Massaker der Hamas

Staatsprüfer fordert Massaker-Dokumente von Netanjahu

Staatsprüfer Matanyahu Englman Foto: Flash 90

Wie konnte der 7. Oktober geschehen? Warum funktionierte weder die Bereitschaft des Geheimdienstes noch die der Armee? Fragen, die die israelische Bevölkerung ständig beschäftigen – und es noch lange werden. Nun will der staatliche Prüfer, Matanyahu Englman, die Untersuchung in das Verhalten der israelischen Führungsriege vor, während und nach den verheerenden Massakern der Hamas in südlichen Gemeinden mit mehr als 1200 Toten und über 250 Geiseln beginnen.

Englman hatte bereits vor Monaten gesagt, er wolle nichts unversucht lassen, um herauszufinden, warum es zu den »Multisystemausfällen« kam. Sein Büro werde sich in diesem Jahr vor allem auf diese Untersuchung konzentrieren.

Dokumente sollen ohne Einschränkung ausgehändigt werden

Der Staatsprüfer forderte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Stabschef Herzi Halevi am Mittwoch auf, bei einer offiziellen Untersuchung, wie Hamas den Angriff auf Israel durchführen konnte, zusammenzuarbeiten. Englman schrieb an Netanjahu und bat ihn, sein Büro anzuweisen, Dokumente über den Hamas-Angriff vom 7. Oktober und den Krieg in Gaza ohne Einschränkungen auszuhändigen. Dazu wandte er sich an Halevi mit den Worten: »Die Zeit ist reif für eine Prüfung der IDF.« Das verkündete Englman auch in den sozialen Medien.

Dazu betonte er, dass seit dem Angriff mehr als ein halbes Jahr und seit der Ankündigung des Beginns der Prüfung fast vier Monate vergangen sind. Doch sein Büro erhalte »immer noch nicht die volle erforderliche Zusammenarbeit« vonseiten des Premierministers und den Sicherheitsdiensten.

»Nach mehr als sechs Monaten Krieg haben die Bürger Israels Anspruch auf Antworten zu allen Verantwortlichen für das Scheitern.«

matanyahu englman

Der öffentlich-rechtliche Sender Kan berichtete, dass der Staatsprüfer in seinen Briefen bemängelte, dass weder das Büro des Premierministers noch das Sicherheitskabinett vollständig mit seinem Büro kooperierten. »Dieses Verhalten, das die Arbeit der Prüfung verzögert, ist mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar und kann die Arbeit der staatlichen Rechnungsprüfung beeinträchtigen, wenn es darum geht, das Verhalten aller Ebenen, einschließlich der politischen Ebene, vor dem 7. Oktober, währenddessen und in der Zeit danach zu untersuchen«, schrieb Englman.

Das Büro des Premierministers wies Englmans Anschuldigungen zurück und gab an, dass man »voll und ganz« mit dem Büro des Rechnungsprüfers kooperiere. »Alle Anfragen wurden vollständig beantwortet, einschließlich aller Fragen, die den Premierminister betrafen, obwohl die Teams rund um die Uhr an Kriegsthemen gearbeitet haben«, heißt es in einer Erklärung des Büros.

Rücktritt setzt andere zunehmend unter Druck

»Nach mehr als sechs Monaten Krieg haben die Bürger Israels Anspruch auf Antworten zu allen Verantwortlichen für das Scheitern«, resümierte Englman. »Und der staatliche Rechnungsprüfer ist entschlossen, diese zu geben.« In Israel rechnet man damit, dass eine Reihe von Verantwortlichen aus Armee und Geheimdienst in den kommenden Wochen oder Monaten zurücktreten werden. Premierminister Netanjahu indes hat nichts dergleichen durchblicken lassen.

Lesen Sie auch

Vor zwei Wochen hatte der Chef des Militärgeheimdienstes, Aharon Haliva, sein Amt niedergelegt. Sein Rücktrittschreiben setzt jetzt sicherlich andere zunehmend unter Druck, es ihm gleichzutun. Haliva ist der erste Offizielle der israelischen Führungsriege, der nach dem Versagen des Sicherheitsestablishments und der politischen Führung zurücktrat. In seinem Brief, den er an Stabschef Halevi richtete, schrieb er zu den Hamas-Massakern: »Ich werde den Schmerz immer in mir tragen«.

Krieg

Der Erklärer

Armeesprecher Daniel Hagari begleitete die Israelis durch die schwersten Tage ihrer Geschichte. Jetzt hängt er seine Uniform an den Nagel – offenbar nicht ganz freiwillig

von Sabine Brandes  16.03.2025

Geiseln

»Ich bin aus den Tunneln wiedergeboren«

Tal Shoham gibt nach 505 Tagen in den Hamas-Tunneln ein erstes Interview. Er fordert die Freilassung der noch in Gaza verbleibenden Menschen

von Sabine Brandes  16.03.2025

Libanon

Hisbollah-Mitglieder nach Verstoß gegen Waffenruhe getötet

Auch während der seit November geltenden Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah kommt es immer wieder zu tödlichen Angriffen der israelischen Luftwaffe. Israel begründet dies mit Verstößen

 16.03.2025

Jemen

Huthi-Anführer verlassen Hauptstadt nach Angriffen im Jemen

Nach den US-Angriffen und aus Sorge vor weiteren Explosionen fliehen einige führende Mitglieder aufs Land

 16.03.2025

Nahost

Erster Besuch nach mehr als 50 Jahren

Begeisterung: Eine drusische Delegation aus Syrien reist nach Israel und trifft sich mit dortigen Gemeindemitgliedern

von Sabine Brandes  16.03.2025

Washington/Sanaa/Jerusalem

Trump befiehlt Angriffe auf Huthi-Miliz im Jemen

Mit dem Gaza-Krieg begannen auch Attacken der Huthi auf Israel und auf Schiffe im Roten Meer. Von Gegenangriffen im Jemen ließ sich die Miliz nicht beeindrucken. Nun will sie der US-Präsident brechen

von Lars Nicolaysen  16.03.2025

Israelhass

Website veröffentlicht Namen von IDF-Soldaten

Ein kanadischer Journalist hat eine Datenbank mit 85 Kanadiern erstellt, die dem israelischen Militär gedient haben sollen. Offenbar will er damit Druck auf die kanadische Regierung ausüben

 15.03.2025

Washington/Tel Aviv/Gaza

USA machen Druck auf Hamas - Israel prüft weitere Schritte

Die USA legen im Gaza-Konflikt einen neuen Vorschlag auf den Tisch. Doch die Hamas geht nur teils darauf ein - die Angehörigen der Geiseln müssen weiter bangen

 15.03.2025

Gaza/Tel Aviv

Ehemalige Hamas-Geisel berichtet über schwerste Misshandlung

Der junge Mann wurde in einer winzigen unterirdischen Zelle festgehalten, immer wieder geschlagen und gedemütigt. Den schlimmsten Moment seines Lebens erlebte er ausgerechnet an seinem Geburtstag

von Sara Lemel  14.03.2025