Gaza

Tagsüber Arzt, nachts Bombenbauer?

Hatte die Hilfsorganisation Médécins sans frontières (Ärzte ohne Grenzen, MSF) einen Terroristen des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) auf der Gehaltsliste? Das zumindest legen Anschuldigungen der israelischen Armee nahe.

Der Arzt Fadi Al-Wadiya wurde am 25. Juni bei einem Drohnenangriff in Gaza-Stadt getötet, als er mit seinem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit war. Zunächst hatte sich MSF in einem Statement empört gezeigt über den Angriff und von einem »Mord« gesprochen.

Der 33-jährige Physiotherapeut sei bereits der sechste tote Mitarbeiter, den man seit dem 7. Oktober zu beklagen habe, so die Organisation am Mittwoch. Al-Wadiya habe seit 2018 bei Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. »Dieser Angriff ist ein weiteres brutales Beispiel für die sinnlose Tötung von palästinensischen Zivilisten und medizinischem Personal in Gaza.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Doch recht schnell gab die israelische Regierung eine Erklärung heraus, die es in sich hatte: Al-Wadiya sei nicht nur Arzt, sondern auch ein hochrangiges Mitglied des PIJ gewesen. Er sei seit 15 Jahren an vorderster Front an der Entwicklung von Raketen beteiligt gewesen, da er über Fachkenntnisse in den Bereichen Elektronik und Chemie verfügt habe, sagte ein Armeesprecher. Israel verbreitete drei Fotos des Getöteten, wie er in Uniform offenbar im Kreise anderer PIJ-Kombattanten sitzt.

»Israel bringt unsere Mitarbeiter in Gefahr«

Schnell machte die Nachricht in den sozialen Medien die Runde. 24 Stunden lang schwieg MSF. Am Donnerstagabend deutscher Zeit zeigte sich die Ärzteorganisation, die rund 400 Menschen als medizinisches Personal im Gazastreifen im Einsatz hat, »tief besorgt über diese Anschuldigungen«. Man nehme sie sehr ernst. In der Pressemitteilung heißt es weiter: »MSF würde niemals wissentlich eine Person beschäftigen, die in militärische Aktivitäten involviert ist. Jeder Mitarbeiter, der mit einer bewaffneten Gruppe in Verbindung steht, stellt eine Gefahr für unsere Mitarbeiter und unsere Patienten dar.«

Man habe weder vorab noch nach dem tödlichen Drohnenangriff Hinweise von israelischer Seite auf eine mögliche Beteiligung Al-Wadiyas an militärischen Aktivitäten bekommen. »Obwohl wir die israelischen Behörden um Aufklärung gebeten haben, haben wir bislang keine formelle Antwort erhalten.« MSF wünsche sich eine vollständige und unabhängige Aufklärung des Falles. Bei dem Schlag seien fünf weitere Menschen getötet worden, darunter drei Kinder, so die Hilfsorganisation.

Dann folgte erneut scharfe Kritik an Israel. »Die Art und Weise, wie die israelischen Behörden diesen Vorfall kommunizieren, bringt unsere Mitarbeiter noch mehr in Gefahr und trägt dazu bei, die medizinischen und humanitären Mitarbeiter in Gaza und im Westjordanland zu diskreditieren.« Man sei aber weiterhin entschlossen, »lebensrettende Versorgung« in Gaza zu leisten, denn der humanitäre und medizinische Bedarf dort sei immens und die Lage der Palästinenser katastrophal.

Kritik an Ärzte ohne Grenzen

Vor einigen Tagen hatte die Organisation bekanntgegeben, dass es ihr seit Ende April nicht mehr möglich gewesen sei, dringend benötigte medizinische Ausrüstung in das Kriegsgebiet einzuführen. Mehrere Lastwagen mit insgesamt 37 Tonnen an Material steckten am Grenzübergang Kerem Shalom fest, so MSF.

Ärzte ohne Grenzen sieht sich als unabhängige humanitäre Organisation, die »im Namen der universellen medizinischen Ethik Neutralität und Unparteilichkeit wahrt«. Sie hat ein Jahresbudget von mehr als 2 Milliarden Euro, das überwiegend aus Spenden gedeckt wird.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Allerdings kamen in der Vergangenheit immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit von MSF auf. Organisationen wie NGO Monitor in Israel warfen Ärzte ohne Grenzen vor, israelische Opfer weitgehend ignoriert und die massiven Kriegsverbrechen der Hamas sowie deren Verantwortung für die »Verwandlung des Gazastreifens in eine riesige unterirdische Terrorbasis« verschwiegen zu haben.

Wiederholt habe MSF geleugnet, dass die Hamas Krankenhäuser im Gazastreifens als militärische Stützpunkte nutze, und stattdessen behauptet, dass Israel gezielt die Gesundheitsversorgung in der palästinensischen Küstenenklave angreife und zerstöre.

»Das Schweigen von Ärzte ohne Grenzen ist ein Verrat an der medizinischen Ethik, an den Geiseln und an der palästinensischen Zivilbevölkerung. Jedes medizinische Personal, das an der Vertuschung dieser Aktivitäten beteiligt ist, könnte sowohl vor nationalen als auch internationalen Gerichten zivil- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden«, erklärte NGO Monitor im November 2023.

Nahost

USA: Gaza-Deal so nah »wie nie zuvor«

Washington gibt sich optimistisch: Eine Einigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie die Freilassung von Geiseln stehe bevor. Der US-Außenminister sagt: Es liegt nun an der Hamas

von Julia Naue  14.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Gerhard Conrad

»Hamas ist ein Gegner, der nur in extremer Not einlenkt«

Der ehemalige Geisel-Unterhändler und BND-Agent über einen möglichen Deal zwischen Hamas und Israel und die Folgen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  14.01.2025

Israel

Ben Gvir: Geisel-Deal bedeutet Ende der Regierungskoalition

Der rechte Minister gibt zu, im vergangenen Jahr eine Waffenstillstandsvereinbarung mehrfach verhindert zu haben

 14.01.2025

Terror

Bericht: Hamas akzeptiert Entwurf für Geisel-Deal

Es müssten nur noch letzte Details geklärt werden, so ein israelischer Regierungsvertreter

 14.01.2025 Aktualisiert

Israel

Luftalarm wegen Rakete aus dem Jemen

Mehrere Menschen verletzten sich auf dem Weg zum Schutzraum

 14.01.2025

Washington D.C.

USA legen Nachkriegsplan für Gaza vor

Blinken will die Palästinensische Autonomiebehörde in eine Regierung einbeziehen. Israel lehnt dies ab, da auch sie den Terror unterstützt

 14.01.2025

Geisel-Deal

»Ein Schimmer der Hoffnung, aber wir bleiben vorsichtig«

In Doha sollen heute wohl letzte offene Fragen geklärt werden, während immer mehr Details über den möglichen Deal zwischen Israel und Hamas bekannt werden

 14.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert