Nahost

Saudi-Arabien ruft Landsleute zum Verlassen des Libanon auf

Ein Brand, der von Raketen aus dem Libanon auf Israel entfacht wurde. Seit dem 7. Oktober hat die Hisbollah ihren Beschuss erhöht Foto: Flash 90

Bei Massenprotesten in Israel gegen die Regierung hat sich eine aus dem Gazastreifen befreite Geisel mit einem Appell gegen den Hass erstmals an die Öffentlichkeit gewandt. »Ich wünsche uns allen friedlichere Tage, ruhigere Tage, an denen wir von Familie, Freunden und guten Menschen umgeben sind. Am wichtigsten ist, dass wir lernen, zu lieben und nicht zu hassen«, sagte Noa Argamani am Samstagabend in einer Video-Botschaft, die bei einer Kundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv gezeigt wurde. Derweil kam es bei Protestveranstaltungen auch in Jerusalem sowie anderen israelischen Städten laut örtlichen Medienberichten zu Zusammenstößen mit der Polizei und teils gewaltsamen Festnahmen. 

Die 26-jährige Israelin Argamani war vor drei Wochen bei einem dramatischen Einsatz des israelischen Militärs in Gaza mit drei anderen Geiseln befreit worden. »Obwohl ich wieder zurück zu Hause bin, dürfen wir nicht die Geiseln vergessen, die immer noch von der Hamas gefangen gehalten werden«, sagte die Studentin. »Wir müssen alles erdenklich Mögliche tun, um sie nach Hause zu bringen«, fügte sie hinzu. Teilnehmer der allwöchentlichen Proteste werfen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, die indirekten Verhandlungen mit der Hamas nicht ernsthaft voranzutreiben.

Zusammenstöße mit der Polizei

Die Demonstranten gehen davon aus, dass Netanjahu deswegen nicht handelt, weil er auf seine ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner Rücksicht nehmen will. Das politische Überleben Netanjahus, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, hängt von diesen Partnern ab. Die USA haben derweil als Vermittler laut Medien einen neuen Anlauf unternommen, den in die Sackgasse geratenen Verhandlungen zum Durchbruch zu verhelfen. Bei Protesten in Jerusalem riefen Demonstranten am Samstagabend »Stoppt den Krieg«. Die »Times of Israel« beschrieb die zuletzt stark angewachsenen Kundgebungen als aufgeheizt. 

Die Organisatoren erklärten gegenüber der Zeitung, die Polizei habe in der Nacht mit übermäßiger Gewaltanwendung vier der Demonstranten festgenommen. Ein Demonstrant sei zudem vor dem Amtssitz Netanjahus von einem Polizeibeamten heftig beschimpft und bedroht worden, berichtete die Zeitung. Bei der Kundgebung in Tel Aviv warf demnach eine Abgeordnete der Opposition der Polizei vor, sie tätlich angegangen und an den Haaren gezogen zu haben. Israels Polizeiminister ist der rechtsextreme Politiker Itamar Ben-Gvir. 

Israel reagiert auf Irans Drohung 

Unterdessen geht das verbale Säbelrasseln im Libanon-Konflikt zwischen Israel und der mit dem Iran verbündeten schiitischen Terrormiliz Hisbollah weiter. Die UN-Vertretung des Irans in New York hatte am Samstagmorgen auf der Plattform X gewarnt, sollte Israel eine umfassende militärische Aggression gegen den Libanon beginnen, »wird es zu einem vernichtenden Krieg kommen«. Israels Außenminister reagierte darauf am Samstagabend mit den Worten: »Wenn die Hisbollah ihr Feuer nicht einstellt und sich nicht aus dem Südlibanon zurückzieht, werden wir mit aller Härte gegen sie vorgehen, bis die Sicherheit wiederhergestellt ist und die Bewohner in ihre Häuser zurückkehren können«, schrieb Israel Katz auf derselben Plattform und fügte hinzu: »Ein Regime, das mit Zerstörung droht, verdient es, zerstört zu werden«.

Auch Saudi-Arabien ruft Landsleute zum Verlassen des Libanons auf

Saudi-Arabien hat derweil seine Bürger zum sofortigen Verlassen des Libanons aufgefordert. Der Grund dafür dürften Befürchtungen vor einem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah sein. Die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA berichtete am Samstag, die Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut habe an ihre Bürger appelliert, das Land »sofort« zu verlassen. Zudem sollten Menschen aus Saudi-Arabien nicht mehr in den Libanon reisen. Kürzlich hatte zum Beispiel auch Kanada seine Bürger zur Ausreise aufgefordert. Das Auswärtige Amt in Berlin warnt Deutsche schon länger vor Reisen in den Libanon. Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, das Land zu verlassen. »Eine weitere Verschärfung der Lage und Ausweitung des Konflikts könne nicht ausgeschlossen werden.

