Izhar Shay verlor seinen Sohn am ersten Tag des Krieges. Yaron Shay sel. A. war am 7. Oktober als Soldat einer speziellen Aufklärungseinheit der Nahal-Brigade an der südlichen Grenze zum Gazastreifen stationiert. Mit seiner Einheit befand er sich in den frühen Morgenstunden in der Nähe von Kerem Schalom, als der mörderische Angriff der Hamas begann.
Auch in diesen Kibbuz wollten die Terroristen eindringen, um unschuldige Menschen zu töten und alles zu vernichten. Doch gelang es Yaron und seinen Kameraden, sie aufzuhalten. »Während er Menschen schützte, gegen Hunderte von Hamas-Terroristen kämpfte und sie nicht zu den Zivilisten und Soldatinnen vordringen ließ, die von seiner Einheit bewacht wurden, wurde er getötet«, erzählt Izhar Shay. Sein Sohn wurde gerade einmal 21 Jahre alt.
Für jeden Gefallenen und Ermordeten soll ein Start-up entstehen.
Der trauernde Vater ist in Israel kein Unbekannter: Izhar Shay ist ein erfolgreicher Unternehmer, saß in der Knesset und wurde 2020 für ein Jahr zum Technologieminister ernannt.
Die Entscheidung, die der Vater mit der gesamten Familie noch während der Trauerzeit fasste, machte im Land Schlagzeilen. »In den nächsten zwölf Monaten wollen wir für jeden gefallenen Soldaten, für jeden ermordeten Zivilisten ein neues innovatives Unternehmen gründen, das ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickelt, die Tausenden von Unternehmen oder Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zugutekommen wird«, beschreibt er die Idee.
Konferenz »Restart IL Economy«
Am Donnerstag vergangener Woche präsentierte Izhar Shay die Initiative bei der Konferenz »Restart IL Economy« in Berlin, bei der Vertreter israelischer Technologie-Unternehmen und Start-ups mit in Deutschland ansässigen Investoren zusammentrafen.
Am Rande der Konferenz erzählte Izhar Shay unserer Zeitung, wie es zu der Initiative kam: »Wir dachten sofort daran, Yaron zu gedenken und an alle zu erinnern, die während dieses Krieges ihr Leben verloren haben.« Jemand habe ihm gesagt, dass dieser Gedanke fest im jüdischen Glauben und in der jüdischen Tradition verwurzelt sei. »Das jüdische Volk wurde immer verfolgt, war Angriffen und Versuchen, uns zu vernichten, ausgesetzt. Und das ist unsere Antwort darauf: Sie sind gekommen, um zu zerstören, wir sind hier, um aufzubauen.«
Ophir Shay sprach bei der Konferenz davon, wie sehr er seinen jüngeren Bruder Yaron, den alle »Noni« nannten, liebt und vermisst: »Alles, was ich tue, ist in seinem Gedenken. Ich hoffe, dass ich ihm heute etwas Respekt entgegenbringen kann – und bei allem, was wir in Zukunft tun werden.« Wichtig sei ihm, dass man sich an die Opfer so erinnert, wie sie waren, sagt Ophir: »Mein kleiner Bruder war ein begeisterter Sportfan und muss als solcher in Erinnerung bleiben, auch als Klavierspieler, der er war.« Es solle an Menschen und Helden erinnert werden, nicht nur als Zahl in der Statistik, als ein weiterer Soldat, der für sein Volk sein Leben gab. Schließlich sei jeder Mensch eine ganze Welt.
Wie viele der Konferenzteilnehmer zeigte sich auch der deutsche Digitalminister Volker Wissing (FDP) tief bewegt. »Yaron ist eines der vielen unschuldigen Opfer dieses brutalen Angriffs. Was für ein schrecklicher Verlust.« Das Gedenkprojekt zeige eindrucksvoll, dass selbst in den dunkelsten Momenten ein Hoffnungsschimmer aufleuchten könne. Die Initiative »Next October« zeige, wie das Gedenken in eine treibende Kraft für positive Veränderungen verwandelt werden könne, so Wissing.
Lobende Worte von Israels Staatspräsident Isaac Herzog
Auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog fand lobende Worte für diese Initiative. In einer Videobotschaft, die er von Jerusalem an die Konferenz nach Berlin sandte, sagte er, dass Israel aus der Asche der Zerstörung eine lebendige Gemeinschaft, eine Nation mit Innovation, Kreativität und Entschlossenheit aufgebaut habe. Genau darum gehe es auch bei »Next October«: »Überwältigenden Schmerz und Zerstörung in Gutes zu verwandeln, Gutes zu tun und zu heilen, Trauer in Entschlossenheit zu verwandeln und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das ist keine Abstraktion. Es entfaltet sich vor unseren Augen.«
Zahlreiche Unternehmer haben sich der Initiative bereits angeschlossen.
Zahlreiche Unternehmer haben sich der Initiative bereits angeschlossen. Einer von ihnen ist Uri Neeman, Gründer von »RealizeMD«. Das Start-up hat ein System entwickelt, das anonymisierte Bilder von Patientinnen und Patienten schafft, die, ohne ihre Privatsphäre zu verletzen, von Medizinern und Wissenschaftlerinnen weltweit ausgetauscht werden können. »Und diese Idee verbinden wir mit der Tragödie, die Israel geschehen ist, und der Erinnerung an Ben Shelly sel. A.«, erläutert Uri Neeman. Der Unternehmer gedenkt damit des Sohnes des besten Freundes seines Bruders, der als Soldat bei einer Rettungsmission im Gazastreifen sein Leben verlor.
Von der Konferenz in Berlin ging es für Izhar Shay weiter nach New York. Auch dort wollte er über Yaron sowie die anderen Helden sprechen und für die Initiative werben: »Wir übermitteln diese Botschaft nun an unsere Partner in der ganzen Welt.«
Es gehe dabei auch darum, Israels Wirtschaft wieder anzukurbeln, bekräftigte Shay: »Wir haben mehr als 1400 Namen, Persönlichkeiten und Vermächtnisse, an die wir uns erinnern müssen. Unsere Aufgabe ist es nun, sicherzustellen, dass viele Start-up-Unternehmen mit der Mission der Erinnerung gegründet werden, auch, um großartige Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen zu schaffen, die zukünftig zu einer besseren Welt beitragen werden.«