Die Ungewissheit wiegt schwer. In Syrien ist nach dem Zusammenbruch des Regimes des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad vieles in Aufruhr, und niemand weiß, was die Zukunft bringen mag. Vor allem sorgen sich Minderheiten in dem nahöstlichen Land, dass die islamistischen Rebellen ihnen nicht wohlgesonnen sein könnten. So auch die Drusen, die im syrischen Teil der Golanhöhen leben. Einige von ihnen fordern jetzt, von Israel annektiert zu werden.
In dem Dorf Hader im Süden Syriens nahe der Grenze zu Israel debattierten am Wochenende Dorfälteste über ihre Zukunft. »Was ist unser Schicksal?«, fragte ein Sprecher in einem Video, das in den sozialen Medien viral ging. Die Menge antwortete: »Israel.«
Weiter sagte er vor Dutzenden Menschen: »Im Namen des gesamten Volkes von Hader, wenn jemand Einwände hat, soll er es jetzt vorbringen…« Dann fuhr er fort: »Wenn wir wählen müssen, wählen wir das kleinere Übel – die Annexion der Golanhöhen!« Er erläuterte, dass Israel für sie »das kleinere Übel« sei, und warnte, dass »das andere Übel, das auf uns zukommt«, also die islamistischen Rebellen, »unsere Frauen, unsere Töchter, unsere Häuser nehmen« würde.
Der Dorfälteste hatte nichts dagegen, gefilmt zu werden
Dann bat er darum, »an Israel angegliedert zu werden«. Es mache ihm nichts aus, wenn jemand Fotos mache oder filmt, machte er klar. »Wir möchten darum bitten, uns unseren Verwandten auf dem Golan anzuschließen, um frei von Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu sein«, worauf die Anwesenden auf der Versammlung riefen: »Wir sind einverstanden, wir sind einverstanden!«
Als Israel und Syrien 1974 einem Waffenstillstand und der Schaffung einer »Pufferzone« zwischen den beiden Ländern zustimmten, fanden sich viele drusische Familien zwischen zwei verfeindeten Ländern aufgeteilt wieder – einige Mitglieder lebten plötzlich auf israelischer Seite der Grenze, andere auf der syrischen.
»Wir mischen uns nicht in die Geschehnisse in Syrien ein und haben auch nicht die Absicht, das Land zu regieren.«
Obwohl sich der drusische Glaube aus dem Ismailismus, einem Zweig des schiitischen Islams, entwickelt hat, identifizieren sich die Drusen nicht als Muslime. Ihre Religion wird größtenteils geheim gehalten. Sie bewahren die arabische Sprache und Kultur als integralen Bestandteil ihrer Identität.
Die drusischen Gemeinden auf den israelischen Golanhöhen unterscheiden sich von denen in Galiläa. Während letztere vollständig loyal zum israelischen Staat sind, Pflichtdienst in der IDF absolvieren und sich als »Brüder der Juden« bezeichnen, sind die Drusen auf dem Golan oft zwiegespalten, auch weil sie zum Teil noch Angehörige auf syrischer Seite haben. Allerdings beantragen auch sie zunehmend die israelische Staatsbürgerschaft.
Es ist Tradition bei den Drusen, sich loyal gegenüber der Regierung des Landes, in dem sie leben, zu verhalten. So hatten sich viele Drusen in Syrien bis zuletzt für das Assad-Regime ausgesprochen. Dafür, sorgen sich viele, könnten die Rebellen sie nun bestrafen.
IDF-Offiziere trafen sich mit syrischen Dorfbewohnern
Israelische Medien berichteten am Wochenbeginn, dass sich IDF-Offiziere offen mit Dorfältesten in Quneitra getroffen hätten, um ihnen zu versichern, dass sie von der israelischen Armee, die sich derzeit in der Pufferzone aufhält, nichts zu befürchten hätten und ihren Alltag weiterleben können. Quneitra ist ein Bezirk, der teilweise innerhalb der Pufferzone zwischen Israel und Syrien liegt.
Der Anführer der syrischen Rebellen, Ahmad al-Sharaa, auch bekannt als Abu Mohammed al-Jolani, wandte sich am Samstag zum ersten Mal an Israel und sprach sich gegen israelisches Engagement in Syrien aus. »Syrien braucht Gesetze und staatliche Institutionen. Wir haben einen Plan, um mit allen Krisen umzugehen. Wir werden keinen Konflikt mit Israel beginnen.«
Der Stabschef der IDF, Herzi Halevi, wies Vorwürfe zurück, Israel würde sich einmischen, und betonte: »Wir mischen uns nicht in die Geschehnisse in Syrien ein und haben auch nicht die Absicht, das Land zu regieren. Die Sicherheit der israelischen Bürger, die in den Gemeinden auf den Golanhöhen leben, ist uns jedoch in jedem Fall wichtig.«