Innerhalb weniger Stunden sind am vergangenen Wochenende zwei Soldaten der israelischen Armee von Palästinensern getötet worden. Tomer Hazan wurde am Samstag von einem Bekannten in ein Dorf im Westjordanland gelockt und dort ermordet. Der 20-jährige Gal Gabriel Kobi wurde von einem Scharfschützen in der Nähe der Stadt Hebron erschossen. Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte daraufhin, dass die jüdischen Siedler das lange leer stehende Machpelah-Haus wieder beziehen dürfen. »Jene, die versuchen, uns aus der Stadt der Patriarchen zu vertreiben, werden das Gegenteil erreichen«, so Netanjahu am Sonntag. »Wir werden zum einen gegen Terrorismus vorgehen und zum anderen die Siedler stärken.«
Die Morde werfen einen Schatten auf die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern, die derzeit in Washington stattfinden. Einige Politiker erklärten bereits, der Vorfall zeige, dass die Palästinenser kein Interesse an Frieden hätten. »Man schließt keinen Frieden mit Terroristen, die Soldaten in eine Grube werfen«, erklärte Bauminister Naftali Bennett, »sondern bekämpft sie gnadenlos.« Israels Verhandlungspartner, so Bennett, habe sich in den 20 Jahren seit Oslo in keiner Weise verändert. »Mit diesem Mord sollte ein Terrorist, ein Kämpfer für Abu Masen, freigepresst werden. Das zeigt erneut, wer unser Partner ist.«
Politiker von Mitte-Links-Parteien verurteilten die Morde, betonen jedoch, wie wichtig es sei, die Friedensgespräche weiterzuführen. Oppositionsführerin Schelly Jachimowitsch bezeichnete Netanjahus Entscheidung, das politisch umstrittene Siedlerhaus freizugeben, als irrational. »Wir müssen Terrorismus bekämpfen, und ich vertraue darauf, dass die Sicherheitskräfte ihr Bestes dafür tun«, sagte die Vorsitzende der Arbeitspartei. »Gleichzeitig muss der diplomatische Prozess weitergehen, um zu garantieren, dass der Staat Israel jüdisch und demokratisch bleibt.«
freipressen Tomer Hazar aus Bat Jam wurde von dem Palästinenser Nidal Amar in dessen Dorf gelockt und dann ermordet. Während der Befragung durch den Inlandsgeheimdienst Schin Bet gab der Verdächtige ein nationalistisches Motiv an. Mit der Leiche Hazans habe er seinen Bruder aus israelischer Haft freipressen wollen. Neben Nidal Amar wurden weitere Mitglieder seiner Familie festgenommen. Die Ermittlungen dauern an, wie die Pressestelle der Armee erklärte.
Hazan und Amar kannten sich aus einem Restaurant in dem Tel Aviver Vorort, in dem die beiden arbeiteten. Nachdem der Israeli einen Anruf von seinem Bekannten erhalten hatte, machte er sich am Abend offenbar mit einem Taxi auf den Weg in die Nähe von Kalkilia im Westjordanland und traf sich mit ihm. Außerhalb des Dorfes tötete Amar den Soldaten nach eigenen Angaben und warf die Leiche in einen sieben Meter tiefen Brunnen.
Scharfschütze Nach einem Bericht der Zeitung »Israel Hayom« hatte Nidal bereits seit Monaten versucht, Kollegen in sein Heimatdorf zu locken, um »einen verborgenen Schatz unter seinem Haus zu heben«. Motti Elmaschali, der Manager des Restaurants Tzachi Besarim, in dem die Männer beschäftigt waren, sagte aus, dass der Palästinenser »ein vorbildlicher Angestellter« war, jedoch mehrfach versucht habe, Leute zu einem Besuch im Westjordanland zu überreden. Der Manager zeigte sich geschockt, dass auch er einem »abscheulichen Mord hätte zum Opfer fallen können«.
Die Umstände des Mordes an Kobi waren anders: Der 20-Jährige wurde von einem Scharfschützen aus großer Entfernung erschossen, während er seinen Routinedienst in Hebron verrichtete. Der Soldat wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus in Jerusalem eingeliefert, wo er später verstarb. Am Montag wurde er auf dem Militärfriedhof von Haifa beigesetzt. Tausende nahmen Abschied von dem jungen Mann. Seine Mutter Smadar brach bei der Beerdigung zusammen, sagte mit tränenerstickter Stimme: »Ich kann nicht glauben, dass man mir meinen Gal genommen hat.«
wachsam Armeechef Benny Gantz erklärte nach den Morden: »Solche Attacken erinnern uns daran, dass unsere Armee ständig einer angespannten Realität ausgesetzt ist – auch wenn die Zeiten ruhig erscheinen mögen.« Die zwei schrecklichen Ereignisse würden jedoch keinen Trend andeuten, machte Gantz klar. »Wir sorgen dafür, dass die Lage nicht eskaliert, indem wir weitere Truppen in die Gegend senden und wachsam sind. Die Bevölkerung in Israel ist geschützt.« Seit August wurden sechs Palästinenser durch Armeeaktivitäten im Westjordanland getötet. Doch keiner der Vorfälle führte zu besonderem Aufruhr. Im Gegenteil, viele beschreiben die Situation als »ruhig wie lange nicht mehr«.
Auch die meisten politischen Kommentatoren glauben nicht, dass Israel vor einem erneuten gewalttätigen Aufbegehren der Palästinenser steht. »Obwohl die Geschehnisse sicher zu Treffen der Sicherheitskräfte auf höchster Ebene führen werden«, schreibt etwa Kommentator Amos Harel in der Zeitung Haaretz, »scheint es nicht so, als ob es sich um eine generelle Eskalation im Westjordanland handelt, die zeigt, dass eine dritte Intifada kurz bevorsteht.«