Totgesagte leben länger. Dieser Satz traf lange Zeit auch auf Tel Avivs Stadtflughafen Sde Dov zu, der ganz offensichtlich das Potenzial hatte, so etwas wie ein zweites Berlin‐Tegel zu werden. Denn ähnlich wie der Hauptstadt‐Airport mit dem maroden Charme der 70er‐Jahre sollte es auch das Mini‐Flugfeld nördlich des Yarkon‐Flusses schon lange nicht mehr geben. Bereits im April 2017 hätte Schluss sein sollen.
Doch eine von den beiden Knesset‐Abgeordneten Itzik Shmuli und Bezalel Smotrich eingebrachte Gesetzesinitiative, die in Rekordzeit durch alle Instanzen ging und dann im März 2017 verabschiedet wurde, verhinderte in letzter Minute die Schließung. Dann wurde als neuer Termin Dezember 2017 genannt. Aber auch dieser wurde verschoben, und zwar auf den Januar 2019. Dann hieß es, im Juli 2019 werde garantiert der letzte Flieger von dort abheben – nur glaubte es mittlerweile kaum jemand mehr.
Sde Dov, der im vergangenen Jahr rund 700.000 Passagiere zählte, konnte lange Zeit auf eine starke Lobby setzen.
ABRISS Doch jetzt kommt wirklich das Aus für Sde Dov. Der Tel Aviver Flughafen wird geschlossen und abgerissen. Das beschloss Premierminister Benjamin Netanjahu am Wochenbeginn. Die Aufrechterhaltung des Betriebs für den inländischen Flugverkehr würde »den Staat Milliarden von Schekeln kosten und großen Schaden anrichten«, hieß es aus dem Büro des Ministerpräsidenten.
Zuvor hatten Experten für Verkehrssicherheit gemeinsam mit dem neuen Verkehrsminister Bezalel Smotrich von der Partei Jüdisches Haus beraten, was mit Sde Dov geschehen soll. Zugleich wird Eilat mit 400 Millionen Schekeln unterstützt, um die Infrastruktur weiterzuentwickeln. Der dortige neue Flughafen war erst vor einigen Monaten eröffnet worden. Smotrich versicherte, dass die Flüge in die Badestadt am Roten Meer zukünftig vom Flughafen Ben Gurion mit derselben Häufigkeit wie von Sde Dov durchgeführt werden.
Sde Dov, der im vergangenen Jahr rund 700.000 Passagiere zählte, konnte lange Zeit auf eine starke Lobby setzen. 2017 waren es Finanzminister Mosche Kachlon, die Stadtverwaltung von Eilat sowie die Fluggesellschaft Arkia Airlines, die dafür sorgten, dass der Betrieb weiterlief. Der Grund: Fast alle israelischen Inlandsflüge wurden von Sde Dov aus abgewickelt – vor allem aber die Strecke Richtung Eilat, auf der Arkia mit 70 Prozent Marktanteil der Platzhirsch ist.
BESCHWERDEN Die Hotelvereinigung in dem Badeort am Roten Meer läuft ebenfalls seit Jahren gegen die Schließung Sturm. Sobald Sde Dov dichtmacht, würden die Gästezahlen sinken, so ihr Argument. »Dank unseres unermüdlichen Einsatzes haben wir es im letzten Moment geschafft, die ganze Knesset darauf einzuschwören, dass das Schwert, das über dem Nacken von Eilat und seiner Umgebung hing, entfernt werden konnte«, brachte es Knesset‐Mitglied Shmuli im März 2017 etwas blumig auf den Punkt. »Ich glaube und hoffe, dass diejenigen, die andere Pläne für das Areal haben, sich gedulden werden, bis eine echte Alternative für den Flughafen gefunden wird.«
Der Protest hat nichts genutzt. Der Stadtflughafen ist Geschichte.
Damit sprach der Politiker genau die Gruppe an, die wegen der ständigen Terminverschiebungen langsam, aber sicher ebenfalls auf die Barrikaden geht: die Entwicklungsgesellschaften, die das rund 1,3 Quadratkilometer große Areal erschließen wollen. 2009 bereits hatte die Stadt Tel Aviv vier renommierte Architekturbüros – Yaar, Lehrman, Kaiser und Mazor Furst – um erste Ideen für eine Bebauung gebeten. Schließlich ist Sde Dov ein absolutes Filetstück. Direkt am Meer gelegen, bietet es reichlich Platz zur Expansion eines urbanen Raums, dem, außer in die Höhe zu bauen, wenig Möglichkeiten bleiben.
Und so gibt es nun seit bald zehn Jahren ein Konzept, dessen Kernstück die Errichtung von bis zu 16.000 Wohnungen, Schulen, diversen Shopping‐Zentren sowie Hotels mit insgesamt 3700 Gästezimmern, zwei Parks und einem Jachthafen ist. Wäre alles nach Plan gegangen, dann würde ein Großteil davon bereits heute stehen. »Die Verabschiedung des Sde‐Dov‐Gesetzes, das den Betrieb nach dem April erlaubt, ist eine eklatante Verletzung aller Versprechen, die uns der Staat gab«, kritisierten denn auch 2017 die Rechtsanwälte der Entwicklungsgesellschaften.
Genutzt hat es ihnen nicht viel. Der Stadtflughafen ist Geschichte.