Mehrere Wochen waren sie in der Hand der Hamas in Gaza – jetzt berichten einige der 110 bislang frei gekommenen Geiseln von schweren Misshandlungen und Vergewaltigungen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur »Associated Press« zufolge, der sich auf israelische Ärzte stützt, wurden mindestens zehn der Geiseln – sowohl Frauen als auch Männer – in der Gefangenschaft geschlagen oder sexuell missbraucht.
Einzelheiten wollte der Mediziner nicht nennen. Bereits bei einem Treffen am Dienstag einer Gruppe von freigelassenen Geiseln sowie Familienangehörigen der noch in Gaza festgehaltenen Menschen hätten einige ausführlich ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch geschildert, sagten Teilnehmer im Anschluss.
Aviva Siegel, die letzte Woche aus der Gefangenschaft der Hamas befreit wurde und ihr Ehemann, der noch als Geisel festgehalten wird, sagte Berichten zufolge während des Treffens, dass einige der weiblichen Geiseln von ihren Hamas-Bewachern »angefasst« worden seien.
Die Tageszeitung »Haaretz« zitierte eine andere Geisel, die Folgendes aussagte: »Sie fassen Mädchen an, und jeder weiß es. Ich werde keine Einzelheiten nennen, aber wir hatten eine Vorschrift, dass sich niemand bewegen darf, ohne dass ihn jemand bewacht.« Außerdem seien den Geiseln keine oder die falschen Medikamente verabreicht worden, so die Frau.
Laut AP-Bericht warnte eine andere Freigelassene vor der Idee Israels, die unterirdischen Tunnel der Hamas zu fluten. Das würde auch die verbleibenden Geiseln – ihre Zahl wird auf 138 geschätzt – in Gefahr bringen, da diese in den Tunneln versteckt würden, so die Frau. Offenbar sind rund 15 der am 7. Oktober Entführten in der Geiselhaft ums Leben gekommen.
Auch am 7. Oktober selbst, dem Tag des Angriffs der Hamas auf Israel, kam es zu zahlreichen Vergewaltigungen durch Mitglieder der Terrororganisation. Zumeist wurden die Taten von der Hamas selbst gefilmt. Eine Zeugin berichtete bereits im November von einer Gruppenvergewaltigung durch die Angreifer und beschrieb, wie eine andere Frau von mehreren Männern sexuell missbraucht und verstümmelt wurde, wobei einer der Männer in den Kopf schoss. Die Zeugin sagte weiter, das Opfer sei »lebendig« und »auf den Beinen gewesen« und habe aus dem Rücken geblutet.
Unterdessen hat die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric Egger, israelische Kritik an der Arbeit ihrer Hilfsorganisation im Hinblick auf die Geiseln zurückgewiesen. Im »Deutschlandfunk« sagte Spoljaric Egger am Donnerstag: »Unsere Gespräche finden mit beiden Parteien (der Hamas und Israel) statt – täglich, auf allen Ebenen. Wir sind sehr deutlich in diesen Gesprächen. Wir sprechen die Dinge konkret an und wir fordern die Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf beiden Seiten. Das ist ganz klar. Wir machen da keinen Unterschied. Und für uns sind alle Zivilisten wichtig und gleichwertig. Also, uns sind die Geiseln so nah wie die Kinder in Gaza. Wir müssen beide schützen können. Wir müssen beiden helfen können. Wir machen da keinen Unterschied.«
Auf die Frage, warum man auch zwei Monate nach dem Terrorangriff der Hamas keinen Zugang zu den Geiseln erhalten habe, sagte die IKRK-Präsidentin: »Wir fordern ganz klar Zugang zu den Geiseln. Wir möchten feststellen, wie es ihnen geht. Wir möchten ihnen medizinische Unterstützung bringen.« Ihre Organisation werde weiterhin alles daran setzen, die Verschleppten zu besuchen. mth