Das hat ihr gar nicht geschmeckt: Scherben in der Lasagne beim Abendessen mit erlauchten Gästen. Doch genau die sollen jetzt Beweis dafür sein, dass Sara Netanjahu, die Ehefrau des israelischen Premierministers, nichts Unrechtes getan hat. Im Gegenteil: Sie wollte nur Schaden von ihren Besuchern abwenden. Dafür hat die Dame regelmäßig Gourmetspeisen aus Restaurants ins Haus geordert, obwohl dort ein angestellter Koch in den Töpfen rührte. Der Staatsanwalt sieht das anders und erhebt Anklage wegen Betrugs.
Es ist nur einer der vielen Skandale, die in den vergangenen Jahren aus der Residenz des Ministerpräsidenten in Jerusalem oder der Familienvilla in Caesarea an die Öffentlichkeit dringen. Champagner in Rosé, Zigarren und Schmuckstücke, die von angeblichen Freunden angeliefert wurden, stibitztes Pfandgeld – und immer wieder verbale Ausfälle gegen Angestellte. Die negativen Schlagzeilen über Frau Netanjahu reißen nicht ab. Der Regierungschef beschimpfte die Berichterstattung am Montagabend als »Propaganda von Linken«, die ihn stürzen wollten. »Jahrelang haben sie die Verschwendung von Millionen der linken Premiers und Präsidenten vertuscht, und jetzt veranstalten sie eine Rufmord-Kampagne zu Eiscreme, Fertigessen und falschen Gerüchten.«
Feinkost Manche Israelis lachen über die vermeintliche Knauserigkeit, andere rümpfen verächtlich die Nase. Doch dem Generalstaatsanwalt ist nicht mehr zum Lachen zumute. Er macht jetzt Ernst und bringt Sara Netanjahu vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, rund 300.000 Schekel (umgerechnet etwa 72.000 Euro) an Staatsgeldern für Feinkost abgezweigt zu haben. Und auch jede Menge schmutzige Wäsche wird gewaschen. Allerdings nicht von Sara Netanjahu selbst. Ein weiterer Vorwurf gegen die Dame des Hauses besagt, dass sie auf Auslandsreisen Koffer voller getragener Kleidungsstücke mitnahm, um sie dort vom Hoteldienst reinigen zu lassen. Wer die gesalzenen Preise in den Unterkünften kennt, weiß, dass dabei ein schönes Sümmchen zusammenkommen kann. Angeblich versuchte sie auch, ein Abonnement für die Reality-Fernsehshow Big Brother, die ihr Sohn so gerne schaut, auf die Abrechnung zu setzen. Nicht gerade höhere Bildung auf Kosten des Steuerzahlers.
Bis zuletzt hatten die Mitarbeiter ihres Ehemannes versucht, die Anklage abzuwenden. Doch am Ende half nichts mehr; sie wird angeklagt. Das haben die Generalstaatsanwälte Avichai Mandelblit und Schai Nitzan bereits mitgeteilt. Die Vorwürfe lauten auf Betrug und Vertrauensbruch. Wegen derselben Vergehen wird gegen den ehemaligen stellvertretenden Generaldirektor im Büro des Premierministers, Ezra Saidoff, geklagt. Beide sollen zwischen 2010 und 2013 gemeinsame Sache bei den Speisen-Bestellungen gemacht haben.
Verhandlungen Die vermeintlichen Glasscherben in der italienischen Speise mögen einer der Vorwände sein, weshalb die israelische First Lady jegliche illegale Verwendung des Geldes vehement bestreitet und sich weigert, einen Teil zurückzuzahlen. Angeblich wurden 200.000 Schekel gefordert. Es habe lange Verhandlungen gegeben, um zu einer Einigung zu kommen und von einer Anklage abzusehen, doch die hätten geendet, als Sara Netanjahu erklärte, sie würde lieber ins Gefängnis gehen, als dem Staat etwas zu erstatten. Ihre Anwälte widersprechen diesen Berichten allerdings, doch die Bevölkerung kommt aus dem Kopfschütteln kaum mehr heraus.
Die Vorwürfe gegen Saidoff wiegen noch schwerer; er soll zudem Rechnungen gefälscht haben. Doch auch für die Netanjahus könnte es noch viel dicker kommen. Denn viele der Vorwürfe waren erst bestätigt worden, als ein einstiger Angestellter der Familie, Nir Hefetz, zum Zeugen der Anklage wurde. Jetzt wurde bekannt, dass Hefetz jahrelang Aufnahmen von seinen Gesprächen mit dem Rechtsbeistand des Premiers gemacht hatte. Auszüge davon wurden am Wochenbeginn von der »Israel Television News Company« veröffentlicht. Darin geht es beispielsweise darum, dass das Regierungspaar geplant hatte, seine persönliche Villa in Caesarea auf Staatskosten renovieren zu lassen, wie Ausgaben verheimlicht oder versteckt und recherchierende Journalisten belogen wurden.
Gegen den Premier selbst wird ebenfalls in mehreren Fällen wegen des Verdachts der Korruption ermittelt. Zwar hatte die Polizei bereits empfohlen, ihn in zwei Fällen wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Vertrauensbruchs vor Gericht zu stellen. Die Staatsanwälte, die letztlich entscheiden, haben sich jedoch noch nicht geäußert. Sehr zum Unmut vieler Israelis, die glauben, dass die Netanjahus tun können, was sie wollen, und letztlich doch davonkommen.
demonstrationen Jene, die das nicht hinnehmen wollen, demonstrieren regelmäßig, vor allem in Tel Aviv, gegen die Korruption in der Regierung. »Bibi – geh nach Hause« ist zu ihrem Schlachtruf geworden, den sie fast jeden Samstagabend lautstark skandieren.
Mit dabei ist immer Meni Naftali. Der einstige Hausmeister in der Residenz in Jerusalem hatte gegen Sara Netanjahu wegen verbaler Misshandlung vor dem Arbeitsgericht geklagt – und gewonnen. Seitdem ist Naftali zu einem Anführer der Antikorruptions-Demonstrationen geworden.
Doch offenbar hat ziviler Ungehorsam seinen Preis. Am Montag nämlich fand der Mann sein Auto zwar noch vor der Haustür, doch es war komplett ausgebrannt. Die Polizei geht davon aus, dass es absichtlich angezündet wurde. Naftalis Mitorganisator, der politische Aktivist Eldad Yaniv, zeigte sich auf Twitter schockiert und schrieb: »Das könnte sogar noch in einem Mord enden.«