Ein Knesset-Komitee soll derweil Alternativen zur Präsidentschaft ausarbeiten.
Ränkespiele Nach Medienberichten sickerte vor Kurzem aus dem Büro des Premiers, dass der Chef das Präsidentenamt für »verschwenderisch und prahlerisch« halte. Doch mittlerweile wächst die Front gegen Netanjahus Initiative. Die Arbeitspartei veröffentlichte am Wochenanfang eine Stellungnahme: »Die Tatsache, dass die Verschiebung der Wahl nur einen Monat vorher aufkommt, lässt stark an der Substanz von Netanjahus Motiven zweifeln und mutet stattdessen wie ein Versuch an, seine eigenen politischen Bedürfnisse durchzudrücken.« Die Partei rief den Premier auf, sich an die Regeln der Demokratie zu halten, schließlich sei das Datum der Präsidentschaftswahl seit sieben Jahren bekannt. »Die Initiative ehrt weder das Amt des Präsidenten noch die Knesset – und vor allem nicht den Premierminister«, hieß es weiter.
Über die Gründe des Regierungschefs wird wild spekuliert. Manche meinen, in Jerusalem gäbe es wildere Ränkespiele als in Hollywood, andere sehen das Geschehen ganz und gar politisch motiviert. Einig aber sind sich die meisten Kommentatoren darüber, dass Netanjahu die Abschaffung des Präsidentenamtes eine weitere Amtszeit als Premier bescheren könnte. Denn es ist der Präsident persönlich, der nach den Knessetwahlen den Regierungsauftrag erteilt. Und Netanjahu scheint ganz genau zu wissen, welcher Herr ihm den garantiert nicht geben würde: Reuven Rivlin, ehemaliger Knessetpräsident und alteingesessenes Mitglied des Likud.
Nachfolger Er wäre ein würdiger Nachfolger, sind sich parteiübergreifend die meisten Parlamentarier einig. Doch Netanjahu hasst ihn, behaupten die Medien, und setze derzeit alles daran, dass Rivlin nicht in die Präsidentenresidenz einzieht.
Auch die Kandidatur des anderen potenziellen Likud-Kandidaten, Silvan Schalom, ist ins Wanken geraten. Vor einigen Wochen zeigte ihn eine ehemalige Mitarbeiterin wegen sexueller Belästigung an. Zwar ist das Verfahren mittlerweile wegen Überschreitung der Verjährungsfrist von 15 Jahren eingestellt worden. Doch ein entscheidender Satz in Generalstaatsanwalt Yehuda Weinsteins Begründung fehlte: dass man keinerlei Fehlverhalten des Ministers feststellen konnte. Es ist kaum davon auszugehen, dass die israelischen Parlamentarier nach dem wegen Vergewaltigung verurteilten Ex-Präsidenten Mosche Katsav auch nur in Berührung mit Vorwürfen dieser Art kommen wollen.
Regeln Aus Netanjahus Sicht sind die Alternativen zu den Kandidaten also äußerst beschränkt, und so will er lieber gleich das ganze Amt loswerden. Doch nun wird auch die Kritik aus den eigenen Reihen immer lauter. Allen voran haben sich Innenminister Gideon Saar und der Abgeordnete Haim Katz geäußert. »Ich werde gegen jeglichen Versuch stimmen, eine Verschiebung oder eine Abschaffung des Präsidentenamtes so kurz vor der Wahl zu erreichen«, schrieb Saar auf seiner Facebook-Seite. »Man ändert nicht mitten im Spiel die Regeln.«
Katz ging sogar noch weiter: »Meine Kollegen und ich werden nicht Teil eines Plots sein, ein Grundrecht wegen persönlicher Belange zu ändern. Rivlin ist der geeignetste und beste Kandidat.« Er forderte Netanjahu auf, sich hinter Rivlin zu stellen. Doch genau das hat Netanjahu nicht vor.
Und wie reagiert Schimon Peres auf das Schmierentheater hinter den Kulissen? Der tut, was er immer tut: ignoriert die profanen Geschichten, lächelt würdevoll und reist weiter um die Welt.