Der Bericht zum Gaza-Krieg von 2014 ist veröffentlicht – und der staatliche Kontrolleur Yosef Shapira hat wenig Worte des Lobes für die damalige Führungsriege übrig.
Allen voran wird Regierungschef Benjamin Netanjahu von Yosef Shapira scharf kritisiert. Denn Netanjahu, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht, habe unter anderem versäumt, sein Kabinett während der Militäroperation »Protective Edge« ausreichend über die Gefahr der Terrortunnel der Hamas aufzuklären.
Der Militärführung, damals unter der Leitung von Generalstabschef Benny Gantz und dem militärischen Geheimdienstchef Aviv Kochavi, wird von Shapira bescheinigt, vor dem Krieg große Lücken in der Geheimdienstarbeit zugelassen zu haben.
Hamas Während der Auseinandersetzung hätten zu wenige klar definierte Einsatzpläne vorgelegen, um das Tunnelnetzwerk der Terrororganisation vollständig zu zerstören. »Die israelische Armee hat ihre Mission nicht vollendet«, lautet das Fazit.
Netanjahu wies die Vorwürfe zurück. Bereits am Montag sagte er: »Anders als im Bericht des staatlichen Kontrolleurs steht, stehe ich hinter der israelischen Verteidigungsarmee, dem Sicherheitsdienst Schin Bet und dem gesamten Verteidigungssystem.« Netanjahu hatte dem Kontrolleur für seinen Bericht Unterlagen geliefert, die belegen sollten, dass der Regierungschef die Tunnel im Kabinett zur Sprache gebracht habe. Diese Diskussionen im Kabinett, so Shapira, seien aber oberflächlich gewesen und hätten nicht die wahre Gefahr widergespiegelt.
Auch die Politik der Regierung habe mit zu der kriegerischen Auseinandersetzung geführt, kritisierte Shapira. Hauptsächlich thematisierte er in diesem Zusammenhang die Frage, was Netanjahu, sein damaliger Verteidigungsminister Mosche Yaalon, Außenminister Avigdor Lieberman und das restliche Kabinett versäumt hätten, um einen Krieg zu verhindern.
Bereits 2013, so der fast 200 Seiten starke Bericht, habe die Armee die Politiker eindringlich davor gewarnt, dass »die schwierigen humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen im Gazastreifen innerhalb von zwei Jahren zu einer Explosion führen können«.
Zipi Livni Trotzdem habe sich das Kabinett so gut wie gar nicht mit diesem Problemkomplex beschäftigt, urteilt Shapira. Außer Zipi Livni, damals Justizministerin, habe sich kein Mitglied der Regierung dazu geäußert oder etwas unternommen. Dreimal zitierte Shapira die Worte von Verteidigungsminister Yaalon kurz nach Beginn des Krieges: »Hätte man sich der Notlage im (Gaza-)Streifen vor einigen Monaten angenommen, hätte die Hamas möglicherweise die momentane Eskalation vermieden.«
Auf israelischer Seite starben im Sommer 2014 im Gaza-Krieg 74 Menschen, darunter sechs Zivilisten, auf palästinensischer Seite mehr als 2000. Laut Netanjahu hat Israel etwa 1000 Hamas-Terroristen eliminiert, darunter führende Kommandeure.
Yaalon veröffentlichte nach dem Bekanntwerden von Shapiras Bericht eine Videobotschaft im Internet: »Es war das unverantwortlichste und schlimmste Kabinett, das ich je gesehen habe.« Die Mitglieder hätten sich hinter verschlossenen Türen anders geäußert als in der Öffentlichkeit. Hätten nicht Regierungschef Netanjahu, der damalige Generalstabschef Benny Gantz und er selbst, Yaalon, »Ordnung in das Chaos gebracht«, hätte die Situation »in einer Katastrophe enden können«.
Auch der jetzige Stabschef Gadi Eizenkot äußerte sich: »Die IDF lernt ihre Lektion aus dem Bericht und erstellt ein Arbeitsprogramm für die Verbesserung ihrer Fähigkeiten im Gazastreifen. Wir sind nicht immun gegen Kritik, doch wir müssen bedenken, dass wir hier über die besten Leute reden, die zur Sicherheit des Staates beitragen.«
Familien Eltern, deren Söhne während des Krieges getötet wurden, forderten nach der Veröffentlichung des Berichts, dass die Politiker Verantwortung für den Tod ihrer Kinder übernehmen.
Die Mängel könnten zum vermeidbaren Tod der Soldaten geführt haben, schrieben die Eltern in einem Brief, den Parlamentssprecher Yuli Edelstein am Dienstag in der Knesset vorlas. Darin drängen Hinterbliebene der Gefallenen die Politiker, die Erkenntnisse und Forderungen des Berichtes vollständig umzusetzen, damit »die nächste Bedrohung nicht wieder in einem Krieg enden wird«.