Während in Washington die Vertreter Israels und der Palästinenser am Montagabend zu neuen Friedensgesprächen zusammenkommen, geht in Israel die Diskussion um eine Vorbedingung der Verhandlungen weiter: die Freilassung palästinensischer Gefangener. Nach einer hochemotionalen Debatte hatte sich das israelische Kabinett am Sonntag für die Freilassung der Häftlinge, darunter Terroristen und verurteilte Mehrfachmörder, entschieden. »Ein trauriger Tag für Israel«, war der Tenor bei allen Ministern. Die Mehrheit jedoch hatte am Ende zugestimmt.
13 Minister hatten letztendlich mit Ja gestimmt, sieben dagegen, zwei enthielten sich. »Dies ist eine extrem schmerzhafte Entscheidung«, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, »doch sie dient den höheren Interessen des Staates.« Man munkelt, der israelische Regierungschef habe dem amerikanischen Außenminister John Kerry bereits zuvor ein »Ja« in der Angelegenheit versprochen.
Deal Während der Abstimmung hatten sich einige Dutzend Israelis vor der Knesset versammelt, um gegen die Freilassungen zu demonstrieren. Angehörige und Terroropfer drängten die Minister, gegen den Deal zu stimmen. Viele hatten sich die Hände mit roter Farbe bemalt, um zu signalisieren: »Lasst nicht die mit Blut an den Händen frei!«
Doch Netanjahu hatte offenbar gute Argumente parat, auch jene zu überzeugen, die zweifelten, allen voran Schai Piron und Jakov Peri von Jesch Atid. Unter den Befürwortern der Entscheidung, alle vor 1993 inhaftierten palästinensischen Gefangenen auf freien Fuß zu setzen, waren neben Netanjahu der Innenminister Gideon Saar und Yuval Steinitz (beide Likud), Sicherheitsminister Yitzhak Aharonovitch von Israel Beiteinu sowie Yair Lapid und eben Piron und Peri von Jesch Atid. Außerdem hatte die Justizministerin und israelische Unterhändlerin bei den Gesprächen, Zipi Livni, wie erwartet mit Ja gestimmt. Die Beit-Hajehudi-Minister Naftali Bennett und Uri Ariel stimmten dagegen – auch das war keine politische Überraschung.
Manche jedoch verwunderten ihre Kritiker, allen voran der Innenminister. Bis vor Kurzem noch hatte Saar als Hardliner im Likud gegolten, sich stets gegen eine Zweistaatenlösung ausgesprochen. Vor einigen Wochen jedoch kam die ideologische Kehrtwende: In einer emotionalen Rede sprach er nun von der immensen Bedeutung für Israel, die Friedensgespräche wieder anzukurbeln.
Palästinenserstaat Wirtschaftsminister Lapid sagte, es sei ein trauriger Tag für Israel, und er sei eigentlich der Meinung, die Täter müssten für immer hinter Gittern verrotten. Er meinte aber auch, dass »wir tun müssen, was wir tun müssen, um den Friedensprozess in Gang zu bringen«. Bennett sagte nach Bekanntgabe des Ergebnisses, alle sollten »damit aufhören, zu behaupten, ein ›Nein‹ zu einem Palästinenserstaat bedeute das Ende Israels«.
Der Koalitionsvorsitzende Jariv Levin vom Likud bezeichnete die Entscheidung als falsch und unmoralisch. »Es ist lediglich ein weiterer Akt im Theater des Absurden, in dem Israel seine Sicherheit riskiert und nichts dafür bekommt.« Saeb Erekat, der für die palästinensische Seite die Verhandlungen führt, begrüßte den Kabinettsentscheid.
Alle Gefangenen sind Langzeitinsassen, die bereits vor 1993 inhaftiert wurden. Unter ihnen sind auch Terroristen, die für den Tod vieler Israelis verantwortlich sind. Die verurteilten Verbrecher sollen in vier Phasen, entsprechend dem Vorankommen der Gespräche, entlassen werden.
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