Es steht achtzehn zu null. Und das wollte Shai Doron, Präsident der Jerusalem Foundation, nicht länger hinnehmen. Außerdem glaubt er, selbst ein passionierter Schwimmer, an die Macht des Sports. Also machte er sich daran, das Ungleichgewicht zwischen den öffentlichen Sportzentren im vorwiegend jüdischen West-Jerusalem und dem hauptsächlich arabischen Teil im Osten der Stadt zu überbrücken. Ein Schwimmbad für Ost-Jerusalem muss her – und zwar schnell.
Seit dem 7. Oktober 2023 geht jedoch in Israel nichts mehr schnell, was mit Bauen zu tun hat, denn es fehlt an Arbeitern. Statt der geplanten 26 Monate wird die Fertigstellung nun mehr als drei Jahre dauern. Doch Doron ist keiner, der sich einschüchtern lässt. Am Gemeindezentrum für Shuafat/Beit Hanina in Ost-Jerusalem trifft er auf Waseem Elhag, den arabischen Geschäftsführer des Zentrums. Als der junge Mann aus dem Gebäude tritt, zieht ein breites Lächeln über das Gesicht des Präsidenten der Jerusalem Foundation. Sie schütteln einander die Hände, klopfen sich auf die Schultern. Hier treffen sich zwei Partner, zwei Freunde.
»Es wird das allererste öffentliche Gemeindesportzentrum in Ost-Jerusalem sein«
Viel ist bei dem Projekt noch nicht zu sehen, nur umzäunte Rohbauten und das Fundament. Doch die Einlassung im Boden für das Herzstück des Gebäudes ist fertig: das Schwimmbecken. »Es wird das allererste öffentliche Gemeindesportzentrum in Ost-Jerusalem sein«, sagt Doron, und nicht nur Stolz schwingt in seiner Stimme mit. »Wir sollten uns schämen, dass es in West-Jerusalem 18 gibt und hier, im arabischen Teil, nicht eins.«
Das soll sich bald ändern. Ein großes Foto des Modells steht vor der Baustelle. Das vierstöckige Gebäude sieht modern und einladend aus. »Genau das soll es sein, 1000 Quadratmeter für den Sport, mit Fitness- und Sportstudios, Café, Umkleiden und gleich drei Pools«, freut sich Elhag. Auch die Lage ist bestens, an der Hauptverkehrsachse im nördlichen Ost-Jerusalem, die Straßenbahn hält direkt davor. »Was, wenn du nicht genug Leute findest, die hingehen wollen«, fragten ihn Skeptiker. Immerhin geht es hier um ein 20-Millionen-Dollar-Projekt. Doch er lacht darüber. »Wir werden so einen Andrang haben, dass ich sicher vielen absagen muss.«
Elhag, eigentlich ein Computerwissenschaftler, der für Intel arbeitete, war unglücklich in seinem Beruf. Also sattelte er um und studierte an der Hebräischen Universität städtisches Management. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Vorstandes seines Gemeindezentrums wird der 34-Jährige das Schwimmbad managen. Es ist das erste Mal, dass ein Projekt von lokalen Gemeindemitgliedern verwaltet wird, und Doron ist überzeugt, dass dies der beste Weg sei: »Waseem ist genau der Richtige für diesen Job, ein junger Anführer für seine Gemeinde.«
Und er ist einer, der Verantwortung für seine Community übernehmen will. Das neue Zentrum soll den Bedürfnissen der arabischen Bevölkerungsgruppe angepasst werden: mit separaten Schwimmzeiten für Frauen sowie Männer und rund um die Uhr geöffnet. Darüber hinaus will er durch Schwimmunterricht Leben retten, denn jedes Jahr ertrinken in Israel beim Baden im Meer Menschen, der Großteil von ihnen Araber. »Das Projekt ist eine Partnerschaft zwischen Arabern und Juden, die den Menschen guttun und erst der Anfang für Ost-Jerusalem sein wird. Es ist an der Zeit.«
Es ist eine Partnerschaft zwischen Juden und Arabern, die allen guttut.
Doron selbst ist »Jeruschalmi in dritter Generation« und mächtig stolz darauf. Die Schwierigkeiten der größten, ärmsten und diversesten Stadt – ein Drittel der Jerusalemer ist arabisch, ein weiteres Drittel ultraorthodox – würden ihn beflügeln, Lösungen zu suchen. Das macht er durch die Jerusalem Foundation, 1966 vom legendären Bürgermeister Teddy Kollek als gemeinnützige Stiftung gegründet, die die Entwicklung Jerusalems fördert, indem sie Gelder für soziale, kulturelle und Verschönerungsprojekte sammelt.
Bei dem Schwimmbad für Ost-Jerusalem ginge es nicht um »die großen Probleme des Nahostkonflikts«, hebt Doron hervor, sondern einzig um die Bedürfnisse der lokalen Gemeinschaft. »Wir wollen ein besseres Gemeindeleben und gleiche Möglichkeiten für die Bewohner der Stadt schaffen.« Dafür habe man einen Partner gefunden, der bereit war, sich auf das Projekt einzulassen: die Mandel-Stiftung. »Die Sponsoren haben verstanden, dass wir, wenn wir die Gräben zwischen Juden und Arabern verringern, langfristig das Leben für alle verbessern.«
Kritiker und böse Zungen
»Doch wir müssen nichts beschönigen«, gibt er zu bedenken. »Es gibt Kritiker und böse Zungen, manchmal werde ich als ›Scheiß-Jude‹ beleidigt, wenn ich in Shuafat ankomme.« Andere wiederum fragten ihn, ob er der Präsident der »Arab Foundation« sei. Doch Doron ist felsenfest überzeugt: »Shared living, also die gleichen Möglichkeiten für alle Bewohner in den Bereichen Gemeinde, Wohlfahrt und Bildung zu schaffen, ist die Zukunft des gemeinsamen Lebens in der Stadt.« Dafür hat er das »Dafka-Motto« verinnerlicht – und plant bereits das zweite Schwimmbad in Ost-Jerusalem.
Weder Anfeindungen noch der Krieg halten die beiden Partner davon ab, weiterzumachen. In den ersten Wochen nach den blutigen Attacken der Hamas am 7. Oktober herrschte zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung noch mehr Argwohn als sonst. »Niemand traute sich, auf den anderen zuzugehen«, erinnert sich Elhag. »Es war eine sehr schwere Zeit.« Doch Doron rief ihn nach wenigen Tagen an und besuchte ihn kurz darauf. Die beiden Israelis, der Jude Shai Doron und der Araber Waseem Elhag, lachen sich an und klopfen einander auf die Schultern: »Jetzt erst recht!«