Im Norden Gazas kehren die Menschen in ihre Wohngebiete zurück. Nach 15 Monaten Krieg, in dem die Hamas aus zivilen Einrichtungen heraus gekämpft und Zivilisten als Schutzschilde missbraucht hat, sind weite Gebiete verwüstet und rund 70 Prozent der Gebäude im Gazastreifen zerstört oder beschädigt.
Videoaufnahmen in sozialen Medien zeigten kilometerlange Schlangen von Menschen, die zu Fuß über eine ausgewiesene Route am Meer unterwegs waren.
Derweil veröffentlichte die Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) israelischen Medien zufolge ein Video der deutsch-israelischen Geisel Arbel Yehoud. Darin versichert die 29-Jährige ihrer Familie, dass es ihr gut gehe und sie »wie die anderen Frauen« nach Hause kommen werde, berichteten israelische Medien. Ihre Freilassung wurde für Donnerstag angekündigt.
Bruder ermordet
Die junge Frau war während des Überfalls der Hamas und anderer palästinensischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 mit ihrem Freund aus ihrem Haus nach Gaza verschleppt worden. Ihr Bruder, der im selben Ort wohnte, wurde ermordet. Das Massaker mit rund 1200 Toten löste den aktuellen Krieg aus.
Als Zivilistin hätte Yehoud eigentlich schon Samstag freikommen sollen. Die Hamas ließ letztlich aber vier Soldatinnen frei. Wegen dieser Verletzung des Waffenruhe-Deals verzögerte Israel die vereinbarte Rückkehr der palästinensischen Bewohner in den Norden Gazas. Als die Hamas einlenkte und Yehouds Freilassung ankündigte, erlaubte Israel am Montag die Rückkehr der Menschen in den Norden.
Nach Angaben des Medienbüros der Hamas trafen gleich am ersten Tag rund 300.000 Menschen im Norden ein. Unabhängig ließ sich diese Angabe zunächst nicht überprüfen. Aber auch die Vereinten Nationen sprachen auf der Plattform X von »Hunderttausenden«.
Kontrollpunkt für Fahrzeuge
Im Norden hatte Israels Bodenoffensive begonnen. Das Militär riegelte damals den Norden vom Rest des Küstengebiets ab. Hunderttausende Bewohner wurden im Laufe des mehr als 15-monatigen Krieges aufgefordert, zu ihrer eigenen Sicherheit in den Süden zu fliehen, wo sie meist in notdürftigen Zeltlagern hausten.
Die Hamas erwartet nach eigenen Angaben, dass die Zahl der Rückkehrer in den kommenden Tagen auf etwa 600.000 steigen wird. Insgesamt leben im dicht besiedelten Gazastreifen mehr als zwei Millionen Menschen.
Rückkehrer mit Auto müssen einen Kontrollpunkt passieren. Private Sicherheitskräfte eines amerikanischen und eines ägyptischen Unternehmens kontrollieren die Fahrzeuge, um sicherzustellen, dass keine Waffen in den Norden gelangen, wie Medien unter Berufung auf einen ägyptischen Beamten berichteten. Dies sei eine der Bedingungen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu für die zunächst auf sechs Wochen angelegte Waffenruhe gewesen.
7 Geiseln für 290 Häftlinge
Während der ersten Phase der Waffenruhe sollen insgesamt 33 israelische Geiseln gegen 1.904 palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden. Acht der 33 Entführten sind nach Angaben der Hamas tot, die anderen seien am Leben. Israels Regierungssprecher sagte, dass eine von der Hamas übermittelte Liste mit diesen Zahlen mit israelischen Geheimdienstinformationen übereinstimme.
Bisher hat die Hamas sieben junge Frauen gegen 290 Häftlinge freigelassen. Während sich die Geiseln der Hamas nichts zu Schulden kommen ließen, handelt es sich bei vielen der Häftlinge um Terroristen, darunter zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilte Personen, die Israelis bei Anschlägen ermordeten.
Die Vereinten Nationen lehnen derweil die Idee von US-Präsident Donald Trump zur Umsiedlung der palästinensischen Bewohner des Gazastreifens in arabische Länder entschieden ab. »Natürlich wären wir gegen jeden Plan, der zur Zwangsumsiedlung von Menschen führen könnte oder zu irgendeiner Art ethnischer Säuberung«, erklärte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, in New York. Er betonte, dass sich auch Ägypten und Jordanien kritisch zu dem Plan des US-Präsidenten geäußert hätten.
Ägypten und Jordanien
Trump hatte vor Journalisten gesagt, Ägypten und Jordanien könnten die Menschen aufnehmen. Er schlug vor, an einem anderen Ort Wohnungen zu bauen, wo die Palästinenser vielleicht »zur Abwechslung in Frieden leben« könnten. Das könne vorübergehend oder langfristig sein, entgegnete er auf eine Journalistenfrage.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas warnt vor einer möglichen Vertreibung der Bewohner des Küstenstreifens. Aus seiner Sicht wäre das »eine eklatante Verletzung der roten Linien«. Abbas, der vor 19 Jahren für vier Jahre gewählt wurde, unterstützt den Terror gegen Israel, indem er sogenannten »Märtyrern« Terror-Renten bezahlt. Dies räumt er offen ein. dpa/ja