Die Stimmung ist gereizt. Avigdor Lieberman, der Außenminister, greift immer wieder zur Streitaxt. Und sein Chef, Premier Benjamin Netanjahu, zahlt es ihm jeweils mit gleicher Münze zurück. Der regelmäßige Schlagabtausch der Koalitionspartner vergiftet das Klima in der Regierung und lässt Spekulationen aufkommen, das Parteienbündnis stehe kurz vor dem Aus. Denn Lieberman, Chef der nationalistisch ausgerichteten Partei Israel Beiteinu, hat 15 Abgeordnete in der Knesset und ist damit der wichtigste Partner von Netanjahu – zumindest zahlenmäßig.
Die Szenen einer zerstrittenen Koalitionsregierung, die sich jetzt am Beispiel von Liebermans Gaza-Vorstoß abspielen, waren vorhersehbar. Schon vor der Ernennung des Liebermans zum obersten Botschafter des Landes hätte Netanjahu wissen müssen, dass der aus Moldawien stammende Polterer kein Diplomat ist. Er hatte sich zuvor mit seinen markigen Aussprüchen dermaßen weit aus dem Fenster gelehnt, dass er in wichtigen Hauptstädten nicht gern gesehen war. In Kairo ist er sogar unerwünscht, ebenso wie in Amman und Ramallah. Deshalb wird Lieberman von Netanjahu bei seinen außenpolitischen Überlegungen und Initiativen nur noch als marginale Größe behandelt.
Kaltgestellt Der Außenminister ist inzwischen de facto kaltgestellt. Die wichtigsten Kontakte zum Ausland pflegt nicht er, sondern Netanjahu, Staatspräsident Schimon Peres oder andere Minister. Und bei den Bemühungen, sich den Palästinensern wieder anzunähern, ist er nicht involviert. Auch bei der Initiative zur Schadensbegrenzung mit Ankara ließ ihn der 60 Jahre alte Premier außen vor. Zu einem Treffen mit dem türkischen Außenminister, dem ersten nach der Gaza-Hilfsflotte, wurde Industrieminister Benjamin Ben-Eliezer geschickt. Lieberman erfuhr erst aus der Presse von dieser Begegnung. Der israelische Außenminister muss seine Arbeitskraft vor allem auf leichtgewichtige Kontakte zu Afrika, Lateinamerika und zu den Ländern der ehemaligen Sowjetunion beschränken.
Doch der 52-Jährige gibt nicht klein bei. Mit eigenmächtigen Vorstößen macht er von sich reden und brüskiert damit seinen Partner, den er zunehmend als Widersacher empfindet. Immer wieder lässt sich der Chef der Israel Beitenu-Partei neue Mätzchen einfallen – und sorgt damit für Schlagzeilen. So ernannte er kürzlich einen neuen Botschafter für die Vereinten Nationen, ohne den Regierungschef, wie es üblich ist, vorab zu informieren. Ausgerechnet am Tag vor einem Treffen Netanjahus mit dem ägyptischen Präsidenten Mubarak machte Lieberman den Vorschlag, sich endgültig des Gazastreifens zu entledigen und die letzten Verbindungen, Stromlieferungen oder Nahrungsmittelhilfe abzubrechen. Kairo würde dann die Verantwortung für die Palästinenser des Küstenstreifens übernehmen müssen, was Mubarak aus innenpolitischen Gründen verhindern will. Zuvor hatte Netanjahus Chefdiplomat mit einer Prognose für Aufsehen gesorgt, die Palästinenser hätten in absehbarer Zeit keine Chancen auf einen eigenen Staat. Damit distanzierte er sich von der offiziellen Regierungslinie, die sich für Gespräche einsetzt.
Der Zoff hat sich inzwischen auch auf Gebiete außerhalb der Außenpolitik ausgeweitet. So lehnten Lieberman und die Minister seiner Partei den Haushaltsvorschlag für die nächsten zwei Jahre ab. Sie protestierten damit gegen die Kürzungen: Während weder bei den Ministerien der Arbeitspartei noch bei denjenigen der ortho- doxen Schas gespart würde, müssten diejenigen der Israel Beitenu-Partei die Last allein tragen, behaupteten Liebermans Minister. Zu weiteren Friktionen kam es dann bei dem Gesetzesvorschlag, der den Übertritt zum Judentum erleichtert hätte. Mit dem Konversionsgesetz wollte Lieberman sein Wahlversprechen an »seine« Wähler einlösen. Viele Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die laut der Halacha nicht als jüdische gelten, hoffen auf einen einfacheren Weg zum offiziellen Übertritt.
gescheitert Die Vorlage brachte Lieberman aber nicht durch. Deren Annahme hätte dem israelischen Oberrabbinat mehr Machtbefugnisse eingeräumt. Deshalb wehrten sich vor allem US-amerikanische Juden gegen dieses Gesetz. Und die liberalen Strömungen wollen verhindern, dass die Orthodoxie ihre Position ausbauen kann. Um die Beziehungen zu ihnen nicht zu gefährden, wollte Netanjahu deshalb vom Konversionsgesetz nichts wissen. Er riskierte lieber, Lieberman zu brüskieren, als sich mit amerikanischen Juden anzulegen. Zumal auch die orthodoxen Koalitions-Parteien Liebermans Vorschlag als Kampfansage aufgefasst hatten.
Trotz dieser öffentlich ausgetragenen Konflikte: Lieberman denkt nicht daran, zurückzutreten. Das würde den Weg frei machen für seine Rivalin und Vorgängerin im Amt, Zipi Liwni. Mit seinen Provokationen will er sich lediglich in Erinnerung rufen. Zeigen, dass mit ihm zu rechnen ist. Der Konflikt sei durch die Medien aufgeblasen, behauptete Lieberman bei einer Pressekonferenz, bei der er Rücktrittsgerüchte entschieden zurückwies. Was ihn wohl aber nicht daran hindern wird, auch künftig mit seiner undiplomatischen Art für Schlagzeilen zu sorgen.