Mehr als einmal war es Ziel von palästinensischen Raketen aus Gaza. Hier, wo sonst alles getan wird, um den Opfern zu helfen, musste man um sein Leben fürchten. Das medizinische Zentrum Barzilai in Aschkelon ist kein gewöhnliches Krankenhaus. Gerade einmal 20 Kilometer vom Gazastreifen entfernt, ist es Angriffsziel wie Rettungsinsel gleichermaßen. Um die Sicherheit von Patienten, Besuchern und medizinischem Personal zu gewährleisten, soll den bestehenden Gebäuden ein neuer Flügel mit unterirdischer Notfallabteilung hinzugefügt werden. Antike Gräber auf dem Areal jedoch brachten das Projekt zum Stillstand.
Bei jedem größeren Bauvorhaben in Israel muss das Gelände zuvor von der Behörde für Altertümer untersucht werden. So auch hier. In Aschkelon fand man dabei etwa 3.000 Jahre alte Gräber. Das ist nichts Ungewöhnliches, immer wieder werden im ganzen Land Funde dieser Art gemacht. Der stellvertretende Gesundheitsminister Jakov Litzman von der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Torajudentum aber beantragte umgehend einen Baustopp. Er befürchtete, es könne sich um jüdische Gräber handeln, und die dürften der Halacha zufolge nicht verlegt werden. So entschied das Kabinett nach einer kontroversen De-
batte mit 11 zu 10 Stimmen für eine Verlegung des Barzilai-Neubaus, was eine erhebliche Verzögerung des Bauvorhabens sowie Mehrkosten in Millionenhöhe mit sich gebracht hätte. Ein Sturm der Entrüstung ging durch die Bevölkerung und die Belegschaft des Krankenhauses.
Anordnung Am Montag vergangener Woche schließlich erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass die gesicherte Notfallabteilung doch an der Stelle gebaut werden wird, die von vornherein vorgesehen war. Der Premier agierte damit als Gesundheitsminister, denn seit den Wahlen ist dieses Amt unbesetzt. Er ordnete das Ministerium an, alles Nötige vorzubereiten. »Diese Entscheidung treffe ich aus Gründen der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit«, schrieb Netanjahu. Weiter erklärte er, dass er hoffe, es werde keine Probleme in der Koalition geben. Litzman hatte zuvor erklärt, er könne ein derartiges Vorgehen nicht unterstützen. Doch der Regierungschef will zu seinem Wort stehen: »Ich würde gern weiterhin mit dem Vereinten Torajudentum kooperieren, stehe jedoch fest hinter meiner Zusage an das Barzilai Krankenhaus in Aschkelon.«
»Das sind wirklich gute Nachrichten für uns, es ist eine gesegnete Entscheidung unseres Premierministers«, kommentiert die Pressedirektorin vom Barzilai, Lea Malul. Schließlich hätten die beiden Oberrabbiner des Staates bereits vor geraumer Zeit die Verlegung der Gräber empfohlen. Dadurch, dass der Bau nun wie geplant vonstatten gehen kann, wird der neue Flügel mit dem bereits bestehenden Gebäude verbunden sein, bei einer Verlegung wäre das nicht möglich gewesen.
Das Barzilai ist berühmt für seine Toleranz. Es ist sowohl Krankenhaus für die Streitkräfte Israels, die in der Gegend stationiert sind, als auch das Zentrum, in das die Palästinenser aus dem Gazastreifen geschickt werden. »Ob kranker israelischer Soldat oder verwundeter Fatah-Mann aus Gaza: Bei uns sind sie einfach nur Menschen, die unsere Hilfe benötigen«, stellt Malul klar. Das Hospital ist Anlaufstelle für 500.000 Bewohner der Gegend. »Und reicht hinten und vorn nicht mehr aus, überall gibt es Engpässe.« Es ginge bei dem Neubau nicht nur um den Sicherheitsaspekt, sondern auch um eine Erweiterung des Krankenhauses generell, die dringend benötigt werde.
Projekt Bei dem 22.000-Quadratmeter- Projekt sollen neben dem unterirdischen Notfallbereich eine bombensichere Operations- sowie eine neue Kinderabteilung entstehen. »Wir brauchen es umgehend, denn auch wenn Netanjahu jetzt mutig entschieden hat, so kann er leider nicht alle Raketen, die jenseits der Grenze auf uns abgeschossen werden, stoppen.« Für den gesamten neuen Flügel werden schätzungsweise eine halbe Milliarde Schekel benötigt, weiß Malul, das sind umgerechnet etwa 100 Millionen Euro. Bislang hat das Krankenhaus lediglich das Geld für den Sicherheitsbereich im Keller zusammen. Dennoch soll der erste Spatenstich schon sehr bald erfolgen soll.
Nach Auskunft der Presseabteilung werden die antiken Gräber direkt nach dem Feiertag Lag BaOmer Ende April von Fachleuten verlegt. Und sofort danach sollen die Bagger und Kräne ankommen. »Wir haben viel Arbeit vor uns und keine Zeit zu verlieren. Bevor der nächste Krieg kommt, wollen wir fertig sein.« Für das Krankenhaus mache es keinen Unterschied, ob die Gräber letztendlich jüdischen Ursprungs seien oder nicht, man werde sie in jedem Fall mit dem größtmöglichen Respekt behandeln, betont Malul. »Genauso wie wir es mit den Menschen, die zu uns kommen, auch tun.«
Strengreligiöse scheinen das anders zu sehen. Die ultraorthodoxe »Eda Charedit« hat bereits gemeinsam mit anderen Gruppen zu öffentlichen Protesten gegen die Arbeiten aufgerufen.