Israels Verteidigungsminister Yoav Galant hat seinen eigenen Regierungschef, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, für dessen Gaza-Politik kritisiert. In einer Rede rief er ihn dazu auf, zu erklären, dass Israel den Gazastreifen nach dem Krieg nicht kontrollieren werde – weder durch eine zivile Regierung noch durch das Militär.
Es müsse sofort eine Führungsalternative für die palästinensische Terrororganisation Hamas für die Zeit nach dem Krieg gefunden und benannt werden, so Galant. Dies liege auch im nationalen Interesse Israels.
Der Verteidigungschef erklärte am Mittwoch, dass die Streitkräfte (IDF) nach dem Versagen beim Schutz Israels am 7. Oktober 2023 auch außerordentliche Leistungen an den Tag gelegt hätten. Die Truppen und Kommandeure führten ihre Mission engagiert aus und gingen entschlossen sowie professionell vor. Zugleich bedauerte Galant den Verlust der Gefallenen.
Negative Optionen
Der Militäreinsatz habe zu Ergebnissen geführt: Die Hamas sei keine funktionierende militärische Organisation mehr, da die meisten Bataillone der Terrorgruppe zerstört worden seien. Laut Galant sind die Terroristen nur noch als Einzelkämpfer oder in kleinen Gruppen aktiv.
Allerdings müsse dafür gesorgt werden, dass die Hamas das zivile Leben in Gaza nicht mehr kontrolliere. Um dieses Ziel zu erreichen, sei die Militäraktion in Gange. Erforderlich sei aber auch der Einsatz einer Regierungsalternative im Küstenstreifen.
Der Verteidigungsminister machte klar: »Solange es diese Regierungsalternative nicht gibt, bleiben nur zwei negative Optionen: eine Hamas-Führung oder eine israelische Militärführung.« Das Fehlen einer Entscheidung über die Zukunft Gazas gefährdet laut Galant die erreichten militärischen Erfolge. Zudem lasse der Druck auf den palästinensischen Terror auf diese Weise nach.
Keine Antwort
Der Minister merkte zudem an, er habe die Frage einer neuen Führung für Gaza im Kabinett mehrfach angesprochen, jedoch nie eine Antwort erhalten. Bereits im Oktober sei ein Kriegsplan vorgestellt worden, der eine Zerschlagung der Hamas vorgesehen habe, während parallel eine nicht feindliche, palästinensische Regierungsalternative eingesetzt werden sollte.
»Das Ende der Militäraktion muss mit politischem Handeln zusammenfallen«, so Galant. Nur so könne es ein Gaza ohne Hamas-Führung geben. »Das Fehlen einer Entscheidung ist gewissermaßen eine Entscheidung«, betonte der Minister in seiner Rede. Dies führe auf einen »gefährlichen Kurs« zu einer militärischen und zivilen Führung Israels in Gaza. Er werde dies jedoch nicht unterstützen, stellte Yoav Galant klar.
Die Antwort von Netanjahu ließ nicht lange auf sich warten: Diskussionen über den »Tag danach« in Gaza seien sinnlos, bevor die Hamas besiegt worden sei. Er sei nicht bereit, »Hamastan« durch »Fatahstan« zu ersetzen, so der Regierungschef. Damit spielte er auf die Fatah-Bewegung an, die die Palästinensische Autonomiebehörde dominiert.
Smotrich gegen Gantz
Rechte Minister aus Netanjahus Regierungskoalition, nämlich Finanzminister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, der Minister für Nationale Sicherheit, nahmen ebenfalls an der Diskussion teil, indem sie eine sofortige Entlassung Galants forderten.
Der Verteidigungsminister erhielt aber auch Rückendeckung, nämlich von Benny Gantz, der im Gegensatz zu Smotrich und Gvir Mitglied des Kriegskabinetts ist: »Der Verteidigungsminister sagt die Wahrheit.« Die Führung müsse das Richtige für das Land tun, koste es, was es wolle.
Ein Ende des Streits innerhalb der Regierung ist bisher nicht in Sicht.