Gesellschaft

Showdown auf dem Dizengoffplatz?

Aktivisten protestieren in Tel Aviv gegen Geschlechtertrennung. Foto: Flash90

Statt für Ruhe zu sorgen, will er die Flammen weiter anfachen: Nach dem Aufruhr am Jom Kippur-Feiertag wegen Gebeten, die im öffentlichen Raum nach Geschlechtern getrennt waren, kündigte der Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir von der rechtsextremen Partei Otzma Jehudit an, am Donnerstag im Herzen von Tel Aviv eine weitere Versammlung einzuberufen, bei der Männer und Frauen in abgetrennten Bereichen sitzen sollen.

GERICHTSHOF Damit würde er sich gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofes stellen. Geschlechtergetrennte Sitzplätze für Männer und Frauen bei öffentlichen Veranstaltungen fallen im jüdischen Staat unter das Diskriminierungsgesetz. Ultraorthodoxe Israelis praktizieren diese alte Tradition dennoch.

Am Sonntagabend war es während des Erew Jom Kippur zu Auseinandersetzungen auf dem Dizengoff-Platz in der Stadt am Mittelmeer gekommen, als die jährliche Veranstaltung der orthodoxen Organisation Rosch Yehudi mit einem Massengebet begann. Die Geschlechtertrennung wurde schnell zum Streitpunkt zwischen säkularen und religiösen Juden.

LIBERALISMUS Trotz des Urteils des Obersten Gerichtshofs, mit der die Entscheidung der Stadtverwaltung bestätigt wurde, die Installation von Trennwänden für die Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum zu verbieten, beschloss die Organisation, Männer und Frauen durch Israelflaggen räumlich voneinander zu trennen. »Der sogenannte Liberalismus ist nichts anderes als eine Fassade für Fanatismus«, meinte Israel Zaira, der Vorsitzende von Rosch Yehudi, dazu.

Bürgermeister Ron Huldai äußerte seinen entschiedenen Widerstand dagegen und betonte, dies widerspreche den Werten der Stadt. Er betonte, dass Veranstaltungen im öffentlichen Raum nur dann eine kommunale Genehmigung erhalten könnten, wenn die Grundsätze respektiert würden.

»Ich erwarte von den Polizeibeamten des Bezirks Tel Aviv, dass sie nicht Hand anlegen, um eine Gerichtsentscheidung zu missachten.«

bürgermeister tel Aviv, ron huldai

Am Donnerstag könnte es, wenn Ben Gvir sein Vorhaben in die Tat umsetzt, zu einem Showdown auf dem Dizengoff-Platz kommen. Denn auch die pro-demokratische Protestorganisation Kaplan Force kündigte für den Abend eine Gebetsveranstaltung an. Es gebe dabei keine Geschlechtertrennung und die Stadtverwaltung habe die Veranstaltung genehmigt, so Kaplan Force.  

VIDEOBOTSCHAFT Ben-Gvir hatte zuvor eine Videobotschaft auf X veröffentlicht, in der er sein Vorhaben bestätigte: »Ich sage den Anarchisten, die versucht haben, die Gläubigen an Jom Kippur zu vertreiben, dass ich und meine Kollegen von Otzma Yehudit am Donnerstag kommen. Mal sehen, wie ihr uns vertreibt.«

Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte derweil, von Staatsdienern werde erwartet, dass sie alles unterließen, was nicht zur Ruhe beitrage. Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses der Knesset, Simcha Rothman von der Rechtsaußenpartei Religiöser Zionismus, wandte sich über X an Ben-Gvir, um ihn zu drängen, den Gottesdienst abzusagen. Er schrieb: »Ihre Absichten sind gut, aber Ihre Taten sind es nicht.«

POLIZEI Währenddessen hielt der Bürgermeister die Polizei an, jegliche Geschlechtertrennung bei dem Gebetsgottesdienst unter freiem Himmel zu verhindern. In einem Brief an den Polizeichef von Tel Aviv, Peretz Amar, schrieb er, dass die Gemeinde Gebete in öffentlichen Bereichen der Stadt nur dann zulassen werde, wenn es keinerlei physische Barrieren wie Trennwände, Bänder, Seile oder Flaggen für die Geschlechtertrennung gebe.

»Ich erwarte von den Polizeibeamten des Bezirks Tel Aviv, dass sie dafür sorgen, dass diese Anweisungen eingehalten werden, und dass sie nicht Hand anlegen, um eine Gerichtsentscheidung zu missachten«, fügte Huldai hinzu. »Ausgerechnet jetzt, mitten in dieser besinnlichen Zeit, besteht meine einzige Hoffnung darin, dass der Gottesdienst des nationalen Sicherheitsministers in einer vernünftigen, angemessenen und gesetzeskonformen Weise abgehalten wird.«

Gazakrieg

Hunderttausende demonstrieren in Israel für einen Geisel-Deal

»Ihre Zeit läuft ab«, sagte die Verwandte einer Geisel in Tel Aviv

 07.09.2024

Nahost

CIA-Chef Burns: Gaza-Verhandlungen sollen weitergehen

Die Gespräche kommen seit Monaten nicht voran

 07.09.2024

Einspruch

Wer mordet, will keinen Deal

Philipp Peyman Engel erinnert daran, dass nicht die israelische Regierung, sondern die Hamas sechs israelische Geiseln umgebracht hat

von Philipp Peyman Engel  06.09.2024 Aktualisiert

Gazakrieg

Hamas veröffentlicht Propaganda-Video von getöteter Geisel

Die Aufzeichnung zeigt den 23-jährigen Hersh Goldberg-Polin vor seiner Ermordung

 06.09.2024

Meinung

Der Westen und die Palästinenser

Warum fließen weiter Milliarden an Hilfsgeldern, ohne dass sich etwas zum Besseren wendet, fragt sich unser Gastautor

von Jacques Abramowicz  06.09.2024

Medienbericht

Geheimdokument enthüllt, was die Hamas mit den Geiseln vorhat

Die Terroristen wollen auch die Öffentlichkeit täuschen, um an der Macht zu bleiben

 06.09.2024

Israel

Außenministerin Baerbock trifft Katz und Gallant

Die Grünen-Politikerin will über die Verhandlungen über einen Geiseldeal sprechen

 06.09.2024

Interview

»Wir kämpfen den gleichen Kampf«

Der Außen- und Sicherheitspolitiker Amit Halevi über den vereitelten Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat in München und die Parallelen zwischen den Islamisten in Gaza und Europa

von Detlef David Kauschke  05.09.2024

Kommentar

Hartes Herz

Unsere Israel-Korrespondentin weiß um die Gnadenlosigkeit der Hamas-Mörder und wundert sich über die Unbarmherzigkeit der Regierung gegenüber den Geiseln und deren Angehörigen

von Sabine Brandes  05.09.2024