Die Fahne der Verwaltung ist ausgetauscht. Überall in der weißen Stadt sind die leuchtenden Regenbogen-Flaggen gehisst. Sogar das Rathaus ist im kunterbunten Farbgewand angestrahlt. Denn am Freitag steigt in Tel Aviv zum 17. Mal die Gay Pride Parade.
In diesem Jahr wird unter dem Motto »Tel Aviv liebt alle Geschlechter« besonders die transsexuelle Gemeinde gewürdigt. Logo der eine Woche andauernden Veranstaltungen der LGBT-Gemeinde ist ein blauer Schnurrbart über pink bemalten Lippen.
Als Sahnehäubchen der großen Fete hat die Stadtverwaltung Bruce alias Caitlyn Jenner aus Los Angeles eingeladen. Der ehemalige US-Olympionike, heute besser bekannt als Realityshow-Star, hatte sich vor Kurzem dazu bekannt, eine Frau sein zu wollen. Die Transformation lässt Jenner quotentauglich mit der Kamera begleiten. Ob Caitlyn in Tel Aviv mitfeiern wird, ist noch nicht bekannt.
Röcke Doch eine andere kommt sicher: Conchita Wurst ist mit dabei und bekennt ihre Vorfreude in einem großen Interview mit der Tageszeitung Yedioth Ahronoth: »Ich habe von den israelischen Männern gehört. Ich werde meine hübschesten Röcke für sie bügeln.«
Bürgermeister Ron Huldai ist in jedem Fall überzeugt, dass die Party in seiner Stadt auch in diesem Jahr grenzenlos sein wird. 100.000 Mitglieder und Freunde der LGBT-Gemeinde werden allein am Freitag zur großen Parade erwartet. Mehr als 30.000 – meist homosexuelle – Touristen von überall her werden zudem begrüßt.
Tel Aviv ist eine der wenigen Städte der Welt, die ihre Gay Pride Parade nicht nur sponsert, sondern auch das Thema Transsexualität ohne Scheu in den Vordergrund stellt. Huldai bat sogar Stadtverwaltungen in der ganzen Welt, ihre LGBT-Vertreter nach Tel Aviv zu einem Treffen zu entsenden, öffnet ein ganzes Fußballstadion für eine Schwulenparty und organisiert gemeinsam mit Facebook eine Veranstaltung für Werbezwecke innerhalb der Gemeinde.
Verständnis Elischa Alexander ist der Leiter des Programmes für Transsexuelle in der Stadtverwaltung. Sogar innerhalb der LGBT stünde das »T« oft nur am Rande, weiß er. »Dass es jetzt in den Vordergrund gerückt wird, gibt mir Hoffnung. Nicht nur für unsere Gemeinde – sondern für alle. Es wird zu einer Änderung innerhalb der Gesellschaft führen, denn daraus resultiert ein Verständnis, dass es okay ist, wenn Jungs weinen und Mädchen wissen, dass sie alles sein können.«
Die Gemeinde lobt ihren Bürgermeister dafür, einer der Führenden zu sein, der seine Stadt als Gay-Ziel propagiert. Für noch etwas macht sich Huldai stark: die Heirat von gleichgeschlechtlichen Paaren. Kurz nachdem ein Referendum in Irland dies möglich gemacht hatte, meinte er: »Ich denke, Israel kann von Irland lernen.« Es sei wichtig, dass es eine Stadt gäbe, von der es heißt: »Hier kann jeder leben, wie er will«.
Dass die Heirat von Homosexuellen jedoch in Israel bald Realität sein wird, ist unwahrscheinlich. Denn die zivile Ehe existiert nicht. Das ultraorthodoxe Oberrabbinat hat das Monopol über die Eheschließung, und die sind der Idee, dass bald Schwule und Lesben unter der Chuppa stehen, gar nicht wohlgesonnen.
Mainstream Dennoch wird das Thema LGBT langsam, aber sicher Mainstream in der israelischen Politik. Immer mehr Politiker und Armeeangehörige äußern sich zur Bedeutung der gleichen Rechte für alle. Verteidigungsminister Mosche Yaalon (Likud) sagte jüngst zur Schwulenheirat: »Es ist das Recht eines jeden Menschen, egal welche Rasse, welches Geschlecht oder welche sexuelle Orientierung er auch haben mag«.
Genauso sieht es Yair Lapid, Vorsitzender der Zentrumspartei Jesch Atid. Er setzt sich schon seit Langem für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen ein. Als Finanzminister schaffte er beispielsweise die steuerliche Benachteiligung von schwulen und lesbischen Elternpaaren ab.
Die nationalreligiöse Partei Jüdisches Haus indes will keine Regenbogenfahne schwenken. Deren Vorsitzender Naftali Bennett bekennt sich offen dazu, »dagegen« zu sein. Doch Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte einen Tag vor der großen Parade: »Ich bin stolz darauf, dass Israel eines der offensten Länder ist, wenn es um die Gay-Gemeinde geht. Offenheit und Respekt werden jedes Jahr größer«.