Statt eines roten Teppichs liegen Berge von stinkendem Müll vor den Türen. An der Glasscheibe prangt ein handgemaltes Schild: »Eintritt verboten. STREIK!« »So fühlen wir uns – wie Abfall«, wettert einer der Männer, die vor dem Tor des Außenministeriums in Jerusalem sitzen. »Es schert ja niemanden, wie wir unser Leben bestreiten.« Seit zwei Jahren tobt ein erbitterter Arbeitskampf bei den israelischen Diplomaten. Am Montag blieben zum ersten Mal in Israels Geschichte das Ministerium und alle 103 Auslandsvertretungen geschlossen. Jetzt droht aus diesem Grund sogar dem größten Seder der Welt in Kathmandu das Aus.
Das Finanzministerium drohte den Streikenden, vor allem jenen, die die Eingänge blockieren, mit empfindlichen Strafen. Der Leiter der Gehaltsabteilung, Kobi Amsalem, erklärte, er ziehe Disziplinarmaßnahmen sowie das Einbehalten der Gehaltszuschläge in Erwägung. »Die Gebäude gehören dem Staat, nicht der Gewerkschaft«, so Amsalem weiter, »niemand darf sie blockieren.« Einer der Angestellten sagte daraufhin am Montag im Armeeradio: »Es ist wirklich traurig, dass von unseren lächerlichen Gehältern noch etwas abgezogen werden soll. Die ganze Angelegenheit schadet dem Ansehen Israels, doch die da oben scheren sich offensichtlich nicht darum.«
Auch die Gewerkschaft zeigt sich unbeeindruckt von den Drohgebärden der ministerialen Kollegen. Sie bekräftigte ihre Forderungen und wies die Auslandsvertretungen erneut an, die Gebäude zu verschließen und niemanden hineinzulassen. Außerdem sollten sämtliche Gehälter plus Zuschläge voll ausbezahlt werden. »Dieses Gebaren passt zu Dritte-Welt-Ländern«, schimpfte ein Botschaftsmitarbeiter in der Tageszeitung Haaretz. Es sei sehr traurig, dass die Angestellten im Ausland ihre Autos auf Bomben der Hisbollah überprüfen müssten und nun noch mit Drohungen aus dem eigenen Land beschossen würden.
Solidarität Am Montagmorgen war der Generalsekretär des Ministeriums, Nissim Ben Schitrit, davon abgehalten worden, sein Büro zu betreten. Nach einem kurzen Gespräch mit den Arbeitnehmervertretern im eigens aufgebauten Streikzelt vor dem Gebäude bekundete er seine Solidarität mit der Aktion und fuhr nach Hause. Außenminister Avigdor Lieberman indes hat kein Verständnis und nannte die Reaktion der Gewerkschaft hysterisch. »Wir müssen jetzt alles tun, um den Schaden für das Land und die Bürger zu begrenzen.«
Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter tobt seit Langem. Immer wieder legten die Beschäftigten kurzzeitig die Arbeit nieder. Doch nachdem die sieben Monate andauernden Gespräche mit einem Vermittler in eine Sackgasse geraten waren, platzte ihnen endgültig der Kragen. Die Gewerkschaft kündigte Maßnahmen an, die die Arbeit des Ministeriums und der Vertretungen im Ausland lahmlegen würden.
»Heute passiert es zum ersten Mal überhaupt, dass keinerlei Arbeit erledigt wird«, hieß es in einer Erklärung. »Die Angestellten treten in einen Streik, dessen Ende offen ist, um gegen die Bedingungen zu protestieren.« Bereits seit Jahren beklagen sich Diplomaten über die miesen Konditionen, das Finanzministerium aber weist die Forderungen zurück. Unter anderem mit der Begründung, dass die Angestellten vor zwei Jahren schon eine 20-prozentige Gehaltserhöhung erhalten hätten.
Absagen Dennoch haben jetzt die Büros in Jerusalem sowie in allen 103 Vertretungen auf der Welt, von Neuseeland über Berlin, Paris und London bis nach Washington und zu den Vereinten Nationen in New York, ihre Türen fest verriegelt. Außerdem nimmt Israel an keinem internationalen Forum teil, empfängt keine Staatsgäste, und es werden keinerlei Botschafts- oder Konsulardienste angeboten.
So konnte etwa der Besuch des britischen Premierministers David Cameron nur organisiert werden, weil die eigene Botschaft in Tel Aviv einsprang. Visiten von israelischen Politikern im Ausland jedoch mussten abgesagt werden, etwa die für den nächsten Monat geplante Südamerikareise von Regierungschef Benjamin Netanjahu. Auch Verteidigungsminister Moshe Ya’alon musste zu Hause bleiben.
Die Vertretung in Rom verweigerte jegliche Unterstützung für seinen Italienbesuch, bei dem es um Waffengeschäfte gehen sollte. Zunächst hatte der Militäratta- ché in Rom die Reise des Ministers selbst organisieren wollen, doch nachdem er am Montag nicht in sein Büro konnte, sagte Ya’alon frustriert ab. Ebenso steht der Besuch von Papst Franziskus im Mai wegen des Streiks auf der Kippe – auch wenn sowohl Jerusalem als auch der Vatikan standhaft beteuern, er werde auf jeden Fall stattfinden.
pessach Für den weltweit größten Pessachseder indes sieht es definitiv schlecht aus. Wegen mangelnder Zutaten wie Mazzot, Gefilte Fisch, Charosset und Ähnlichem wird das traditionelle Essen am Vorabend des Feiertags in Kathmandu wohl nicht stattfinden. Seit 26 Jahren veranstaltet Chabad Lubawitsch den Seder in Nepal für rund 2000 Rucksacktouristen, die an Pessach fern der Heimat sind.
Der Container mit den Köstlichkeiten steckt im indischen Kalkutta fest, weil die Bediensteten der dortigen Botschaft ihn nicht beim Zoll auslösen. Und es sieht nicht so aus, als würde er rechtzeitig zum 14. April in Kathmandu ankommen. Der Chabad-Gesandte in Nepal, Chezki Lifschitz, äußerte die Hoffnung, dass die Außenamtsmitarbeiter in diesem Fall eine Ausnahme machen würden. »Tausende von Israelis sind gerade auf dem Annapurna-Treck unterwegs und freuen sich schon darauf, den Seder mit uns zu feiern.«
Doch wahrscheinlich wird das Hoffen vergeblich sein. Ministeriumssprecher Yigal Palmor sagte: »Er läuft nicht bloß Gefahr, abgesagt zu werden. Er wird abgesagt. Chabad sollte sich beim Finanzministerium beschweren. Denn dort wissen sie sehr wohl, dass wir jedes Jahr gern dabei geholfen haben. Nun aber streiken wir. Was sollen wir tun? Wir wurden einfach in die Ecke gedrängt.«