Noch-Shin-Bet-Direktor Ronen Bar holt gegen seine Entlassung aus. Am Montag reichte der Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes (ISA) beim Obersten Gerichtshof eine eidesstattliche Erklärung ein, um den Widerspruch gegen seine Entlassung durch Premierminister Benjamin Netanjahu zu untermauern.
Das Papier enthält schwerwiegende Behauptungen, darunter den Satz: »Mir wurde klargemacht, dass ich im Falle einer Verfassungskrise dem Premierminister und nicht dem Obersten Gerichtshof gehorchen muss.«
Ein öffentlicher und ein vertraulicher Teil
Die Erklärung besteht aus einem offenen Brief und einem zweiten vertraulichen Teil. Bar teilte dem Gerichtshof außerdem mit, dass er aus eigenen Stücken zurücktreten und den Zeitpunkt bald bekannt geben werde. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs habe über seinen persönlichen Fall hinaus Auswirkungen, meint er, denn sie werde die Fähigkeit des Geheimdienstes, seinen Auftrag und seine Pflichten langfristig zu erfüllen, beeinträchtigen.
Mitte März hatte Netanjahu dem Chef des Shin-Bet das Vertrauen entzogen und ihm nahegelegt, zu kündigen. Als Bar dies verweigerte, entschloss sich der Premier, ihn seines Amtes zu entheben. Später benannte er einen Nachfolger. Diese Entscheidung machte er allerdings nur einen Tag später wieder rückgängig. Daher ist Bar nach wie vor im Amt.
Er kenne die Gründe für seine Entlassung nicht, die Kette der Ereignisse hätte ihn allerdings zu dem Schluss kommen lassen, dass diese nicht beruflicher Natur seien, sondern vielmehr auf der Erwartung persönlicher Loyalität seitens des Premierministers beruhten. Als er diese nicht erfüllt habe, habe Netanjahu eine Hetzkampagne gegen ihn und die Behörde in den sozialen Medien gestartet.
Ronen Bar: »Netanjahu forderte den Shin Bet wiederholt auf, gegen Zivilisten vorzugehen, die an Protesten und Demonstrationen beteiligt waren.«
Bar schrieb, er habe die eidesstattliche Erklärung aus Pflichtgefühl gegenüber den Bürgern Israels und aus großer Sorge um die Fähigkeit künftiger Shin-Bet-Chefs abgegeben, die Professionalität und Unabhängigkeit des Geheimdienstes gemäß seinem gesetzlichen Zweck zu wahren.
Er schrieb weiter: »Netanjahu forderte den Shin Bet wiederholt auf, gegen Zivilisten vorzugehen, die an Protesten und Demonstrationen beteiligt waren. Ich wurde gebeten, Informationen zu ihrer Identität bereitzustellen, und mir wurde klargemacht, dass die Überwachung der Geldgeber der Proteste erwartet wurde«, führte der Geheimdienstchef in seinem Brief aus.
In Gesprächen über die Proteste sei ihm zudem klargemacht worden, dass er im Falle einer Verfassungskrise dem Premierminister und nicht dem Obersten Gerichtshof gehorchen müsse. Bar wies darauf hin, dass alle Einzelheiten dieses Falles in dem Teil der Erklärung dargelegt sind, die nicht veröffentlicht ist.
Als Reaktion auf Netanjahus Behauptung, er habe das Vertrauen in ihn verloren, erklärte Bar, dies sei geschehen, nachdem er gebeten worden war, Netanjahu einen Vorwand zu liefern, um einer Aussage in seinem Strafprozess und der öffentlichen Forderung nach einer nationalen Untersuchungskommission zu den Verfehlungen, die zum Hamas-Massaker führten, zu entgehen.
Premierminister bezeichnet Vowürfe als »Lügen«
Die Entscheidung zu seiner Entlassung sei letztendlich gefallen, so Bar, nachdem die Untersuchung des Shin Bet ergeben habe, dass auch die Regierung für Versäumnisse vor dem Massaker der Hamas am 7. Oktober verantwortlich sei.
Die Koalition indes versuche, »den öffentlichen Diskurs von der Untersuchung der politischen und sicherheitspolitischen Ursachen abzulenken, die zu dem Massaker geführt haben«, fasst er zusammen.
Netanjahu hat sich wiederholt gegen eine Untersuchung in die Regierungsversäumnisse ausgesprochen, obwohl die Öffentlichkeit mit überwältigender Mehrheit in mehreren repräsentativen Umfragen immer wieder dafür plädiert hat.
Das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu bezeichnete die vor dem Obersten Gerichtshof eingereichten Erklärungen des Geheimdienstchefs als »falsche eidesstattliche Erklärung« und bezichtigte Bar des Lügens. Alle Aussagen würden in naher Zukunft detailliert widerlegt, hieß es weiter.