Sein Blick ist müde, fast verzweifelt. Mariano Idelman sitzt auf einer Parkbank und schaut in die Kamera, im Hintergrund plätschert melancholische Musik. »Ich hätte gern einen Job, egal welchen«, sagt er, »aber finde einfach keinen«. Als Krankenpfleger? »Ach nein, Windeln wechsle ich nicht.« In der Landwirtschaft? »Geht nicht, gegen Bananenstaub bin ich allergisch.« So geht es einige Angebote weiter, bis sich der Kamerawinkel weitet und man neben Idelman einen Afrikaner sitzen sieht. Schließlich lässt sich der Jobsuchende von dem kräftigen Mann wegtragen – er ist zu faul zum Selberlaufen. Wer Idelman kennt, weiß, dass er Israels Top-Comedian ist, der regelmäßig in der erfolgreichen Satiresendung »Eretz Nehederet« auftritt. Hintergrund für den Sketch am vergangenen Freitag: die neue Kampagne des Innenministeriums, in der Israelis sich beschweren, ausländische Arbeiter würden ihnen die Arbeit wegnehmen.
TV- und Radiospots Unter dem Titel »Zerstört nicht unsere Existenzgrundlage« hat das Innenministerium gewöhnliche Israelis wie Familienvater Eli Schemesch oder Studentin Noa Harel vor die Kamera gesetzt, die gern Kinder betreuen oder putzen gehen würde. Angeblich jedoch findet sie keine Arbeit, denn »jedes Mal, wenn du illegal einen Fremdarbeiter beschäftigst, bringst du einen Israeli um seine Anstellung«, erläutert Noa mit hängendem Kopf im Fernsehen. Ähnliche Spots laufen im Radio. Dass es eventuell einen anderen Zusammenhang von Faktoren geben könnte, etwa zwischen Arbeitslosigkeit und Armut oder der Wirtschaftspolitik, wird mit keinem Wort erwähnt.
Ebenso hat keinen Platz in der Kampagne, dass der Staat Zehntausende von Arbeitsmigranten ins Land geholt hat und noch immer holt, erklärt Hani Ben Israel, Anwalt bei Kaw La Oved, der Organisation, die sich für die Rechte von ausländischen Arbeitern einsetzt. »Das Problem ist, dass es keine Langzeitpolitik für diese Menschen gibt, die so gut wie sich selbst überlassen sind.« Auch werde totgeschwiegen, dass Arbeitsschutzmaßnahmen schwach oder gar nicht umgesetzt werden. »Manche Arbeitsbereiche wie die Krankenpflege oder Landwirtschaft werden zu regelrechten Beschäftigungsghettos, in denen Gesetze nicht mehr als ein Gerücht sind, die jeden Israeli davon abhalten, dort einen Job zu übernehmen.«
»Das Innenministerium jedoch verschweigt diese und mehr Fakten und will uns stattdessen mit dem Quatsch füttern, dass die Fremden schuld sind«, so Ben Israel. Währenddessen bauten zynische Politiker ihre Karrieren darauf auf, schwache soziale Gruppen aufeinanderzuhetzen. »Ich bin geschockt, wie hoch der Grad an Populismus, Heuchelei und Fremdenfeindlichkeit ist, den uns das Ministerium mit dieser Kampagne als Immigrationspolitik verkaufen will.«
Aktion Bereits vor den Pessachfeiertagen fiel das Ministerium mit einer anderen Aktion unangenehm auf: Die Männer der sogenannten Oz-Einheit, die illegale Arbeiter festnehmen soll, um sie zu deportieren, waren verstärkt vor den Feiertagen im Einsatz. Name der Aktion: »Sauber und ordentlich«. Jehuda Ben Esra, Leiter der Einheit, erklärte: »Fremdarbeiter dürfen nur in der Landwirtschaft, am Bau, in der Pflege von älteren Menschen oder in ethnischen Restaurants arbeiten. Auch wenn sie eine Arbeitserlaubnis haben, ist es verboten, sie in anderen Bereichen einzustellen.« Die Strafen für den Arbeitgeber belaufen sich auf 2.000 bis 20.000 Euro, der Arbeiter kann abgeschoben werden. »Wir hoffen, dass diese Aktion eine Warnung an alle ist und dazu beiträgt, Israelis zu beschäftigen«, betonte Ben Esra. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Aktion und besonders deren Titel: »Menschen sind kein Dreck, und Israel müsste nicht davon bereinigt werden«. Schätzungsweise leben derzeit 125.000 illegale Arbeiter im Land.
Kritik Auch Yuwal Hadari ist entsetzt. »Ich habe meinen Augen nicht getraut«, sagt der Vater von zwei Kindern. »Als ich die Spots zum ersten Mal sah, war ich zutiefst verletzt und dachte, das kann es bei uns doch nicht geben, doch nicht von einem Ministerium. Es ist keine Aufklärung, sondern pure Hetze. Einfach widerlich.«
Hadari, der im Zentrum von Tel Aviv wohnt, sieht in seiner Umgebung oft Frauen und Männer aus afrikanischen Ländern und hat kein Problem damit. Im Gegenteil: »Ich spende ab und zu Kleider und Babynahrung, und sie sind immer sehr nett. Wir alle sind schließlich einmal als Flüchtlinge hergekommen, daran sollten wir uns erinnern. Innenminister Eli Yishai hat sich zum schlimmsten Ausländerfeind innerhalb der Regierung entwickelt. Dass so etwas im israelischen Fernsehen läuft – dafür schäme ich mich.«