Tel Aviv

Strandjuwel

Dort, wo einst Delfine das Publikum bespaßten, tummeln sich heute Surfer auf ihren Brettern, Ruderer und Schwimmer im Meer. Sie alle tragen blaue Lyrashirts mit dem Logo der Stadtverwaltung in Regenbogenfarben auf dem Rücken. Lange Zeit war die Gegend mit dem »Dolphinarium«, gebaut im Stil des Brutalismus, einer der größten Schandflecke Tel Avivs, und das in Top-Lage mit Meerblick. Jetzt steht hier ein elegantes, weitläufiges Gebäude. Es beherbergt nach Angaben der Stadtverwaltung das erste Wassersportzentrum der Welt, das einer Kommune gehört.

Das Projekt umfasst einen angrenzenden Park, einen speziell eingerichteten und erweiterten Strandbereich für Meeres- und Küstenaktivitäten sowie eine 270 Meter lange Promenade und eine Anlage für Skater. Dazu gehören ein sogenannter Carver Park und ein Pumptrack auf einer Fläche von 35.000 Quadratmetern.

Im Juli und August bietet die Stadt Sommercamps mit Surfunterricht für alle an.

Das Gemeindezentrum wurde »als Teil der kommunalen Vision gebaut, eine Reihe von Promenaden entlang der Küste von Tel Aviv zu schaffen – von Herzliya im Norden bis nach Bat Yam im Süden«, heißt es dazu aus der Stadtverwaltung. Gekostet hat das Ganze rund 22 Millionen Euro. Weiterhin geplant sind ein Restaurant und Kiosk mit Blick aufs Meer sowie Zufahrtsstraßen, Radwege und barrierefreie Spazierpfade von der Stadt bis zur Küste.

»Surfer? Ruderer? Sportler? Beach-Volleyballer? Anfänger? Profi? Dieses Zentrum ist für alle Strand- und Meeresfans da!«, lockt die Stadtverwaltung in ihrer Werbung. Nach den Sommerferien sollen auch Schülerinnen und Schüler der städtischen Schulen im Rahmen des Lehrplans hier Unterricht im Wassersport haben. Im Juli und August bietet die Stadt Sommercamps mit Surfunterricht an.

Öffnung zum Meer

»Die Öffnung des Meeres für die Öffentlichkeit war eines der ersten Ziele, die ich mir bei meinem Amtsantritt gesetzt hatte, und ich bin froh, dass wir diesen Moment erreicht haben«, freute sich Bürgermeister Ron Huldai anlässlich der Eröffnung vor einigen Wochen. Das alte Dolphinarium-Gebäude habe viele Jahre lang leer gestanden, verfiel immer weiter und sei ein Schandfleck gewesen, der die Küste und den Blick auf das Wasser blockierte.

Doch der Betonklotz war nicht nur unansehnlich, er hatte auch eine bewegte Geschichte. 1981 eröffnete das Dolphinarium mit dem, was ihm seinen Namen verlieh: einem Wasserpark mitsamt Delfinen (auf Hebräisch: Dolphin). Doch die südafrikanischen Investoren mit Beziehungen zur Mafia waren mehr an Geldwäsche als an den Spielen von Flipper & Co. interessiert. Als der Skandal publik wurde, stiegen sie aus dem Projekt aus, und nur vier Jahre später schloss die Show für immer ihre Pforten.

Anschlag mit 21 Toten

Anschließend zogen immer wieder neue Geschäfte in den überdimensionierten Komplex, darunter eine Diskothek, deren Bestehen auf tragische Weise endete. Am 1. Juni 2001 sprengte sich ein palästinensischer Terrorist am Eingang inmitten einer Schlange von wartenden Teenagern, hauptsächlich russischstämmige Israelis, in die Luft. 21 junge Menschen kamen ums Leben, mehr als 120 wurden verletzt. Das Dolphinarium-Denkmal, das zur Erinnerung an den mörderischen Selbstmordanschlag unmittelbar danach errichtet wurde, ist nur wenige Meter von dem neuen Gelände entfernt und in einen gepflasterten und schattigen Sitzbereich integriert worden.

Nach dem grauenvollen Anschlag stand das Dolphinarium leer. Ganz verlassen war es jedoch nie. Jeden Freitag vor Sonnenuntergang traf sich dort die Schanti-Gemeinde der Stadt, um gemeinsam zu trommeln und Yoga zu üben. 2018 schließlich rückten die Baumaschinen an und begannen mit den Abrissarbeiten. Dort, wo früher Beton vorherrschte, prangt jetzt ein heller, lichtdurchfluteter Gebäudekomplex auf zwei Ebenen, das Untergeschoss mit der Surfschule liegt direkt am Strand.

Auf der Promenade spazieren

»Die Beseitigung des alten Gebäudes ermöglichte die Neugestaltung des Areals als bequem zugänglichen öffentlichen Strand, die Fortsetzung der Promenade sowie den Bau des wunderschönen neuen Gemeindezentrums«, so Huldai. »Ich lade alle Stadtbewohner dazu ein, auf der Promenade spazieren zu gehen, auf dem Meer zu surfen oder einfach nur am Strand zu sitzen und die traumhaften Sonnenuntergänge vor unserer Stadt zu genießen.«

Lange traf sich dort die Schanti-Gemeinde der Stadt zu Yoga-Übungen.

Schnupperkurse für Surf- oder Stand-up-Paddling-Interessierte beispielsweise kosten umgerechnet rund 20 Euro, ein Anfängerkurs mit vier Treffen etwa 100 Euro. Die Stadtverwaltung will mit den für Israel verhältnismäßig niedrigen Preisen für die Sportangebote die maritime Kultur Tel Avivs voranbringen und erreichen, dass Wassersport für möglichst viele Bewohner erschwinglich ist.

Omer Tsur jedenfalls hat sich schon ein Brett ausgeliehen und kommt nach zwei Stunden professioneller Einführung ins Wellenreiten aus dem Meer zurück an den Strand. »Das neue Wassersportzentrum ist großartig«, freut sich der Mann, der für ein Start-up-Unternehmen in der Stadt arbeitet, während er das Surfboard über den Sand trägt. »Die Einrichtungen sind perfekt, die Leute supernett und die Preise niedrig. Ich bin zum ersten Mal hier und völlig begeistert. Das alles bringt die Bewohner der Stadt und ihren Strand wirklich zusammen.«

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