Anschlag

»So ist das Leben nicht«

Israelische Sicherheitskräfte am Tatort in Jerusalem Foto: Flash90

Die Familie von Yuval Doron Kestelman, der am Donnerstag während eines Terroranschlags in Jerusalem von einem Soldaten getötet wurde, bezeichnet die Tat als »Hinrichtung«. Kestelman, ein Zivilist aus Mevasseret Zion, war in der Nähe des Tatorts, als zwei bewaffnete Terroristen auf Zivilisten feuerten. Er eilte hinzu und schoss mit seiner Waffe auf die Terroristen. Später wurde er von einem Soldaten erschossen, weil dieser annahm, dass es sich bei Kestelman ebenfalls um einen Attentäter handelte.

Ein Video, das mittlerweile aufgetaucht ist, zeigt den 37-Jährigen jedoch, wie er sich auf den Boden kniet, die Waffe wegwirft und seine Jacke auszieht, um zu zeigen, dass er keine Bombe bei sich trägt. Er ruft auf Hebräisch mehrfach und mindestens 15 Sekunden lang »Nicht schießen!«. Dennoch feuert ihm einer der Soldaten mit seiner Waffe in den Bauch.

Kestelman hätte am nächsten Tag seinen 38. Geburtstag gefeiert

Kurz darauf starb Kestelman im Krankenhaus Shaarei Zedek – am nächsten Tag hätte er seinen 38. Geburtstag gefeiert. Auf einer Pressekonferenz am Samstagabend erklärte Premierminister Benjamin Netanjahu zu dem Geschehen: »Sobald man Waffen in größerer Zahl verteilt, kann es zu solchen Unfällen kommen.« Das müsse man riskieren. Netanjahu brachte dabei auch seine Unterstützung für die Politik des nationalen Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir von der rechtsradikalen Partei Otzma Yehudit zum Ausdruck, die Zahl der Waffengenehmigungen für Zivilisten deutlich zu erhöhen – eine Maßnahme, die in Israel umstritten ist.

»Wir wissen, dass während der Terrorwellen der vergangenen zehn Jahre die Anwesenheit bewaffneter Bürger größere Katastrophen verhinderte. Deshalb denke ich, dass wir in der aktuellen Situation mit dieser Politik fortfahren sollten. Wir zahlen vielleicht einen Preis dafür, aber so ist das Leben«, führte der Ministerpräsident aus.

»Das tödliche Ereignis ist ein Warnzeichen, das uns zwingt, Schlussfolgerungen zu ziehen.«

Benny Gantz

Einen Tag darauf konterte der Minister im Kriegskabinett, Benny Gantz: »So ist das Leben nicht. Das tödliche Ereignis ist ein Warnzeichen, das uns dazu zwingt, Schlussfolgerungen zu ziehen.« Gantz rief dazu auf, den Vorfall zu untersuchen, und fügte hinzu, dass der Soldat, der Kestelman erschoss, »aus Versehen auf ihn geschossen hat. Doch es war ein Fehler mit einem hohen Preis«.

»Ich denke, Netanjahu sollte sich das Video meines Bruders ansehen, der erschossen wurde, nachdem er auf die Knie ging und die Hände hob«, so Kestelmans Schwester Noga im Radio: »Und dann soll er sagen, ob dies ein Unfall ist, den man riskieren soll.« Ihr Vater Moshe Kestelman fügte hinzu, dass der Soldat, der seinen Sohn erschoss, »eine Hinrichtung durchgeführt« habe.

Erst im Anschluss reagierte Netanjahu und telefonierte mit der Familie. In einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung hieß es, er habe mit Kestelmans Vater gesprochen und ihm gesagt, dass sein Sohn ein Held sei und »viele Leben gerettet« habe. Bei dem Terroranschlag von zwei Palästinensern aus Ost-Jerusalem wurden drei Menschen getötet und acht weitere verletzt. Bei den Opfern handelt es sich um Rabbi Elimelech Vaserman (73), Hanna Ifergan (60) und die 24-jährige Livia Dickman. Die Hamas übernahm die Verantwortung für den Anschlag.

Berühmtestes Beispiel ist Elor Azaria

Am Sonntag teilte die IDF mit, dass zwei Soldaten der Golani-Brigade nach der tödlichen Schießerei verhört würden. Es ist nicht das erste Mal, dass israelischen Sicherheitskräften vorgeworfen wird, Terrorverdächtige zu erschießen, auch wenn diese entwaffnet waren und keine Gefahr mehr darstellten, was einen Verstoß gegen den Befehl zum offenen Feuer darstellt. Das bekannteste Beispiel ist der Soldat Elor Azaria, der einen Terroristen erschoss, als dieser verwundet am Boden lag.

In einer Nachricht vom Freitag erklärte die Polizei, sie werde das Geschehen weiterhin untersuchen. Nachdem die IDF zunächst angab, sie habe keine Pläne diesbezüglich, änderte sie am Freitag ihren Kurs und gab bekannt, dass nach den Ergebnissen einer ersten Untersuchung durch den Inlandsgeheimdienst Schin Bet und die israelische Polizei entschieden worden sei, dass die Ermittlungseinheit der Militärpolizei ebenfalls an der Untersuchung teilnehmen werde.

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