Hülsenfrüchte

Superfood mit Potenzial

Kichererbsen
Die Kichererbse gilt längst als Superfood. Foto: Getty Images

Erst eroberte sie die Küchen, Fast-Food-Imbisse und Restaurants dieser Welt, jetzt steht ihr eine Karriere im Weltraum bevor. Die Rede ist von der Kichererbse, einer kleinen Hülsenfrucht, die, anders als ihr Name es vermuten lässt, nichts mit der grünen Erbse gemein hat. Geht alles nach Plan, werden israelische Wissenschaftler dieser Tage einige Samen von Cicer arietinum, so ihr botanischer Name, auf eine lange Reise schicken, und zwar zur Internationalen Raumstation (ISS). Dort soll dann in einem Miniaturgewächshaus getestet werden, wie sie fernab der Erde unter extremen Bedingungen gedeihen könnte.

»Wir wissen nicht, ob Kichererbsen im Weltraum überhaupt wachsen werden«, erklärt Yonatan Winetraub. »Auch geht es nicht darum, so viele wie möglich anzubauen, sondern zu schauen, wie wir dabei optimal mit den Ressourcen umgehen«, so der Mitbegründer von SpaceIL, einer israelischen Non-Profit-Organisation, die bereits hinter dem Projekt der Raumsonde »Beresheet« stand.

EXPERIMENT Am 19. Februar wird es wohl losgehen. Das Experiment ist Teil der von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA aufgelegten Initiative »Deep Space Food Challenge«. Schließlich erfordert die Ernährung von Astronauten bei längeren Aufenthalten im All innovative Lösungen. Und da kommt die Kichererbse ins Spiel. Sie ist in der Lage, den menschlichen Körper mit hochwertigem pflanzlichen Eiweiß, Aminosäuren, Ballaststoffen und komplexen Kohlehydraten zu versorgen, steckt voller Vitamine, Kalzium und Eisen, weshalb die Hülsenfrucht längst als Superfood gilt.

Und die Experimente auf der ISS sind nicht die einzigen ihrer Art. Auch bei den Versuchen im riesigen Krater von Mitzpe Ramon im Negev, bei denen eine Mars-Mission simuliert wird, spielen Kichererbsen eine Rolle. Man will dort ebenfalls herausfinden, ob sich die Hülsenfrucht auf dem roten Planeten anbauen ließe. Doch bis der erste Space-Hummus, stilecht mit einem guten Schuss Olivenöl, etwas Tahina oder gerösteten Pinienkernen auf den Tisch der Raumschiffkantine kommt, dürfte es wohl noch etwas dauern.

Auch auf hiesigen Äckern ist die Kichererbse längst angekommen.

Was auf dem Mars nach Zukunftsmusik klingt, scheint in Deutschland bereits voll im Gange. Denn auf hiesigen Äckern ist die Kichererbse, obwohl sie es eher sonnig und warm mag, bereits angekommen. Erste Anbaugebiete finden sich im brandenburgischen Trebbin sowie in der Magdeburger Börde. Doch noch ist die Kichererbse weit davon entfernt, der Kartoffel, die ja ebenfalls ein Zuwanderer ist und erst seit rund 350 Jahren in Deutschland angebaut wird, auf den Feldern den Platz streitig zu machen. Die hiesigen Erntemengen sind so verschwindend klein, dass das Statistische Bundesamt keine Zahlen zu nennen vermag.

Sehr wohl aber zu den Importen, die geradezu explodieren, und zwar allein 2020 um knapp 7000 Tonnen auf etwa 19.300 Tonnen. Im Vergleich zu den rund 15,1 Millionen Tonnen, die weltweit geerntet und verbraucht werden – rund zwei Drittel davon in Indien –, ist das zwar ein Hummus-Klacks. Aber auch der Grund, warum mit dem Anbau hierzulande begonnen wurde. Die Tatsache, dass die Kichererbse oftmals eine lange Reise hinter sich hat, schlägt sich nämlich negativ auf ihre Umweltbilanz nieder.

KOFU Und die ist vielen wichtig. Wie zum Beispiel der Zeevi Kichererbsen GmbH in Berlin. Auf seiner Website wirbt der Anbieter von Kichererbsen-Spezialitäten sogar damit, dass der Rohstoff für seine Produkte aus biozertifiziertem deutschen Anbau stammt. Und es muss nicht immer nur Hummus sein. So hat der Israeli Zeevi Chaimovitch, einer der der drei Gründer, etwas völlig Neues aus Myanmar entdeckt. Es nennt sich Shan-Tofu, ein Tofu aus Kichererbsen. Daraus entstand die Geschäftsidee für Kofu, eine Soja-Alternative auf Basis besagter Hülsenfrüchte, die sich wunderbar zu asiatischen oder mediterranen Gerichten weiterverarbeiten lassen.

Überhaupt scheint der Einsatz der Kichererbse in der Küche keine Grenzen zu kennen. In Italien erfreuen sich unter anderem die Farinatas, Pfannkuchen aus Kichererbsenmehl, das übrigens glutenfrei ist, Olivenöl, Salz und Wasser, traditionell großer Beliebtheit. Und in den Vereinigten Staaten ist man besonders experimentierfreudig. So kam kürzlich die »Fababutter« auf den Markt, wobei das beim Einkochen von Kichererbsen übrig gebliebene Wasser, das sogenannte Aquafaba, als Ausgangsmaterial dient.

