Wo war Schaul Mofaz vergangenen Samstag? Der einst so engagierte soziale Aktivist, der im letzten Sommer regelmäßig bei den Protesten Stellung bezog, fehlte beim Auftakt der erneuten Demos für soziale Gerechtigkeit in Tel Aviv. Hatte er doch unmittelbar nach seiner Wahl zum Kadima-Vorsitzenden betont: »Ich werde die nächsten sozialen Proteste anführen.«
An diesem Abend hätte er die Chance gehabt, Gesicht zu zeigen. »Mit der großen Koalition hat sich der Hass auf die Politiker nur verstärkt«, tönte ein Sprecher auf dem Rabinplatz. Mofaz hörte diese Worte nicht. »Sicher hält er gerade mit Bibi Händchen«, höhnte einer der Protestierenden. »Zu uns lässt er sich ja jetzt nicht mehr herab.«
Mit seinem Beitritt zur größten Einheitskoalition in Israels Geschichte hat der Kadima-Vorsitzende sicherlich an Macht gewonnen. Eines jedoch ist auf der politischen Überholspur auf der Strecke geblieben: die Glaubwürdigkeit des langjährigen Politikers.
umschwenken Immer wieder hatte Mofaz betont, dass er unter keinen Umständen bereit sei, der »schlimmsten Regierung aller Zeiten« anzugehören, wie er Netanjahu und Co. mehrfach bezeichnete. »Selbst, wenn ich in den Parteivorsitz gewählt werde.« Doch nachdem ihm die Mitglieder mit mehr als 61 Prozent das Vertrauen ausgesprochen hatten, dauerte es kaum zwei Wochen, bis er sein Wort brach.
Wie er sich nach all seinen Äußerungen eine Zusammenarbeit mit Netanjahu vorstelle, fragte ihn die Tageszeitung Haaretz nach seiner Ad-hoc-Entscheidung, fortan der Regierung anzugehören. Man habe eine gemeinsame Basis, antwortete Mofaz und erwähnte die Kooperation in der ersten Regierung von Netanjahu, bei der Mofaz als 16. Stabschef fungierte. »Ich denke, wir werden zusammenarbeiten und können mit einer Mehrheit von 94 Abgeordneten bedeutende Entscheidungen treffen.« Jedenfalls kann der einstige Oppositionsführer so gut wie sicher sein, bis Ende 2013 in der Regierung zu sitzen.
ränkespiel Auch wenn das Umschwenken die Israelis schockierte: Für den 63-jährigen Politiker sind die Ränkespiele der Knesset nichts Neues. Von 2002 bis 2006 war Mofaz Verteidigungsminister im Kabinett von Ariel Scharon, die anschließenden drei Jahre fungierte er unter dem damaligen Regierungschef Ehud Olmert als Verkehrsminister.
Mofaz ist 1948 im iranischen Teheran geboren worden und wanderte im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie nach Israel aus. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Seinen Militärdienst begann er 1966, nahm als Mitglied einer Fallschirmspringer-Eliteeinheit an drei Kriegen und an der Operation Entebbe teil. Er erklomm die militärische Karriereleiter in schwindelerregendem Tempo, wurde 1994 zum General befördert und schon vier Jahre darauf zum Ramatkal, dem Chef der gesamten IDF, ernannt.
Damals reformierte er Finanzen wie Struktur der israelischen Armee. Schlagzeilen aber machte er durch seine »harte Hand« beim Ausbruch der Zweiten Intifada. Vom Gros der Weltöffentlichkeit wurden seine durchgreifenden Maßnahmen in den palästinensischen Gebieten kritisiert, von den meisten Israelis indes als adäquate Gegenwehr zum Terrorismus gepriesen. Nach dem Ausscheiden aus den Streitkräften trat Mofaz dem Likud bei. Dort galt er, obwohl er sich für ein Abkommen mit den Palästinensern aussprach, als Hardliner.
Zentrum Während der Regierungskrise um den Abzug aus dem Gazastreifen trat Mofaz 2005 gemeinsam mit anderen Parteikollegen aus dem Likud aus, um gemeinsam mit Ministerpräsident Ariel Scharon Kadima aufzubauen, die sich seit jeher als Zentrumspartei sah. Nach dem Rücktritt von Olmert als Parteivorsitzender im Jahr 2008 sah Mofaz seine Chance. Doch noch sollte er es nicht bis an die Spitze schaffen. Er unterlag bei parteiinternen Wahlen der damaligen Außenministerin Zipi Livni, die sowohl bei den Mitgliedern wie auch in der israelischen Öffentlichkeit äußerst beliebt war.
Mofaz hingegen schien vielen damals kaum aussagekräftig. Das sollte ihm nicht noch einmal passieren. Knapp vier Jahre später, im März dieses Jahres, ernannte er sich selbst bereits vor den Wahlen zum »einzig wahren Herausforderer von Netanjahu« und stieß seine Rivalin mit 61,7 Prozent der Stimmen vom Kadima-Thron.
»Ich sage nicht, dass mich die Kritik kalt lässt«, erklärte Mofaz im Anschluss an den Regierungsbeitritt. »Wenn man in der Opposition ist, ist man in der Opposition. Als ich das gesagt habe, habe ich es auch gemeint.« Damals seien die Bedingungen einfach noch nicht reif gewesen, so Mofaz.
Er wolle sich in der Regierung auf die zwei bedeutendsten Angelegenheiten konzentrieren: Gleichheit beim Militärdienst sowie die Neuordnung des politischen Systems. Für beides ist bereits eine Deadline angelegt: Juli und Dezember. Viel Zeit bleibt nicht, einige Kadima-Mitglieder drohen bereits mit Austritt aus der Koalition, sollten die Probleme bis zu den anvisierten Daten nicht aus der Welt sein.
Mofaz gibt sich optimistisch: »Das werden wir schaffen.« Und auch in Sachen Glaubwürdigkeit will er sich nicht unterkriegen lassen: »Alles ist in dem Moment wahr, in dem du es sagst.«