Tel Aviv

Rennen unterm Regenbogen

Wahlkampf, der Spaß macht: Nitzan Horowitz (2.v.r.) Foto: Flash 90

Tel Aviv gilt als eine der schwulenfreundlichsten Städte der Welt. Diese Errungenschaft kann sich ohne Weiteres der amtierende Bürgermeister Ron Huldai (Arbeitspartei) auf die Regenbogenfahne schreiben.

In seinen bisherigen 15 Jahren auf dem Chefsessel der Stadtverwaltung am Yitzhak-Rabin-Platz unterstützte Huldai die schwul-lesbische Gemeinschaft in vielen Bereichen und ließ keinen Zweifel offen, dass er die Homosexuellen nicht nur als lebendigen, sondern als bedeutenden Teil seiner Stadt sieht. So war die Gay-Pride-Parade in diesem Sommer nicht mehr nur Pride, sondern auch Politik.

Als Hunderttausende ihre bunte Einstellung zum Leben feierten, waren die Kandidaten im Bürgermeister-Rennen, Ron Huldai und Nitzan Horowitz, mittendrin. Zwar geht es erst im Oktober an die Wahlurnen, doch die Pride-Parade war eindeutig der Auftakt zum offiziellen Wettbewerb um den Bürgermeisterposten in der israelischen Metropole.

Verfechter So viel der erste Mann der Stadt auch für die homosexuelle Gemeinde getan hat, der Herausforderer ist einer von ihnen. Horowitz, der für die Linkspartei Meretz in der Knesset sitzt, lebt sein Schwulsein offen und ist einer der vehementesten parlamentarischen Verfechter der Gleichberechtigung von Homosexuellen.

Sind die Regenbogenflaggen eingepackt, wird es allerdings nicht ausreichen, nur die »pinke Community«, wie sich die Schwulen und Lesben selbst oft nennen, für sich zu gewinnen. Das weiß Horowitz und setzt auf die Überzeugung, dass es insgesamt eines frischen Windes bedarf. »Es ist aufregend und stimulierend«, sagte er bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur vor wenigen Monaten in einer Bar in der Stadt, »und eine riesige Herausforderung«. Der 49-Jährige will sie annehmen. Weil er Tel Aviv über alles liebe und sich nicht vorstellen könne, irgendwo anders zu leben, sagt Horowitz.

Vor allem will er die Jungen und sozial Schwachen für sich gewinnen, deren Leben sich in den vergangenen Jahren besonders in finanzieller Hinsicht nicht verbessert, sondern eher verschlechtert hat. Wohnraum etwa ist noch teurer geworden. Zudem nehmen es dem bisherigen Bürgermeister noch immer viele junge Leute übel, dass er sich gegen die großen sozialen Proteste vom Sommer 2011 aussprach und am Ende sogar die Zeltstädte der Demonstranten räumen ließ.

Rückzieher Die Anführerin der Proteste, Daphni Leef, hatte ebenfalls angekündigt, ins Rennen einzusteigen. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb sie im späten Frühjahr: »Ich werde nicht lügen – ich ziehe es ernsthaft in Erwägung, für den Job zu kandidieren.« Umfragen bescheinigten der 28-Jährigen, dass sie sogar echte Chancen hätte, den Veteranen Huldai abzulösen. Eine Woche später jedoch brummte das soziale Netzwerk erneut: »Bitte teilen – ich trete nicht für den Bürgermeisterposten an.« Eine weitere Erklärung gab es nicht.

Auch der ultralinke Dov Khenin von der Chadasch-Partei und Mitglied der Bewegung Ir Lekulanu (»Die Stadt für uns alle«) hat sich nach einer Zusage nun wieder aus dem Wahlkampf zurückgezogen. Bei der vergangenen Wahl vor vier Jahren war er gegen Huldai angetreten und unterlag mit 34 zu 51 Prozent der Stimmen.

Pulverfass Horowitz hat fest vor, zu gewinnen. Obwohl er dem Amtsinhaber bescheinigt, auch Gutes für die Stadt getan zu haben, greift er dessen Politik direkt an: »Es geht hier um die Jungen, die Alten, die kleinen Geschäftsleute, die Mittelklasse. Mit der Haltung des jetzigen Bürgermeisters werden Menschen wie wir aus der Stadt gekickt, und Tel Aviv wird ein Ort für die Superreichen.« Zahlreiche Luxus-Hochhäuser würden gebaut, zu »schweinischen Preisen«, wie Horowitz es ausdrückt, und dann stünden sie leer. Junge Familien und alte Leute indes könnten es sich immer weniger leisten, in der Stadt zu wohnen.

Ebenso kritisiert er die Lage in den südlichen Vierteln der Stadt, wo alteingesessene Einwohner immer häufiger mit Migranten, vornehmlich aus Afrika, aneinandergeraten. »Die Situation ist nicht zu tolerieren«, so Horowitz. »Es ist ein Pulverfass, und um das zu sehen, muss man kein Soziologe sein.« Er hat sogar eine Lösung parat: »Man muss das weitere Hereinströmen von Gastarbeitern und Migranten blockieren und denen, die bereits bei uns im Land sind, eine Arbeitserlaubnis geben.«

Trotz der vielen Kritik an den Fehlentwicklungen in der Stadt ist sich Horowitz sicher: »Tel Aviv ist ein toller Ort mit viel Charme.« Allerdings sei er das nicht »wegen Huldai – sondern trotz Huldai«.

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