In New York servierte die Michelin-Sterneköchin Missy Robbins in ihrem Restaurant kürzlich Pappardelle aus einem Nudelteig, der zum Teil aus Kichererbsen besteht. Aber Vorsicht. »Wenn man zu viel hinzufügt, wird die Pasta schnell kartonartig«, erklärt sie. Für Robbins geht es dabei vor allem um den Geschmack. »Das Kichererbsenmehl verleiht dem Gericht eine erdige Note.« Und in Portland wird aus den Hülsenfrüchten sogar Eiscreme gemacht.

CHIPS Hierzulande dagegen erobert neben dem Hummus immer mehr knuspriger Knabberspaß aus gerösteten oder gebackenen Kichererbsen die Supermarktregale, oft in Form von Chips. Bewusster snacken lautet das Motto – und das nicht nur bei Hipstern, die vielleicht als erste Zielgruppe anvisiert wurden.

Man kann die Hülsenfrüchte aber auch trinken. So gab es auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) 2016 am Israel-Stand das »Maselprost« zu probieren, ein von der Werbe- und Marketingagentur BBDO Berlin anlässlich des 50. Jubiläums der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel konzipiertes Bier, das aus Wasser, Hefe, Hopfen – und eben Kichererbsenmehl gebraut wurde.

»Ein tolles Naturbier – es ist nahrhaft und enthält reichlich Ballaststoffe«, schwärmte seinerzeit BBDO-Creative Director Marius Lohmann und verwies auf ein weiteres wichtiges Qualitätskriterium. »Selbst mehrere Flaschen an einem Abend verursachen keinen Kater.«

biere Was in Deutschland eine einmalige Sache war, hat sich in Israel fest etabliert. Seit 2015 produziert dort Bryan Meadan, ein an Gluten-Unverträglichkeit leidender Brauer, Biere auf Dattel-, Buchweizen- und natürlich Kichererbsenbasis, darunter sein »Dark Chickpea Ale«. »Wir haben sehr schnell festgestellt, dass es dafür einen Markt gibt«, so sein Erfinder voller Stolz.

Wie alles im Nahen und Mittleren Osten ist selbstverständlich auch die Kichererbse politisch.

Überhaupt scheint die Region die Heimat der Kichererbse zu sein. Bereits vor rund 8500 Jahren wurde sie dort kultiviert. Das jedenfalls belegen Ausgrabungen aus der Nähe von Jericho. Ihre Karriere als Feldfrucht aber begann Cicer arietinum bereits 1000 Jahre früher irgendwo zwischen den Quellen von Euphrat und Tigris in der heutigen Südtürkei. Auch wird sie hier noch geerntet, so gibt es in Israel rund 3000 Hektar Anbaufläche.

Und wie alles im Nahen und Mittleren Osten ist selbstverständlich auch die Kichererbse politisch. Oder genauer gesagt, der aus ihr gewonnene Hummus. Seit Jahren schwelt ein Streit darüber, wer ihn erfunden hat oder wo es den leckersten Kichererbsenbrei zu essen gibt.

geschäftsleute Alles begann damit, dass libanesische Geschäftsleute unter Federführung des damaligen Tourismusministers des Zedernstaates, Fadi Abboud, 2008 Israel vor den Europäischen Gerichtshof bringen wollten, weil Hummus als israelisches Produkt vermarktet wurde. »Es reicht ihnen noch nicht, unser Land zu rauben«, so Abboud damals, »jetzt stehlen sie auch unsere Zivilisation und unsere Küche.«

Doch der Versuch, Hummus als libanesisches Nationalgericht schützen zu lassen wie Griechenland seinen Feta, scheiterte. Daraufhin bereiteten Köche im Libanon einen Monster-Hummus zu, um sich so wenigstens einen Platz im Guinness-Buch der Rekorde zu sichern.

Die Antwort aus Israel folgte prompt – ausgerechnet aus dem von israelischen Arabern bewohnten Dorf Abu Gosh, wo man eine Schale mit vier Tonnen Kichererbsenbrei präsentierte. Das ging dann hin und her, zuletzt gewann 2010 der Libanon mit einer 10,4-Tonnen-Portion.

ERBSENKRIEG Über diese Art des Kichererbsenkriegs lässt sich gut schmunzeln. Doch mit welcher identitätspolitischen Verve manche Akteure dann unterwegs sind, bewies 2018 James Zogby, Präsident des Arab American Institute in Washington, D.C. Weil Rachael Ray, eine prominente amerikanische TV-Moderatorin und Köchin, in einem Tweet Hummus und andere Leckereien wie Tabouleh als »israelisch« bezeichnete, sprach Zogby von einem »kulturellen Genozid«, den Israel begehe.

Dabei lädt gerade ein schmackhafter Hummus zum Entspannen und gemeinsamen Genießen ein, verweist er doch eher auf die vielen Gemeinsamkeiten in der Küche, die die Einwanderer aus den arabischen Ländern mit nach Israel brachten. Vielleicht können Libanesen, Palästinenser und Israelis ja alle mal ein altes Problem bei seiner Zubereitung lösen – und zwar die Blähungen, die der in der Kichererbse enthaltene Ballaststoff Raffinose leider mit sich bringt. Die Raumfahrer der Zukunft werden es ihnen gewiss danken.

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