Sie tauschen ihre Anzüge und Designerschuhe gegen Jeans und Sandalen, lassen ausländische Gesandte links liegen, empfangen keine Besucher mehr und verweigern die Arbeit am roten Teppich. Seit Februar befinden sich die Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums im Quasi-Streik. Von Monat zu Monat weiten sie ihre Sanktionen aus, nun drohen sie damit, keinerlei Dienst bei der Washington-Reise von Premierminister Benjamin Netanjahu zu leisten. Der Grund: Ihre Kollegen im Außendienst, beim Mossad und im Verteidigungsministerium verdienen zum Teil doppelt so viel wie sie. »Unfair«, finden die Staatsdiener und wollen eine Angleichung der Gehälter erzwingen.
Peinlichkeiten Dass das ohnehin angeschlagene diplomatische Ansehen Israels dadurch noch mehr leidet, nehmen sie billigend in Kauf. In den vergangenen Wochen häuften sich die peinlichen Zwischenfälle: So wurde die Frau des estnischen Staatspräsidenten, Evelin Ilves, in einem arabischen Lokal in Abu Gosch einfach sitzen gelassen. Ihr Fahrer, der schon auf dem Weg war, wurde zurück nach Jerusalem georderte. Die Frau musste sich ein Taxi rufen, um wieder in die Botschaft zu kommen. Auch der bulgarische Außenminister Nikolay Mladenov fand sich plötzlich allein wieder. Israelische Begleiter, die ihn in die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem gebracht hatten, waren nicht mehr auffindbar, ebenso wie der Wagen des Außenministeriums. Die Botschaft Bulgariens musste selbst ein Fahrzeug organisieren.
Höhepunkt der diplomatischen Faux-Pas aber war der Staatsbesuch des russischen Außenministers Sergei Lawrow. Nachdem der die Gangway heruntergeschritten war, wartete er und wartete – doch niemand kam. Verweigerung auf ganzer Linie. Erst als Vizeaußenminister Danny Ayalon persönlich russische Fähnchen und einen roten Teppich aufgetrieben hatte, zum Flughafen gerast war und sein Büropersonal anwies, den Teppich direkt vor den Füßen des hohen Gastes auszurollen, war die Situation einigermaßen gerettet. Doch da auch die Limousine fehlte, um Lawrow in die Hauptstadt zu fahren, muss-ten einmal mehr auf die Schnelle per Handy Mietwagen geordert werden. Der Russe war außer sich vor Wut und kurz davor, gleich wieder nach Hause zu fliegen. Avigdor Lieberman versuchte es wiedergutzu- machen, indem er seinen Amtskollegen statt ins Auswärtige Amt zum Diner ins Jerusalemer Luxushotel King David einlud. Sonst hätten die Minister samt Entourage wahrscheinlich noch mit knurrenden Mägen auf leere Teller gestarrt.
Geheimdienst Auch Benjamin Netanjahu ist betroffen. Bei seinem Besuch in Griechenland musste der Premier gänzlich auf die Beamten des Außenamtes verzichten. Doch er wusste sich zu helfen und bat die Leute des Auslandsgeheimdienstes Mossad um Hilfe. Die streikbrechenden Spione brachten Chanan Goder, den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung im diplomatischen Dienst, auf die Palme. Im israelischen Fernsehen bezeichnete er das Verhalten des Ministerpräsidenten als »inakzeptabel«.
Am Dienstag vergangener Woche veröffentlichte die Mitarbeitervertretung eine Erklärung, die deutlich macht, dass »der anstehende Besuch des Premierministers in Washington so lange nicht von Angestellten des Außenministeriums organisiert werde, bis die Arbeitsbedingungen denen von Verteidigungsministerium und Mossad angeglichen werden«. Der Regierungschef wird somit wohl die Damen und Herren seines eigenen Büros bemühen. Während der letzten USA-Reise Netanjahus war Gewerkschaftspräsident Ofer Eini eingeschritten, um die Visite »störungsfrei« zu gestalten, wie er damals erklärte. Dieses Mal, so scheint es, beißt er auf Granit. Zu groß ist die Unzufriedenheit der Beamten am roten Teppich.
Gehalt Auch Amnon fühlt sich, als wäre er »vom König zum Bettelmann« geworden. Vier Jahre lang arbeitete der 41-Jährige in einer diplomatischen Vertretung Israels im Ausland. Wo, will er nicht verraten, um »die Kollegen dort nicht in die Pfanne zu hauen«, wie er erklärt. Damals hatte er eine gehobene Position. »Mein Gehalt war super, doch das war es nicht allein. Es gab verschiedene Zulagen für den Auslandsaufenthalt, Kaschrut, Heimatbesuche und anderes«, erinnert er sich. Außerdem gehörte das schicke Apartment, das er in dieser Zeit bewohnte, der Botschaft. Als Gesandter zahlte er lediglich eine geringe Miete. Jetzt ist Amnon bereits seit einigen Jahren wieder in Jerusalem angestellt, wo er einst seine Ausbildung für den diplomatischen Dienst absolviert hatte.
»Und mittlerweile fühle ich mich, wie viele meiner Kollegen, richtig ausgenutzt. Ich kann meine Familie kaum ernähren, die hohe Miete in der Hauptstadt nicht mehr bezahlen.« Nach der Rückkehr in die Heimat sei sein Gehalt um mehr als die Hälfte geschrumpft, statt Zulagen gibt es unbezahlte Überstunden satt. Der Vater von zwei Kindern hat schon lange den Anzug in den Schrank gehängt und geht in Jeans und Sandalen zur Arbeit.
Dienst Er und seine Kollegen finden ihren Widerstand angemessen und richtig, peinlich nur das, was mit ihnen geschieht: »Im diplomatischen Dienst sollen wir immer tiptop aussehen, ständig freundlich sein und so tun, als sei alles perfekt.« Doch das sei es ganz und gar nicht: »Manche von uns müssen abends in ihren schicken Anzügen als Sicherheitsleute arbeiten, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht. Und dann gibt es am roten Teppich nur noch Gegähne statt strahlendes Lächeln.«