Dass Piers Morgan nicht nur hart nachfragen kann, sondern gelegentlich auch Empathie mit seinen Gästen zeigt, stellt der britische Talkshow-Moderator nicht erst seit dem 7. Oktober unter Beweis. Am Montag hatte er Thomas Hand und dessen neunjährige Tochter Emily in seiner Sendung »Piers Morgan Uncensored« zu Gast, die weltweit von verschiedenen Privatsendern ausgestrahlt wird.
Emily Hand war eine von mehr als 240 Personen, die am 7. Oktober von Terroristen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden. Ende November, nach 50 Tagen in der Gefangenschaft der Hamas, kam sie dann überraschend frei.
Während des TV-Interviews saß die Kleine schweigsam neben ihrem Vater, hielt ihm die Hand und streichelte ihn immer wieder über das Gesicht. Von Morgan gefragt, wie es dem Mädchen mittlerweile gehe, sagte Thomas Hand: »Sie spricht fast wieder in vollem Umfang. Sie isst wie ein Pferd. Sie schläft gut, hat nicht zu viele Albträume, wenn auch ab und zu einen.« Manchmal beobachte er sie nachts, und wenn er sehe, dass sie schlecht träume, wecke er sie auf.
In diesem Interview Mitte Oktober glaubte Thomas Hand noch, seine Tochter Emily sei tot
»Kostenlose Psychotherapie«
Nach seinem eigenen Befinden gefragt sagte Hand: »Vor der Geiselnahme ging es mir eigentlich nicht sehr gut, ich hatte eine Depression.« Was in den Wochen nach dem 7. Oktober passiert sei, habe ihn aber stärker gemacht, vor allem, weil er tagtäglich bis zu zwölf Stunden in Interviews über das Schicksal seiner Tochter und sein eigenes Befinden sprechen konnte. »Es war wie eine kostenlose Psychotherapie.«
Dann erzählte Hand, der vor 30 Jahren aus England nach Israel gekommen war, noch einmal, was er am 7. Oktober im Kibbutz Be’eri unweit des Gazastreifens und in den Tagen danach erlebte. Seine Tochter Emily hatte bei einer Freundin übernachtet und war deshalb weder bei ihm noch bei ihrer Stiefmutter Narkis.
Die beiden waren getrennt voneinander in Schutzräumen, als am Morgen des 7. Oktober der Hamas-Angriff mit Raketenalarm begann. Später drangen dann Kämpfer der Terrororganisation in den Kibbutz ein.
Ein paar Tage nach dem Überfall wurde Thomas Hand mitgeteilt, dass sowohl Emily als auch seine Ex-Frau, die Emily nach dem Tod ihrer leiblichen Mutter mit großgezogen hatte, nicht mehr am Leben seien.
»Schlimmer als der Tod«
»Sie sagten mir, sie hätten Emily gefunden, sie sei tot.« Das habe sich angefühlt, als haue einem Mike Tyson in die Magengrube. Thomas Hand: »Und ich dachte mir, das ist ein Segen, das ist Beste für sie. Was die (Leute der Hamas) den Menschen in Gaza antun, ist ja schlimmer als der Tod.«
Doch als dann Ende November die ersten Geiseln freigelassen wurden, war auch seine Tochter dabei. Die frohe Nachricht habe er in einem Fünf-Sterne-Hotel am Toten Meer erhalten, in das die Bewohner des Kibbutz Be’eri samt ihrer Haustiere einquartiert wurden.
»Ich sitze da draußen und ein Reporter direkt neben mir. Es war ein Vorgespräch für ein Interview. Dann bekomme ich einen Anruf von der Armee, in dem es heißt, Emily stehe auf der Liste. Sie können sich vorstellen, dass ich ruhig bleiben musste, obwohl ich eigentlich hätte aufspringen und schreien wollen. Aber ich wollte auf keinen Fall, dass der Reporter einen Hinweis darauf bekommt, was los war. Zum Glück hat er das auch nicht. Sobald ich im Hotelzimmer war, habe ich, glaube ich, das Blaue vom Himmel heruntergeschrien, ich habe geschrien wie am Spieß«, erzählt Hand.
»Unvostellbar, was die Geiseln durchmachen müssen«
Er habe Gott dafür gedankt, so einen Moment erleben zu dürfen. »Und wir hoffen noch darauf, dass auch die anderen Familien (der Geiseln) einen solchen Moment erleben dürfen.«
Der Moderator überbrachte jedoch dem Familienvater in der laufenden Sendung eine Hiobsbotschaft. Piers Morgan: »Ich habe gerade eine Nachricht erhalten, dass zwei weitere Geiseln getötet seien. Das ist eine Eilmeldung, während ich mit Ihnen spreche. Das zeigt nur, wie entsetzlich es für die Menschen ist, die jetzt 100 Tage warten mussten, bis sie solche Nachrichten erhalten. Es ist unvorstellbar, was die alle in dieser Lage durchmachen müssen.«
Als Hands ihn fragte, ob er denn die Namen der Getöteten habe, antwortete Morgan: »Ja, die habe ich. Sie wurden mir soeben zugeschickt. Die Hamas hat ein Video veröffentlicht, auf dem die Leichen von zwei Geiseln zu sehen sind, Yossi Sharabi und Itai Svirsky.« Eine dritte Hamas-Geisel, Noa Argamani, macht in dem Video die Aussage, dass die beiden durch israelische Luftangriffe getötet worden seien.
Thomas Hand, der nach wie vor seine Tochter Emily neben sich hat, ist schockiert, denn nicht nur waren Argamani, Svirsky und Sharabi wie er aus dem Kibbuz Be’eri. Letzterer hatte sich in der Gefangenschaft auch um Emily gekümmert. »Sie haben sie ihn also umgebracht. Und natürlich schieben sie die Schuld auf die IDF.« Wenigstens, so Hand, sei Noa noch am Leben. Während er das sagt, spendet ihm ausgerechnet seine Tochter Emily Trost - und wischt ihrem Vater eine Träne aus dem Auge.
Auch eine politische Botschaft hatte Thomas Hand - und zwar für die Israel-Hasser dieser Welt: »Ist irgendjemand von euch hergekommen, um die Apartheid in diesem Land zu sehen? Es gibt sie nicht, ihr Idioten!«