Yair Lapid steckt in der Zwickmühle. Der neue Finanzminister muss das Milliardenloch im israelischen Haushalt stopfen und will gleichzeitig die Lebenshaltungskosten für seine Landsleute senken. »Eine unlösbare Aufgabe«, sagen manche Experten und prognostizieren dem Politik-Neuling schon jetzt ein grandioses Scheitern. Doch Lapid gibt sich selbstbewusst und stellte in der vergangenen Woche einen ersten Maßnahmenkatalog vor.
Wobei er klarmachte, dass es ihm darum gehe, die wegen des großen Minus im Budget strauchelnde Wirtschaft seines Landes wiederzubeleben – ohne irgendjemandem Schuld zuzuweisen. »Es ist mir egal, wessen Fehler das war. Es interessiert mich nur, was wir jetzt damit machen.«
»Es ist an der Zeit, den Krieg zu erklären«, tönte der Minister auf einer Konferenz des Nationalen Instituts für Sicherheitsfragen an der Universität Tel Aviv. »Ich ziehe für die arbeitenden Menschen in den Krieg, die so lange vernachlässigt worden sind. Das Schiff muss auf einen anderen Kurs gebracht werden.« Zwar sei er sich im Klaren darüber, dass es nicht leicht werden wird, das massive Defizit von etwa acht Milliarden Euro auszugleichen, doch »die Israelis werden diesen Sturm aushalten«.
kampf Ganz oben auf Lapids Tagesordnung stehen die Wohnungskrise, eine »wirkliche Wehrpflicht für alle« und der Plan, den Alltag für die Israelis bezahlbarer zu machen. »Mein Plan wird die Situation der Arbeitenden innerhalb von drei Jahren fundamental verändern«, versprach er. »Ihr werdet nicht nur Einschnitte sehen, nicht nur Steuererhöhungen oder Überweisungen von einem Ministerium zum nächsten. Stattdessen präsentiere ich einen klaren Weg mit einem bestimmten Ziel: den Arbeitenden als Mittelpunkt der israelischen Wirtschaft anzusehen.«
Er wisse allerdings, so Lapid, dass es ein harter Kampf werde, diese Reformen in die Tat umzusetzen. Nichts wolle er dabei unangetastet lassen. Sein Ministerium müsse jetzt sämtliche alten Vereinbarungen durchforsten, egal, worum es gehe. Auch wenn es heiße: »Das dürft ihr nicht antasten, das war schon immer so.«
Druck Die meisten Nicht-Arbeitenden in Israel sind ultraorthodoxe Juden. Es dürfe nicht sein, dass das Leben für diese Leute billiger sei als für die arbeitenden Steuerzahler, meint Lapid. »Wenn Hunderttausende gesunder Israelis nicht arbeiten, sondern von Zuschüssen leben, die aufgrund von unmoralischen politischen Deals geschlossen wurden, haben wir den arbeitenden Menschen verraten und verkauft. Wenn kleine, mächtige Gruppen unsere Häfen sowie unseren öffentlichen Dienst dominieren und eine Mutter mit Vollzeitjob 200 Euro mehr für den Kindergarten bezahlt als eine nicht arbeitende – dann ist etwas faul. Und wir müssen das ändern.«
Viele Reformen, so Lapid weiter, seien von vorherigen Regierungen aufgrund des Drucks verschiedener Interessengruppen stetig verhindert worden. Der Finanzminister jedoch will Fakten schaffen: Unter anderem sollen Zuschüsse für Jeschiwa-Oberschulen halbiert werden, sofern deren Schüler keine Prüfungen ablegen müssen und die grundlegenden Fächer wie Mathematik, Englisch und Hebräisch nicht unterrichtet werden. Die Bürokratie im öffentlichen Dienst soll verschlankt werden. Auch soll es endlich den Importbeschränkungen an den Kragen gehen: Seit jeher leiden die Israelis unter einem extrem eingeschränktem Warenangebot und exorbitant hohen Preisen, vor allem bei Kraftfahrzeugen und Lebensmitteln. Für einen gewöhnlichen Pkw müssen Israelis bis zu doppelt so viel bezahlen wie die Bewohner der EU.
tabus Einen ersten Erfolg im Kampf gegen das teure Leben in Israel hat Lapid vor wenigen Tagen bereits erzielt. Er war einer der Minister, der sich vehement für die Umsetzung der »Open Skies«-Vereinbarung eingesetzt hatte – trotz des starken Widerstands der israelischen Fluggesellschaften. In den kommenden Jahren können die Menschen nun mit einem wesentlich breiteren Angebot an Reisezielen sowie geringeren Ticketpreisen rechnen.
Ebenfalls kein Tabu ist für Lapid der Verteidigungshaushalt. Das alte Mantra »Zuerst muss für die Sicherheit des Landes gesorgt werden – was immer es kostet« schreckt ihn nicht. Nach seinen Angaben sind die Verhandlungen mit den Kollegen aus dem Verteidigungsministerium bereits in vollem Gange. Rund eine Milliarde US-Dollar weniger soll demnach pro Jahr für Panzer und Waffen ausgegeben werden. »Und entgegen dem gängigen Mythos, dass das nichts angerührt werden darf, zeigten die zuständigen Militärs Verständnis«, sagte Lapid.
Sämtliche Vorschläge legte der Finanzminister seinem Chef Benjamin Netanjahu zu Beginn der Woche vor. Im Haushaltsjahr 2013/14 sollen die Einschnitte rund 3,6 Milliarden, die Steuererhöhungen etwa 1,6 Milliarden Euro betragen.
Dass das viel Geld ist, weiß Lapid. Dennoch scheute er sich nicht, zu erläutern, woher das Geld kommen soll: »Wenn wir ein vernünftiges Sozialsystem für Gesundheit, Bildung und Fürsorge aufbauen wollen, dann brauchen wir die Steuern der Mittelklasse.«
Die also soll die Rechnung für die Reformen begleichen. Dass die hart arbeitenden Israelis aufbegehren werden, damit rechnet Lapid indes nicht. »Wenn die gut verdienende Mittelklasse merkt, dass ihr Geld tatsächlich den sozial Schwächeren hilft und nicht dazu benutzt wird, die Schulden der Superreichen zu tilgen, werden sie ohne zu zögern in ihre Taschen greifen – da bin ich mir ganz sicher.«