Es gibt Lob von allen Seiten. Durch seinen unermüdlichen diplomatischen Einsatz hat es US-Außenminister John Kerry geschafft, die verfeindeten Seiten wieder an einen Tisch zu bringen. Israel und die Palästinenser wollen über Frieden reden. Schon in der nächsten Woche könnten die direkten Gespräche beginnen, die drei Jahre lang gänzlich auf Eis gelegen hatten.
Sowohl Premierminister Benjamin Netanjahu als auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatten letztendlich ihre Vorbedingungen aufgegeben, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Aus israelischen Quellen hieß es, dass sie neun bis zwölf Monate dauern könnten. Netanjahu betonte, er wolle »mit Integrität« in die Gespräche hineingehen. Dabei wird er selbst, zumindest anfangs, gar nicht am Runden Tisch Platz nehmen. Israel soll durch Justizministerin Zipi Livni und den Gesandten Netanjahus, Yitzhak Molcho, vertreten werden. Die Palästinenser schicken ihren Chefunterhändler Saeb Erekat.
Ein Schritt, den viele politische Kommentatoren als klug bezeichnen. Denn es ist kein Geheimnis, dass sich Netanjahu und Abbas spinnefeind sind. Der israelische Regierungschef machte seinen Ministern dennoch klar, er wolle »besonders auf die Sicherheitsbedürfnisse unseres Landes während der Gespräche achten. Unsere Verhandlungspartner werden Zugeständnisse machen müssen, die es uns erlauben, unsere Sicherheit aufrechtzuerhalten«. Er hoffe, dass der Prozess »verantwortungsbewusst, ernsthaft und substanziell« sein werde – und, zumindest in der Anfangsphase, diskret.
Historisch Israels Staatspräsident Schimon Peres hatte am Sonntag mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gesprochen und ihn für die mutige und historische Entscheidung gelobt. »Es gibt keine Alternative zum Frieden, nicht für uns und nicht für euch. Hört nicht auf die Skeptiker, ihr habt das Richtige getan. Wir wollen zusehen, dass sich unsere zwei Völker auf den korrekten Weg begeben.« Abbas antwortete, dass es nun Hoffnung gebe. »Wir bauen weiter an der Zukunft und wollen ein gutes Ende sehen.«
Auch für Netanjahu fand Peres Worte der Anerkennung: »Er hat den historischen Ruf gehört.« Der Regierungschef selbst erklärte, die Wiederaufnahme der diplomatischen Verhandlungen zu dieser Zeit sei von großer strategischer Bedeutung. »Es ist wichtig, den Konflikt mit den Palästinensern zu einem Ende zu bringen. Auch im Hinblick auf die Herausforderungen, vor allem durch den Iran und Syrien.«
Die Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet sehen den wieder auflebenden Friedensprozess ebenfalls positiv. Er sorge auf den palästinensischen Straßen für ein Gefühl der Sicherheit und stärke die palästinensische Autonomiebehörde unter Abbas. Allerdings warnten die Sicherheitsbehörden gleichzeitig vor der Gefahr von Terroranschlägen durch Extremisten, die einen Frieden verhindern wollen.
Volksabstimmung Doch nicht alle sehen den Verhandlungen freudig entgegen. Die Rechten in der Regierung machen Druck, allen voran Naftali Bennett von der nationalreligiösen Partei Habajit Hajehudi, der viele jüdische Siedler im Westjordanland ihre Stimme gaben. Der Wirtschaftsminister fordert ein Referendum, über das allerdings zunächst in der Knesset abgestimmt werden muss. »Es war so dringlich, über die Armeereform abzustimmen. Dann kann ja wohl auch die Entscheidung über einen Volksentscheid beschleunigt werden«, tönte der Vorsitzende von Habajit Hajehudi am Wochenbeginn.
Und dem will Netanjahu offensichtlich nachkommen. Derzeit arbeitet er daran, die rechtliche Basis für einen Volksentscheid zu legen. Ärger von Rechts könnte ihn im schlimmsten Fall schließlich seinen Regierungssessel kosten. Denn Bennett hat Trümpfe im Ärmel. Er hatte angekündigt, dem Haushaltsplan nicht zuzustimmen, sollte sich Netanjahu auf Konzessionen an die Palästinenser einlassen. Der Haushalt ist eines der kritischsten Anliegen der jetzigen Regierung. Bereits die alte Koalition war daran zerbrochen.
Während der Kabinettssitzung machte der Regierungschef dann gleich klar, dass, sollte es zu einer Vereinbarung mit den Palästinensern kommen, diese dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werde. »Ich glaube nicht, dass Entscheidungen wie diese von einer Koalition getroffen werden können. Vielmehr müssen sie von den Bürgern getroffen werden.«
Gefangene Die Abstimmung darüber, ob und wie viele palästinensische Gefangene aus israelischer Haft entlassen werden, wird indes das Kabinett allein vornehmen. Am Samstag hatte Minister Yuval Steinitz verkündet, Israel sei bereit, eine große Anzahl palästinensischer Häftlinge freizulassen, die bereits seit Jahren in den Gefängnissen sitzen. Viele von ihnen würden wegen »schwerwiegender Verbrechen« festgehalten, so Steinitz.
82 Männer sollen als Geste des guten Willens freigelassen werden, um den Friedensverhandlungen einen Anschub zu geben. Sie sind Teil einer Gruppe von 103 Palästinensern, die bereits vor dem Oslo-Abkommen von 1993 inhaftiert worden waren. Viele sitzen wegen Terroranschlägen ein. Die Gefangenen sollen in vier Gruppen im Abstand von sechs bis acht Wochen auf freien Fuß gesetzt werden. Allerdings ist die Entlassung an das Fortschreiten der Gespräche gekoppelt. Entschieden wird voraussichtlich in der kommenden Woche. Die Gefängnistore allerdings werden sich erst dann öffnen, wenn die Gespräche tatsächlich begonnen haben.
Spion Einen anderen Gefangenen möchte Israel im Gegenzug dafür in Freiheit sehen: Jonathan Pollard. Der jüdische Amerikaner, der Israel in den 80er-Jahren geheime Dokumente zugespielt hatte, sitzt seit 1987 in den USA wegen Spionage hinter Gittern. Mehrfach hatten sich israelische Regierungen für seine Freilassung eingesetzt, stets wurde sie abgelehnt. Auch jetzt heißt es: No! Allerdings erklärte Präsident Barack Obama, man wolle die Bitte »in Betracht ziehen«.
Sowohl in Israel als auch in den Palästinensergebieten ist die Verkündung der Wiederaufnahme der Gespräche recht verhalten aufgenommen worden. Die Menschen wollen Tatsachen sehen, die ihr Leben einfacher und sicherer machen. Vorschusslorbeeren für Politiker werden in Nahost schon lange nicht mehr vergeben.