Mit diesem Passagier hatte wohl niemand gerechnet. Dass ein hochrangiger General aus dem Iran in einem Konvoi durch die Golanhöhen tourt, schien selbst für die gewöhnlich bestens unterrichteten israelischen Geheimdienste eine Überraschung. Der besagte General war vor zwei Wochen zusammen mit sechs Vertretern von Hisbollah bei einem Angriff aus der Luft getötet worden. Sowohl die libanesische Schiitengruppe als auch der Iran rasseln nun gehörig mit den Säbeln.
Iran und Hisbollah machten Israel für den Anschlag verantwortlich. Auch in- und ausländische Medien vermeldeten, ein Hubschrauber der israelischen Luftwaffe habe den Konvoi beschossen. Jerusalem indes hüllt sich in Schweigen. Ein israelischer Offizieller wird allerdings mit den Worten zitiert, die Regierung habe in keinem Fall den Tod eines Vertreters der Islamischen Revolutionären Garde (IRGC) geplant.
Zwischenfall Bereits vor dem Zwischenfall war die Situation in den Golanhöhen angespannt. Nur wenige Kilometer, manchmal lediglich wenige Hundert Meter entfernt, tobt ein blutiger Bürgerkrieg im benachbarten Syrien. Jenseits des Zaunes tummeln sich Regierungstruppen, Aufständische, Al-Qaida und sogar Mitglieder der blutrünstigen Terrortruppe Islamischer Staat.
Mehr als einmal flogen Irrläufer über die Grenze auf israelisches Gebiet, Angehörige des israelischen Militärs wurden beschossen. Zuletzt schlugen am Dienstagnachmittag zwei Geschosse aus Syrien auf dem Golan ein. Das Skigebiet auf dem Berg Hermon wurde evakuiert, verletzt wurde niemand. Die israelische Armee antwortete mit Artilleriefeuer.
Als Reaktion auf die neuerliche Entwicklung hat die Armee Raketenabwehrsysteme des Typs Eiserne Kuppel in den Norden verlegt, um die Bevölkerung im Notfall vor Geschossen zu schützen. Der Leiter der Streitkräfte, Benny Gantz, machte klar, man sei »vorbereitet« und behalte die Sicherheitslage im Auge. Denn nach dem Tod ihrer Kämpfer schwören sowohl Hisbollah als auch der Iran lauthals Rache. Mohammed Ali Allahdadi war nach Angaben von internationalen Experten im Golan unterwegs gewesen, um die syrische Regierung in ihrem Anliegen, die Rebellen niederzuschlagen, zu beraten.
Der Chef der IRGC, Mohammad Ali Jafari, erklärte in Teheran, dass seine »Eliteeinheiten die Anti-Israel-Achse des Widerstandes weiterhin unterstützen werden, bis das zionistische Regime vollständig zerstört ist«. Die Tötung des Generals zeige, dass sich der Iran nicht vom Dschihad distanzieren solle. »Die Zionisten sollen sich auf Donnerschläge vorbereiten, die sie auslöschen werden«, fügte Jafari noch hinzu. Auch Hisbollah kündigte bereits an, dass die Antwort an Israel auf den Tod von sechs hochrangigen Kämpfern »schmerzhaft« werden wird.
krieg Professor Eldad Pardo von der Rothberg International School der Hebräischen Universität in Jerusalem meint dennoch, dass eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran oder Hisbollah momentan eher unwahrscheinlich sei.
Natürlich sei alles möglich und die Lage nur schwer präzise einzuschätzen, doch der Experte für islamische und Nahost-Studien geht davon aus, dass es momentan kein guter Moment für den Iran wäre, einen Krieg anzufangen. Ebenso unpassend wäre es für die Hisbollah, meint der Professor. Denn die Terrorgruppe aus dem Libanon habe große Probleme, ihre finanzielle Unterstützung zu sichern, die hauptsächlich aus dem Iran komme. Ein Grund seien die fallenden Mineralölpreise und die gesamte instabile Lage in der Region.
Zudem sei Hisbollah im eigenen Land alles andere als populär, weiß Pardo: »Den Libanesen geht es nicht schlecht. Sie wollen um keinen Preis eine Lage wie in Syrien und dass der Islamische Staat bei ihnen einmarschiert. Wenn die Hisbollah jetzt einen ernsthaften Streit mit Israel vom Zaun bricht, würde sie die wenige Unterstützung, die sie noch hat, auch verlieren.«
Im Sommer während der Militäroperation »Protective Edge« in Gaza habe die Regierung Israels deutlich gemacht, wie sie mit einem Angriff umgeht. »Jerusalem hat gezeigt, dass es klare Grenzen hat und auf Überschreitungen sofort reagiert.« Hisbollah und Iran seien tief in den syrischen Bürgerkrieg verstrickt. Zudem sei der Iran im Jemen und Irak umtriebig. »Und es gibt Grenzen, wie viele Kriege man gleichzeitig führen kann.«
Strategie Die iranische Strategie sei eine andere, als kopflos loszuschlagen, ist der Professor sicher. Langfristig wollten die Iraner die Vorherrschaft in der Region.
Um sich diese zu sichern, wolle Teheran eine Armee in Syrien aufbauen, die dem Ayatollah-Regime loyal gegenübersteht. Pardo ist überzeugt, dass dies einer der Gründe des Besuches des iranischen Generals war. »Damit sie ihre Position in Syrien sichern, auch wenn das Regime von Ba-schar al-Assad fällt.«
»Die iranische Führung glaubt fest daran, dass sie allen anderen überlegen ist. Aus dieser Überzeugung heraus verfolgt sie eine imperialistische Strategie, will letztlich die Heiligen Stätten des Islam übernehmen, das Öl in Saudi-Arabien und andere Länder. Am Ende soll ein iranisches Großreich stehen. Und Teheran schreitet voran. Das macht den Iran so gefährlich«, sagte Pardo.
Denn Ziel des Irans sei es, den jüdischen Staat zu zerstören. Daran gibt es für Pardo und sein Team nicht den geringsten Zweifel. Jahrelang analysierten sie Reden und Texte von iranischen Regierungsmitgliedern und anderen führenden Persönlichkeiten. »Und immer wieder geht es darin um tief sitzenden Antisemitismus«, ist der Experte überzeugt, »und um die Vernichtung Israels.«