Die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigte Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar hat unter Netanjahus Kritikern große Empörung ausgelöst. Mehrere Organisationen riefen für Dienstag und Mittwoch zu Protestkundgebungen gegen den umstrittenen Schritt auf. Oppositionsführer Yair Lapid kündigte eine Klage seiner Zukunftspartei gegen die Entlassung an.
Netanjahu hatte am Sonntagabend in einer Videobotschaft die Entlassung von Ronen Bar angekündigt. Als Grund nannte er einen »Mangel an Vertrauen« in den Geheimdienstchef. Israel befinde sich in einem Überlebenskampf und die Entlassung Bars sei ein notwendiger Schritt, »um unsere Kriegsziele zu erreichen und die nächste Tragödie zu verhindern«. Er wolle die Entscheidung diese Woche von der Regierung billigen lassen.
Netanjahu hatte Bar zuletzt bereits aus dem israelischen Verhandlungsteam bei den indirekten Gesprächen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas genommen. Die Beziehung zwischen Netanjahu und Bar gilt seit längerem als belastet. In einer Untersuchung des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet über die Fehler, die das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 ermöglicht hatten, war Netanjahus Politik zuletzt auch kritisiert worden.
Untersuchung notwendig
Außerdem ermittelt Schin Bet zu mutmaßlichen illegalen Beziehungen von Vertrauten Netanjahus mit Katar. Katar gehört zu den Vermittlern bei den indirekten Gesprächen mit der Hamas, gilt aber auch als Unterstützer der Terrororganisation.
Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara teilte am Sonntagabend mit, Netanjahu könne Bar nicht vor einer gründlichen juristischen Untersuchung der Umstände entlassen. Es bestehe die Sorge, »dass der Prozess durch Illegalität und Interessenkonflikte befleckt« sei. Gegen Netanjahu läuft seit mehreren Jahren ein Korruptionsprozess.
In einem Protestaufruf der Organisation »Chomat Magen Leisrael« (Verteidigungsmauer für Israel) hieß es unter anderem: »Wir warnen die israelische Öffentlichkeit, dass die Entlassung des Schin-Bet-Chefs und die Ernennung einer Marionette nicht nur zur Vertuschung der Katargate-Affäre führen, sondern Israel de facto in eine Diktatur verwandeln wird, in der der Inlandsgeheimdienst als Instrument des Ministerpräsidenten und der Regierungspartei dient.«
Feinde nutzten Spaltung
Der Gründungsredakteur der »Times of Israel«, David Horovitz, schrieb zu Netanjahus Schritt, der Ministerpräsident wolle damit seine »persönliche Kontrolle Israels verstärken«. Er stürze Israel damit zurück in die Krise, die seine rechtsreligiöse Regierung bereits Anfang 2023 mit dem höchst umstrittenen Justizumbau ausgelöst habe.
»Jetzt riskiert er erneut, das Land zu zerreißen, offenbar gleichgültig der Tatsache gegenüber, dass die Spaltung 2023 Israels Feinde ermutigt hatte, und Israel sich heute immer noch mitten in dem darauffolgenden Krieg gegen die Hamas befindet und immer noch versucht, seine Geiseln aus der Gefangenschaft in Gaza zu befreien«, schrieb Horovitz. dpa/ja