Es war ein fürchterliches Jahr. Voller Angst, gebrochener Herzen, Tod und Trauer für die Israelis, die Menschen in Gaza, im Libanon und viele andere auf der ganzen Welt. Wir sehnten uns nach Lichtblicken, doch es gab wenige.
Immer, wenn die Nachrichten uns mit schlechten, traurigen und hoffnungslosen Geschichten überfluteten, kochten wir zusammen. Die ganze Familie traf sich in der Küche, schnippelte, rührte, briet und backte.
Wir rollten Dutzende von Sushi, kredenzten unsere eigenen vegetarischen Gerichte und kochten zig Rezepte aus Instagram oder TikTok-Videos nach, die meine Kinder gefunden hatten. Mal mit mehr, mal mit weniger essbarem Erfolg. Wir teilten die Gerichte in Kategorien ein. Ein »keeper« war köstlich und durfte gern wieder auf den Tisch, ein »bäh«-Rezept konnte getrost aus dem Handy gelöscht werden.
Wir kochten auch alte Familienrezepte nach und erzählten dazu Anekdoten aus unserer Kindheit. Die süßen Karotten-Zimmes vom Saba aus Tiberias kamen bei unseren Tel Aviver Teens mäßig an, die Grießklößchen-Suppe der Oma aus Niedersachsen, der Aussprache wegen in »Bälle-Suppe« umbenannt, ist der Hit.
Unsere Küche ist unsere kleine, scheinbar heile Welt
So überstanden wir Tage, an denen wir gleich mehrmals wegen Angriffen aus dem Iran, dem Jemen und von der Hisbollah Schutz im Treppenhaus suchen mussten. Oder Abende, an denen wir stundenlang zusammen mit völlig verzweifelten Angehörigen auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv standen.
Danach konzentrierten wir uns für ein paar Stunden nur noch auf unsere kleine, scheinbar heile Welt, weil die große einfach zu grausam war. In unsere Küche durften nur wir und die Rezepte. Schlechte Nachrichten mussten draußen bleiben. Ein Konzept, das mir vielleicht meine mentale Gesundheit gerettet hat.
Wenn ich dachte, jetzt kann ich keine Horrornachricht mehr ertragen, keine Sirene mehr hören, die dann doch bald wieder durch Mark und Bein schrillte, fand ich Trost und eine gewisse Distanz beim gemeinsamen Kochen und – ja auch – Lachen.
Jetzt steht Chanukka vor der Tür. Voller Lichter und fettigem Essen, das der Figur nicht unbedingt guttut, aber der Seele. Lewiwot sind nicht nur der Klassiker an Chanukka, sie sind auch eines der besten Soulfoods überhaupt. Ich kenne sie von meiner Mutter als Kartoffelpuffer und bin verrückt danach, seit ich denken kann.
Das fettige Essen zu Chanukkah ist nicht gerade gut für die Figur – aber für die Psyche.
Und jetzt lieben meine Kinder sie genauso. Neben dem Anzünden der Kerzen ist es Tradition, das »Wunder des Öls« zu zelebrieren. Dafür lassen sich die Israelis eine Woche lang jede Menge Fettiges schmecken – und legen danach erst einmal eine Fastenwoche ein.
Zu den Leckereien gehören die Lewiwot und als Nachtisch süße Sufganiot, die israelische Variante der Krapfen oder Berliner. Sufganiot erlauben wir uns nur höchstens zwei Mal an Chanukka, zu viel Zucker, zu viel Fett. Bei den Lewiwot aber geben meine Kinder nicht nach. Wenn es nach ihnen geht, kommen sie am besten an jedem einzelnen der acht Tage auf den Tisch.
Dafür schäle ich zuerst vier bis fünf rohe Kartoffeln, eine große Süßkartoffel und eine Knolle Rote Bete. Dann reibe ich Kartoffeln und Süßkartoffeln mit einer groben Reibe in eine Schüssel, die Rote Bete kommt in eine separate Schale. Dank meiner Küchenmaschine geht das fix. Zur Kartoffel-Süßkartoffel-Mischung füge ich zwei Eier, Salz und Pfeffer, Zitronenabrieb, abgezupfte Thymianblättchen und eine Tasse Mehl hinzu. Ist die Masse zu flüssig, einfach mehr Mehl zugeben. Und dann heißt es: Hände schmutzig machen. Ich knete alles durch, bis es eine einheitliche Mischung ist.
Zitronen pflücke ich in Israel einfach von der Straße
Seit ich in Israel lebe, füge ich vielen Gerichten Zitrone hinzu, als Saft oder Abrieb. Im Winter pflücke ich die einfach auf der Straße. Zitrusbäume gehören hier zur städtischen Begrünung. Die Frische, die etwas Zitrone hinzufügt, hat noch keinem Gericht geschadet.
Besonders bei fettigen Speisen ist die Säure ein wunderbarer Kontrast. Beim Abrieb sollte man darauf achten, dass die verwendeten Zitronen »Bio« sind. Dafür pflücke ich eine vom Bäumchen auf meiner Terrasse. Der Thymian verleiht dem Gericht zusätzlich eine mediterrane Note.
Ist der Mix fertig, erhitze ich Olivenöl in einer Pfanne (der ganze Boden muss bedeckt sein), gebe Batzen der Mischung hinein und drücke sie mit einem Löffel platt. Auf jeden Puffer kommt ein Klecks der geriebenen Roten Bete. Das sieht hübsch aus und gibt das gewisse Etwas. Ich brate sie, bis die Ränder dunkelbraun sind. Knusprig schmecken die Lewiwot noch mal doppelt so gut, finde ich.
Wenn Sie ein ähnlich schweres Jahr wie wir hinter sich haben, kennen Sie jetzt das Rezept für unser Gegenmittel. Wir wünschen BeTeawon aus Tel Aviv. Und natürlich: Chag Sameach – in der Hoffnung auf viele kleine und große Lichtblicke!