Nach dem umstrittenen Vorstoß von US-Präsident Donald Trump zum Gazastreifen wächst die Sorge über die Zukunft der Waffenruhe zwischen Israel und der palästinensischen Terrorgruppe Hamas. Mit seinen Plänen, den zerstörten Küstenstreifen zu »übernehmen«, rund zwei Millionen Palästinenser umzusiedeln und die Region in eine »Riviera des Nahen Ostens« zu verwandeln, hat der Republikaner die Verhandlungen über die nächste Phase der Waffenruhe unter neue Vorzeichen gesetzt.
Vor allem die Familien der noch im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln fürchten, dass das Schicksal ihrer Angehörigen in den Hintergrund treten könnte. »Die Rückkehr der Geiseln ist durch Trumps Riviera-Plan zur Seite gedrängt worden«, sagte Boaz Zalmanovitch, dessen Vater von der Hamas verschleppt und ermordet wurde, der israelischen Zeitung »Haaretz«.
Eigentlich hätten die Gespräche über die zweite Phase der Waffenruhe bereits am Montag beginnen sollen. Laut einem Bericht des Radiosenders Kan will die israelische Regierung nun erst am Samstag eine Arbeitsdelegation aus Geheimdienstbeamten in die katarische Hauptstadt Doha schicken. Bislang wurden die indirekten Verhandlungen mit der Hamas in der Regel von Delegationen unter der Leitung des Mossad-Chefs David Barnea geführt.
»Leben und Würde«
Die Entsendung einer Delegation niedrigeren Ranges könnte darauf hindeuten, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Umsetzung der zweiten Phase des Waffenruheabkommens hinauszögern will. Damit würde er seinen ultrarechten Koalitionspartnern entgegenkommen, die einen militärischen Rückzug aus dem Gazastreifen vor einer völligen Zerschlagung der Hamas ablehnen.
»Netanjahu mag sagen, dass er versuchen will, die zweite Phase einzuleiten, aber er hat die Delegation noch nicht geschickt und legt Hürden in den Weg. Das bringt die Fortführung des Abkommens ernsthaft in Gefahr«, sagte Zalmanovitch.
Gegenüber dem US-Fernsehsender CNN äußerte auch ein arabischer Diplomat seine Sorge darüber, dass Trumps Vorstoß die fragile Waffenruhe gefährden könnte: »Es ist wichtig, die tiefgreifenden Auswirkungen solcher Vorschläge auf das Leben und die Würde des palästinensischen Volkes sowie auf den gesamten Nahen Osten zu erkennen.«
Welt rätselt über Vorstoß
Unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens hatten sich Israel und die Aggressoren der Hamas nach mehr als einem Jahr des verheerenden Krieges auf eine zunächst sechswöchige Waffenruhe ab dem 19. Januar geeinigt. In dieser ersten Phase der Einstellung der Kämpfe werden israelische Geiseln gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht.
In einer zweiten Phase mit einer Länge von weiteren sechs Wochen sollen alle noch verbliebenen lebenden Geiseln gegen Häftlinge ausgetauscht werden und das israelische Militär komplett aus dem Gazastreifen abziehen.
Noch immer rätselt die Welt, was Trump mit seinem Vorstoß wirklich zu bezwecken sucht. Außenminister Marco Rubio zufolge wollte der US-Präsident vor allem Bewegung in die Debatte über die Zukunft der Region bringen und andere Länder zur Hilfe drängen.
Waffenlager angegriffen
Einem Bericht der US-Nachrichtenseite »Axios« zufolge will Rubio bald selbst in den Nahen Osten reisen und dort Gespräche führen. Er werde nach der Sicherheitskonferenz in München Mitte Februar Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien besuchen, berichtete »Axios«.
Israels Luftwaffe hat derweil im Libanon nach eigenen Angaben Stellungen der Hisbollah-Miliz angegriffen. In den zwei Militäranlagen hätten sich Waffen befunden, die gegen die Waffenruhe verstießen, hieß es in einer Mitteilung der Streitkräfte. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. dpa/ja