Seit mehr als 70 Jahren ist Richard Wagner wegen seiner antisemitischen Einstellung und der Verehrung seiner Musik durch die Nazis in Israel tabu. Zumindest so gut wie. Zwar gibt es keinen offiziellen Boykott der Werke Wagners, in öffentlichen Konzerten jedoch werden sie nicht gespielt.
Für den 18. Juni hatte die israelische Wagner-Gesellschaft nun das erste öffentliche Konzert in Israel geplant. Deren Vorsitzender Jonathan Livny erklärte, erstmals werde ein Konzertabend in Israel ausschließlich Wagner gewidmet. Doch möglicherweise wird es bis dahin noch länger dauern: Wie am Dienstag bekannt wurde, hat die Universität Tel Aviv, in deren Smolarz-Auditorium das Konzert stattfinden sollte, die Veranstaltung abgesagt.
Beschwerden Ein Wagner-Konzert »überschreite eine rote Linie«, begründete die Universität ihre Absage: »Sie würde die Gefühle der israelischen Öffentlichkeit im Allgemeinen und der Holocaust-Überlebenden im Besonderen verletzen.« Man habe »heftige und wütende Beschwerden und Forderungen nach einer Absage des umstrittenen Konzerts erhalten«.
Die Universitätsleitung hat die Wagner-Gesellschaft schriftlich über die Entscheidung informiert. Deren Sprecher Livny erwägt nun, die Uni von einem Gericht zwingen zu lassen, den Saal zur Verfügung zu stellen. »Wir suchen nach einer Lösung«, erklärte Livny. Auch eine Verlegung des Konzerts an einen anderen Ort werde geprüft.
Die Universität kritisierte, sie sei vorab nicht informiert worden, dass Wagner-Musik gespielt werden solle. Livny wies das als falsch zurück. Es gebe dazu sogar einen Briefwechsel mit der Universität.
Barenboim Seit 1938 ist es ungeschriebenes Gesetz in Israel, Wagner nicht aufzuführen. In privaten Vorstellungen wurde dies bereits mehrmals gebrochen, bei regulären Konzerten aber werden Wagnersche Werke so gut wie nicht gespielt. Daniel Barenboim hatte vor rund zehn Jahren mit viel Einfühlungsvermögen versucht, Wagner nach einem Konzert als Zugabe aufzuführen. Er sprach dafür mit dem Publikum und gab jenen, die nicht zuhören wollten, Zeit, den Saal zu verlassen. Wie damals scheint sich nur erneut ein Skandal zu entwickeln.