Man muss die Augen fest zusammenkneifen, um sie zu erspähen. Doch wenn man sich anstrengt, sieht man plötzlich verschiedene Farben am Firmament: Rot, Gelb, Blau ... Diese und andere glitzernde Überraschungen präsentiert Ira Machefsky bei klarem Himmel seinen Besuchern jeden Abend. Hier, in der Wüste von Mizpe Ramon, wo der Himmel über Israel am dunkelsten ist, schimmern die Sterne nochmal so hell. Genau so mag es der Hobby-Astronom.
Seine Zuhörer, meist zwischen zwei und 20 Personen, sitzen in einem Halbkreis auf Klappstühlen, in warme Decken gewickelt. Es ist kühl in der Wüstennacht Anfang November. Die Blicke der Teilnehmer folgen stets dem grünen Laserstrahl, den Ira in den Nachthimmel schickt, um die Stelle, die er gerade erklärt, ausfindig zu machen.
Die Vorstellung beginnt mit Erklärungen zu den bekanntesten Sternen und Konstellationen, die man noch mit bloßem Auge sehen kann. »Natürlich hat jeder schon mal vom Nordstern gehört«, ruft er in die Runde. »Und wo ist der heute?« Der, der es weiß, bekommt einen Tusch vom Band – »und eine Portion Extraschokolade am nächsten Morgen«, verspricht Ira. Die Gruppe lacht. Neben seinem astronomischen Wissen hat der gebürtige Amerikaner einen gehörigen Schalk im Nacken, der die nächtlichen Erkundungen kurzweilig und unterhaltsam gestaltet. Die »Startours«, wie er sie nennt, werden ausschließlich auf Englisch abgehalten, denn sein Hebräisch reiche »zum Bestellen von Falafel, zu viel mehr jedoch nicht«, gibt er schmunzelnd zu.
Finanzexperte Im Internet findet man Ira Machefsky auf seiner Website »Astronomy Israel«. Doch hier, in seiner Stadt, ist er nur der Sternenmann. Seine Gäste holt er persönlich aus den Hotels ab, dann geht es in das »Planetarium der Natur«. Ira kommt in voller Montur, mit Wanderschuhen und der Taschenlampe auf der Stirn.
So sah der gebürtige Amerikaner nicht immer aus. Bis vor einigen Jahren ging er in Kalifornien oder New York als Computer- und später als Finanzexperte ins Büro. Doch als seine Tochter 2009 Alija machte und gemeinsam mit ihrem Mann »nach dem zionistischen Vorbild die Wüste bevölkern wollte«, sei es für ihn und seine Ehefrau Pamela »ganz selbstverständlich« gewesen, ihr zu folgen.
Und dann ging es von einem großen Haus mit Garten in einem gediegenen New Yorker Vorort in ein winziges Apartment am »Ende der Welt«, wie es wohl die meisten bezeichnen würden. »Meine früheren Nachbarn waren Ärzte, Anwälte und Bänker«, erzählt Ira. »Jetzt lebe ich mit einem Automechaniker, farbigen Hebräern und jeder Menge Russen Tür an Tür.« Mancher würde sich in der 5000-Seelen-Gemeinde wähnen wie auf dem Mars. Doch nicht der 66-Jährige. Er fühlt sich ganz und gar angekommen. Die Behäbigkeit der Kleinstadt gefällt ihm: »Ich finde es hier wundervoll, habe endlich die Zeit, das zu tun, was ich möchte.« Dazu gehört neben dem Betreuen der Enkelkinder vor allem die Astronomie.
Fernglas Seit seiner frühen Kindheit habe er die Konstellationen am Firmament verfolgt, sagt Ira. In den langen Jahren hat er sich ein umfangreiches Wissen angeeignet, erzählt zwei Stunden lang ohne Pause über Paarsterne, Galaxien, die Milchstraße, die Sonne, den Mond, streut hier ein wenig griechische Mythologie ein, dort ein paar Neuigkeiten aus dem Internet.
Die ganze Zeit über schauen seine Teilnehmer wie gebannt in den Himmel, niemand tippt auf dem Handy herum, keiner dreht gelangweilt Däumchen. Zwar massiert sich manch einer hie und da den Nacken, der vom permanenten Nach-Oben-Blicken etwas steif geworden ist, doch Ira weiß, wie er die Menschen bei Laune hält.
»Was sind diese Strukturen auf dem Mond, die wir als Gesicht wahrnehmen?«, will er wissen. Oron hat die richtige Antwort parat. Und natürlich folgt der obligate Tusch. Überhaupt ist der Erdtrabant das liebste Objekt des Sternenmannes. Ihn holt er mit seinen dicken Teleskopen ganz nah an die Augen der Betrachter heran. Ira drückt auf ein paar Knöpfe an der Fernbedienung, und schon schnurren die beiden dicken Linsen wie brave Katzen in die richtige Stellung. »Aha«, lacht der Mann und zeigt gen Mond. »Da haben wir ihn ja.«
Hochzeit »Oh nein, ich kann nichts mehr sehen!«, ruft ein junges Mädchen aus den USA plötzlich aufgeregt. Ira lacht. Dann nimmt er ihre Hand und beruhigt sie. »Das kommt durch den Unterschied zwischen dunkel und hell. Du hast jetzt ganz intensiv durch das Vergrößerungsglas in das Licht des Mondes geschaut. Das ist wie in dein Auge eingebrannt. Schau ein paar Sekunden ins Dunkel, dann ist alles wieder gut.« Der Teenager atmet auf und stellt sich nach wenigen Minuten wieder in die Schlange hinter dem Teleskop.
Die Sternentouren locken viele Geburtstagskinder an, die am Ende der Vorstellung mit einem persönlichen Mini-Feuerwerk bedacht werden – und natürlich Verliebte. Für alle, die im staubigen Wüstensand die ewige Liebe versprechen wollen, während das Firmament über ihnen flimmert, gibt es die Startour umsonst. Für alle anderen kostet sie rund 30 Euro (150 Schekel).
Sara kann von Iras Sonderangebot keinen Gebrauch mehr machen. Sie reist durch Israel, um ihren ersten Hochzeitstag zu feiern. Die junge Italienerin kuschelt sich mit ihrem Mann unter eine Decke. »Gemeinsam in der Wüste in die Sterne zu schauen – das ist das Romantischste, was ich mir nur vorstellen kann.«
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