Pässe

Reisefreiheit

Mit einem israelischen Pass ist an vielen Grenzen in der Region Endstation, mit dem deutschen nicht. Foto: Fotolia, (M) Frank Albinus

Es ist nicht so, dass Israel hinter einem eisernen Vorhang liegt. Auch herrschen Reisebeschränkungen für die meisten Einwohner des Landes lediglich im geografischen Bereich. Dennoch haben es Israelis mit ihren Pässen nicht immer leicht. Arabische Länder sagen bei Einreise aus dem jüdischen Staat meist kategorisch »Nein«, die USA und andere verlangen einen bürokratischen Riesenaufwand für ein Visum. Viele Israelis hätten es gern weniger umständlich und besinnen sich auf ihre Wurzeln. Europäische Pässe sind heiß begehrt.

In den Ländervertretungen der verschiedenen Staaten Europas werden die Schlangen der Menschen, die Pässe beantragen wollen, immer länger. Die deutsche Botschaft in Tel Aviv bestätigt, dass die Zahlen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind. 2007 stellten 6.100 Israelis einen Antrag, 2008 waren es 6.400, 2009 noch einmal 500 mehr und im vergangenen Jahr 7.242 Menschen. »Zwar kommen auch in Krisenzeiten mehr Leute für Reisepässe zu uns«, sagt die Pressesprecherin, »doch es gibt klar einen Trend nach oben.«

Anträge Auch die Nachfahren der Jeckes, der deutschen Juden, haben keine Bedenken mehr, deutsche Papiere zu verlangen. Die Zahl der Anträge auf eine deutsche Staatsbürgerschaft sei heute zehnmal so hoch wie jene für andere europäische Staaten, schrieb die auflagenstärkste Tageszeitung Yedioth Ahronoth vor Kurzem.

Anrecht auf einen Pass der Bundesrepublik haben hauptsächlich die Nachfahren deutscher Juden, die im Dritten Reich von den Nazis rechtswidrig ausgebürgert worden waren. Angeblich haben heute bereits mehr als 100.000 Israelis das bordeauxfarbene Papier.

Auch die Familiemitglider von Galit Agam aus Haifa besitzen das Reisedokument. Für sie bedeutet es eine »Reihe von Möglichkeiten«. Ganz wohl hat sich Galit anfangs allerdings nicht damit gefühlt: »Ich musste plötzlich an meine Großeltern denken, an deren Familien, die alle in der Schoa gelitten haben. Ich wusste nicht, was sie darüber denken würden, wären sie noch am Leben, dass wir jetzt auch Deutsche sind.«

Formsache Besonders die Tatsache, dass man den deutschen Behörden melden müsse, wenn einer der Söhne den Dienst in der israelischen Armee über die Wehrpflicht hinaus freiwillig verlängere, irritierte sie. Reine Formsache, versicherte die Botschaft.

Trotz der Bedenken sind Galit und ihr Mann Rafi überzeugt, das Richtige getan zu haben. Rafi, Küchenchef mit eigenem Restaurant in der Hafenstadt, reist viel. »Und der deutsche Pass erleichtert das ungemein«, betont er. »Ich komme jetzt sogar ganz ohne Probleme in Länder, die vorher Schwierigkeiten gemacht haben, Marokko oder Tunesien etwa.« Galit ist vor allem die Bedeutung einer weiteren Staatsbürgerschaft für ihre drei Söhne wichtig.

»Wer weiß, was sie einmal vorhaben, was sie studieren oder wo sie leben möchten? Sie müssen den Pass ja nicht nutzen, aber sie können. Und das ist toll.« Auch als Versicherung in Krisenzeiten sei das Papier nicht zu verachten, finden die Agams. Zwar hätten sie keine Emigrationspläne – im Gegenteil, sie haben gerade ein Haus gekauft –, dennoch »schlafe man damit ein bisschen ruhiger im instabilen Nahen Osten«.

Emigration Egal, wie laut das politische Säbelrasseln gerade ist, nach Regierungsangaben ziehen nur zwei von 100 jüdischen Israelis eine Emigration tatsächlich in Erwägung. Entsprechend der neuen Studie des Ministeriums für Diplomatie und Diaspora sieht der überdurchschnittliche Teil der Einwohner Israel als endgültige Heimat an. Die Studie untersuchte die Nuancen der Ernsthaftigkeit eines derartigen Schrittes. 20 Prozent sehen es als vage Möglichkeit an, der Rest überhaupt nicht. Etwa ein Drittel hat sogar noch nie im Leben über einen Wegzug nachgedacht, 33 Prozent dagegen schon. Diese Gruppe spielte aber eher mit dem Gedanken, mehr ist nie daraus geworden.

Dennoch sieht man immer mehr Israelis an den Passkontrollen der Flughäfen von Berlin, Köln, Paris oder London stehen, ihre französischen, deutschen oder österreichischen Pässe für die Einreise gezückt. Viele junge Leute aus dem Heiligen
Land zieht es für eine Weile ins Ausland, vor allem in die bei ihnen beliebteste Metropole überhaupt – nach Berlin.

»Und da ist es doch klasse, wenn man einen europäischen Pass hat, der macht alles viel leichter«, meint Or Levy, der gerade nach einem Jahr in Deutschland nach Israel zurückgekehrt ist. Nun überlegt er, ob er sich an einer deutschen Uni fürs Studium einschreibt.

Vorfahren Efrat, Mutter von zwei Töchtern aus Herzliya, hat vor drei Jahren slowenische Papiere für die gesamte Familie erhalten. Ihr Großvater stammte aus der Region, war im Holocaust verfolgt worden und floh ins damalige Palästina. Seine Nachfahren haben allesamt Anspruch auf Pässe des heutigen Slowenien. Efrat machte Gebrauch davon. Ausschließlich Gutes hat sie nicht erlebt. »Die Angestellte in der Botschaft wollte einen Beweis, dass ich Slowenisch spreche, und weigerte sich, als sie merkte, dass ich es nicht kann. Erst als ich sagte, dass es ja wohl einen Grund habe, weshalb wir dort nicht geboren sind, willigte sie ein.«

Dennoch ist auch sie zufrieden mit ihrer Entscheidung. »Es sind zwar keine deutschen oder französischen Papiere, aber immerhin europäische. Und die zu haben, kann nie schaden.« Mal eben im Nachbarland ein verlängertes Wochenende einlegen, wie es Europäer nur zu gern tun, ginge ja kaum. »Die Pässe geben mir aber das Gefühl, dass es jetzt auch für uns leichter ist, einfach so durch die Welt zu reisen.«

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