Israel setzt Bombardement in Gaza fort

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast neun Monaten beschießen sich Israel und die vom Iran unterstützte Hisbollah nahezu täglich, vor allem im Grenzgebiet. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu. Hisbollah-Terroristen unterstützen mit den Angriffen die mit ihr verbündete Hamas im Gazastreifen. Dort hat die israelische Armee Ziele im Osten von Gaza-Stadt bombardiert.

Befreite Geisel sorgte sich um Familie

Noch Anfang des Jahres hatte Israel den Norden des Gazastreifens als weitgehend gesichert und die Hamas dort als entscheidend geschwächt bezeichnet. Inzwischen formierte sich die Terrorgruppe dort aber offenbar neu. Auslöser des Krieges war ein beispielloses Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Dabei ermordeten sie 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen, darunter auch die junge Studentin Argamani und ihren Freund. Dieser befindet sich noch immer in der Gewalt der Terroristen.

Noa Argamani äußerte sich erstmals in einer Videobotschaft über die Zeit ihrer Gefangenschaft. »Es ist ein großes Privileg, nach 246 Tagen in Hamas-Gefangenschaft hier zu sein«, sagte Argamani in ihrem Video, das am Samstagabend auf der Protestkundgebung gegen die Regierung in der Metropole Tel Aviv abgespielt wurde.

Ihre größte Sorge während ihrer Gefangenschaft habe ihrer Familie gegolten, sagte sie. Das Schicksal der vom Nova-Musikfestival verschleppten jungen Frau hatte in ihrer Heimat und in aller Welt große Anteilnahme ausgelöst. Aufnahmen, wie sie von den Terroristen auf einem Motorrad entführt wurde und dabei verzweifelt und weinend um Hilfe rief, kursieren seit Monaten in sozialen Medien. Israelischen Medien zufolge lernte sie während ihrer Zeit als Geisel gut Arabisch. Sie sei dadurch eine Art »Repräsentantin« anderer weiblicher Geiseln geworden, mit denen sie vorübergehend zusammen festgehalten worden war, hieß es. 

Bei dem dramatischen Militäreinsatz zu ihrer Befreiung war es laut der israelischen Armee zu heftigen Gefechten mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei 274 Palästinenser getötet. Seit ihrer Befreiung sei Argamani intensiv an der Betreuung ihrer Mutter im Krankenhaus beteiligt, hieß es kürzlich in Medienberichten. Die aus China stammende Frau hat Krebs im Endstadium. dpa/ja

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Nahost-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Nahost

Katz fordert Plan für Hamas-Niederlage

Sollten die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen werden, will der israelische Verteidigungsminister eine komplette Zerschlagung der Terrorgruppe

 10.01.2025

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Israel

Armee erklärt Hamas-Geisel Hamza Ziyadna (23) für tot

Erst am Mittwoch wurde die Leiche seines Vaters im Gazastreifen geborgen

 10.01.2025

Nahost

Biden: Hamas steht einer Vereinbarung im Weg

Dennoch glaubt der scheidende US-Präsident daran, dass ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln der Hamas noch vor dem Ende seiner Amtszeit erlangt werden kann

 10.01.2025

Libanon

Ist die Wahl Joseph Aouns ein Zeichen der Hoffnung?

Es hat mehr als zwei Jahre und mehr als ein Dutzend Versuche gebraucht. Nun hat der Libanon endlich wieder einen Präsidenten. Kommt nun der lang erhoffte Neustart?

von Amira Rajab  09.01.2025

Nahost

Iranischer General: »Wir haben schweren Schlag erlitten«

Zum ersten Mal gibt ein hochrangiger Offizieller aus Teheran zu, dass der Fall von Bashar al-Assad das Regime geschwächt hat

von Sabine Brandes  09.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

München

Bayern-Torwart Peretz fällt vor Gladbach-Spiel mit schmerzhafter Nierenquetschung aus

Droht den Bayern beim Gladbach-Spiel ein Torwartproblem? Zuletzt fehlte Manuel Neuer, jetzt ist auch noch dessen Vertreter verletzt

 09.01.2025