Yair Lapid sorgt sich um die Zukunft. Israelis seien vor allem mit Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt, vergäßen dabei den Blick nach vorn. Das sei »gefährlich«, meint er in seiner Kolumne für die Zeitung Yedioth Ahronoth von dieser Woche – er hat Angst, dass seine Landsleute erst aufwachen, wenn es zu spät sei. Für ihn persönlich scheint es genau die richtige Zeit: Der smarte Fernsehstar geht in die israelische Politik.
Diese Verkündung war alles andere als ein Paukenschlag. Bereits seit Jahren konnte man es ahnen. Vor einem Jahr wurde Lapid in der Satireshow »Ein wundervolles Land« auf die Schippe genommen, wie er die Nachrichten verliest und unter dem Studiotisch Stimmzettel zählt. Zusehends fielen auch Lapids Abwiegelungen zu einem Wechsel in die Politik mehrdeutiger aus. Wenn er darüber sprach, umspielte ein schelmisches Lächeln seine Lippen.
Schließlich hat er es in die Wiege gelegt bekommen. Lapids Großvater mütterlicherseits gründete die Tageszeitung Maariv, Vater Josef »Tommy« Lapid war einer der bekanntesten Journalisten Israels, bewahrte die strauchelnde Säkularen-Partei Schinui vor dem Untergang, wurde später Justizminister und stellvertretender Premier.
Der junge Lapid hat eine mittlerweile nicht minder erfolgreiche Karriere vorzuweisen: Seit fast drei Jahrzehnten ist er Journalist und Buchautor. Vor vier Jahren übernahm er neben seinen regelmäßigen Kolumnen den Posten als Moderator der beliebten Nachrichtensendung »Ulpan Schischi« auf Kanal 2. Er eröffnete seine erste Sendung mit den Worten: »Ich bin Yair Lapid, und ich trage einen Schlips.«
macher Außerdem hat er das Macher-Gen, das für das Durchstarten im israelischen Haifischbecken der Politik unabdingbar ist. Lapid sieht dazu unverschämt gut aus – Typ Schwiegermutters Liebling mit einem Hauch Coolness. Privat trägt er übrigens lieber Lederjacke als Krawatte. Mehrfach wurde er zum »sexiest man« des Landes gewählt. Eine Weile versuchte er sogar, in Hollywood Fuß zu fassen, spielte auch hier und da in heimischen Filmen mit. Dabei ist er gleichzeitig bodenständig, verheiratet, Vater von drei Kindern.
Viele bezeichnen ihn als »neuen Israeli« und beziehen sich möglicherweise darauf, was einst Lapid senior über ihn sagte. Als Yair seinen Vater in einem Interview fragte, was in seinen Augen israelisch sei, antwortete der ganz emotional: »Du.« Kritiker werfen Lapid vor, zu sehr »Everybody’s darling« sein zu wollen. Die Tageszeitung Ha- aretz schrieb vor einigen Tagen: »Wenn auch niemand alles für alle Leute sein kann – Yair Lapid hat es definitiv versucht.«
Seine Fans kontern, dass die Menschen hierzulande einen aufrichtigen Politiker mit Anstand einfach nicht gewohnt seien. Politisch sieht sich der 48-Jährige in der »Mitte mit gesundem Menschenverstand«. Lapid hütet sich, in Extreme zu verfallen. Er ist Mainstream auf ganzer Linie. Mit den Palästinensern will er eine Verständigung, verdammt jedoch auch die Siedlerbewegung nicht. Wie er es in seinem Elternhaus vorgelebt bekam, ist er mit ganzem Herzen säkular, scheut sich aber nicht, Tora-Zitate zu bemühen.
mitte Wenn er doch einmal polarisiert, versteht er es meisterhaft, die Wogen kurz darauf wieder zu glätten. Schon jetzt zeigen Umfragen, dass ihm mehr als zehn Prozent der Wähler sofort ihre Stimme geben würden. Dabei gibt es – zumindest offiziell – noch nicht einmal eine Partei, deren Vorsitzender oder Mitglied er ist. Doch Lapid ist nicht nur aalglatt. Zipi Livnis Kadima erteilte er eine klare Absage mit den Worten: »Das sind alles zynische Politiker, die aus anderen Parteien geflogen sind.« Shelly Jachimovitch, die Vorsitzende der Arbeitspartei, die er nach eigener Auskunft »bewundert«, titulierte er als »radikale Linke«.
Das hat viele erstaunt, die die beiden im Geiste bereits gemeinsam auf sozialen Protestdemos Fahnen schwingen sahen. Sowohl Jachimovitch als auch Lapid hatten sich im vergangenen Sommer mit den Demonstranten ausdrücklich solidarisch erklärt. Zudem äußerte die Politikerin der Arbeitspartei vor einer Weile Verständnis für die Siedler. Das ist kaum deckungsgleich mit den Werten der extremen Linken.
Schon jetzt bekommt Lapid zu spüren, wie rutschig das politische Parkett sein kann. Nichts bleibt unkommentiert. Was er auf seiner Facebook-Seite schreibt, liest er am nächsten Tag in den Zeitungen. Etwa dass er einen neuen BMW ausprobiert habe, dieser aber nicht zu ihm passe und er nun ein »Auto für normale Menschen« fahre. Haaretz süffisant: »Der Wagen für ›normale Menschen‹ kostet 360.000 Schekel.«
Auch die Plauderei der Knessetabgeordneten Anastassia Michaeli dürfte ihm nicht behagt haben. Sie erzählte, dass Lapid sie bereits vor Jahren gefragt habe, ob sie in seine künftige Partei eintreten wolle – zu einer Zeit, als er stets betonte, er habe mit Politik rein gar nichts am Hut.
Abbruch tun werden die kleinen Unebenheiten seinem Erfolg sicher nicht. Keine Frage, dass Lapid in gewohnt charmanter Manier auch zukünftige Skandälchen dieser Art meistern wird. Israel hat weit Schlimmeres in Anzug und Krawatte gesehen. Klar ist, die Parteienlandschaft der Zukunft wird mit Herrn Lapid – ob mit Schlips oder Lederjacke – um einiges bunter werden.