Piemont

»Stille und Schmerz«: Der Gondelabsturz erschüttert Italien und Israel

Beim Absturz einer Seilbahn-Kabine kamen insgesamt 14 Menschen ums Leben. Foto: imago images/Italy Photo Press

An einem steilen Waldhang im norditalienischen Piemont kämpfen sich Rettungskräfte durch Gestrüpp und über umgefallene Bäume - vor ihnen ein grandioser Ausblick auf den Lago Maggiore, daneben der grauenvolle Anblick einer völlig zerstörten Gondel und von Toten.

Am Sonntag, einem der ersten Wochenenden mit weniger Corona-Beschränkungen und mehr Freiheiten und bestem Ausflugswetter, stürzte die Kabine auf dem Weg zur Station am Monte Mottarone plötzlich ab. Junge Paare, Familien und Kinder riss sie in den Tod.

Für die meisten kam jede Hilfe zu spät: 13 Menschen - Italiener und Israelis - starben noch an der Unfallstelle. Das Gebiet sei schwer zugänglich gewesen, berichteten die Retter. Zwei Kinder wurden per Rettungshubschrauber in eine Turiner Klinik geflogen. Eines starb noch am Abend und wurde zum 14. Toten.

»Stille und Schmerz, das bleibt heute nach dem Drama«, schrieb die Feuerwehr am Montag auf Twitter. Am Tag nach dem Unglück war an der Unglücksstelle nur noch die Gondel zu sehen - bedeckt mit einer grauen Plane und eingehüllt in diesigen Nebel.

Es hätte der Sonntag der »Wiederöffnung« sein sollen, wie der Präsident der Region Piemont, Alberto Cirio, sagte. Erst seit dem Wochenende dürfen die Seilbahnen in Italien nach Monaten der Schließung wegen Corona wieder Ausflügler transportieren. Die Öffnung war Teil der schrittweisen Lockerungen der Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi.

Doch am Sonntagabend stand die bittere Bilanz von 14 Toten und nur einem Überlebenden fest, einem kleinen Jungen aus Israel, der bei dem Unglück seine Eltern verlor. Seine Tante kam zu ihm ins Krankenhaus.

Wie konnte es zu diesem Unglück kommen? Eine Unglücksursache stand zunächst nicht fest. Ein Seil hatte sich gelöst, wie Ermittler am Sonntag einigen Medien berichteten. Am Montag sagte eine Staatsanwältin vor Journalisten, das Sicherheitsbremssystem habe wohl nicht funktioniert, doch weshalb sei unklar.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen fahrlässiger Tötung. Im Fokus stehe mehr als ein Unternehmen. Infrastrukturminister Enrico Giovannini und der Chef der Zivilschutzbehörde reisten am Montag in die Region. Eine Kommission solle die Ermittlungen unterstützen.

Gondel-Unglücke kommen selten vor. In Italien wurden mehrere Menschen 2008 verletzt, als eine Kabine gegen die Station im piemontesischen Sestriere krachte. 1998 starben 20 Menschen im norditalienischen Cavalese, südlich von Bozen, als ein Militärflugzeug das Kabel der Seilbahn durchtrennte und eine Gondel deshalb abstürzte.

Überfüllt war die Gondel am Sonntag wohl nicht. Laut der Südtiroler Firma Leitner, die für die Wartungen der Seilbahn zuständig ist, sind die Kabinen für 35 Leute ausgelegt. Wegen der Corona-Pandemie hätten nur 20 Menschen rein gedurft. Leitner gab außerdem an, dass bei der letzten magnetinduktiven Seilprüfung im November 2020 »keine Unregelmäßigkeiten« festgestellt worden seien. Die Prüfung erfolge jährlich. Auch nach der Generalüberholung der Bahn im Jahr 2016 sei die Anlage genau kontrolliert worden.

Die Region am Westufer des Lago Maggiore ist bei Touristen beliebt. »In 20 Minuten vom See zum Berg«, damit wirbt der Seilbahnbetreiber Funivia Stresa-Alpino-Mottarone aus dem Ort Stresa.

Der 1491 Meter hohe Monte Motarrone ist für seine Aussicht auf die Borromäischen Inseln im Lago Maggiore und seinen Blick über die malerischen Bergketten bekannt. Das Panorama soll zu einem der schönsten gehören. Im Winter ist das Gebiet Ziel vieler Skifahrer, im Sommer wird dort gerne gewandert.

Das Unglück hat in Italiens Politik für große Bestürzung und international für Schlagzeilen gesorgt. »Mit großer Trauer habe ich von dem tragischen Unfall der Stresa-Mottarone-Seilbahn erfahren«, teilte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi mit. Er spreche den Familien der Opfer sein Beileid aus.

Staatspräsident Sergio Mattarella sprach von einem »tiefen Schmerz«, den das Unglück auslöse. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach den Familien der Opfer per Twitter »Europas tiefes Mitgefühl« aus. EU-Ratspräsident Charles Michel und der EU-Parlamentspräsident David Sassoli drückten ebenfalls ihre Anteilnahme aus.

Gazakrieg

Hunderttausende demonstrieren in Israel für einen Geisel-Deal

»Ihre Zeit läuft ab«, sagte die Verwandte einer Geisel in Tel Aviv

 07.09.2024

Nahost

CIA-Chef Burns: Gaza-Verhandlungen sollen weitergehen

Die Gespräche kommen seit Monaten nicht voran

 07.09.2024

Einspruch

Wer mordet, will keinen Deal

Philipp Peyman Engel erinnert daran, dass nicht die israelische Regierung, sondern die Hamas sechs israelische Geiseln umgebracht hat

von Philipp Peyman Engel  06.09.2024 Aktualisiert

Gazakrieg

Hamas veröffentlicht Propaganda-Video von getöteter Geisel

Die Aufzeichnung zeigt den 23-jährigen Hersh Goldberg-Polin vor seiner Ermordung

 06.09.2024

Meinung

Der Westen und die Palästinenser

Warum fließen weiter Milliarden an Hilfsgeldern, ohne dass sich etwas zum Besseren wendet, fragt sich unser Gastautor

von Jacques Abramowicz  06.09.2024

Medienbericht

Geheimdokument enthüllt, was die Hamas mit den Geiseln vorhat

Die Terroristen wollen auch die Öffentlichkeit täuschen, um an der Macht zu bleiben

 06.09.2024

Israel

Außenministerin Baerbock trifft Katz und Gallant

Die Grünen-Politikerin will über die Verhandlungen über einen Geiseldeal sprechen

 06.09.2024

Interview

»Wir kämpfen den gleichen Kampf«

Der Außen- und Sicherheitspolitiker Amit Halevi über den vereitelten Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat in München und die Parallelen zwischen den Islamisten in Gaza und Europa

von Detlef David Kauschke  05.09.2024

Kommentar

Hartes Herz

Unsere Israel-Korrespondentin weiß um die Gnadenlosigkeit der Hamas-Mörder und wundert sich über die Unbarmherzigkeit der Regierung gegenüber den Geiseln und deren Angehörigen

von Sabine Brandes  05.09.2024