Statt durch ein Spalier aus Freunden und Familie zu schreiten, mussten Morel Malka und Mahmoud Mansour von einem Großaufgebot der Polizei geschützt werden, um zu ihrer eigenen Hochzeitsfeier zu gelangen. Die Heirat des Muslims und der gebürtigen Jüdin in Rischon Lezion sorgte in Israel für ungeahnten Wirbel. Rund 200 Extremisten protestierten vor der Party gegen die Verbindung der beiden, hielten Plakate mit rassistischen Parolen in die Höhe und schrien hasserfüllte Beleidigungen.
Offiziell verheiratet ist das Paar, das sich seit fünf Jahren kennt, schon seit einigen Tagen. Die Braut war dafür zum Islam übergetreten. Das alles sollte am Sonntagabend gefeiert werden. Doch als die Organisation »Lehava« von dem Ereignis erfuhr, war für Morel und Mahmoud nichts mehr wie vorher. Die jungen Leute aus Jaffa wurden in Internetforen aufs Übelste beschimpft.
Die beiden waren schockiert. Noch nie habe man mit Anfeindungen und Rassismus dieser Art zu tun gehabt, ließ Mansour über seinen Anwalt mitteilen. Seine Braut sei zwar sehr traurig über diese Entwicklung, würde jedoch ihre Entscheidung in keiner Weise anzweifeln. Morels Mutter steht ihrer Tochter bei und kam zur Hochzeit, ihr Vater jedoch lehnt ihre Beziehung zu einem Moslem ab. Am Morgen der Feier waren Hunderte Freunde und Nachbarn gekommen, um das Paar zu unterstützen. »Das macht mich glücklich«, sagte die 23-jährige Braut zu Reportern.
Flamme Das hebräische Wort Lehava steht für Flamme und ist gleichzeitig die Abkürzung des Gruppennamens »Gegen Assimilierung im Heiligen Land«. Ihre Vertreter sind in der jüdischen rechten Ecke angesiedelt. Mit Assimilierung meinen sie die Heirat zwischen Juden und Moslems. Und die wollen sie verhindern – koste es, was es wolle. Dafür machen sie auch vor offenem Rassismus nicht halt, reden von »reinem jüdischen Blut« und »israelischen Töchtern, die dem israelischen Volk« vorbehalten seien.
Die von Mahmoud und Malka ist nicht die einzige gemischte Ehe in Israel. Zwar werden Partnerschaften zwischen Juden und Moslems oft von Freunden und Familienangehörigen – auf beiden Seiten – nicht besonders geschätzt, doch bislang ist die Diskussion über eine derart private Angelegenheit kaum in der Öffentlichkeit ausgetragen worden. Dass das gerade jetzt geschieht, mag auch an der aktuellen politischen Lage liegen. Um die jüdisch-arabischen Beziehungen im Heiligen Land ist es seit der israelischen Militäroperation im Gazastreifen nicht sonderlich gut bestellt. »Protective Edge« wird von der großen Mehrheit der jüdischen Israelis unterstützt, während sie von den arabischen Israelis weitgehend abgelehnt wird. In Zeiten des Krieges scheinen die Emotionen schneller als gewöhnlich hochzukochen.
Koexistenz So etwa auch im Fall des arabischen Arztes Ali Zoabi, der ein Stück Land in dem jüdischen Moschaw Nurit kaufte und sein Haus darauf plant. Der beliebte Mediziner schien bei allen anderen Gemeindemitgliedern herzlich willkommen zu sein. Bis zu dem Moment, als sein Sohn ein Bild von sich im Internet postete – mit einer palästinensischen Flagge in der Hand.
Und auf eimal war die Hölle los. Auf Facebook und WhatsApp wurden Gruppen gegründet, die besprachen, wie man den Arzt »wieder loswerde«. Ein Mitglied schlug vor, ihm gehörig Angst einzujagen. Man solle ihm klarmachen, dass er hier keine ruhige Minute verbringen kann. Ein anderer schrieb sogar, dass man die Fahne und den Jungen verbrennen solle. Ein Ausspruch, der im Angesicht der jüngsten Geschehnisse in Israel zutiefst schockiert.
Die Polizei bleibt derweil gegenüber Aufwiegelungen keineswegs untätig. Drei Fußballfans von Maccabi Tel Aviv etwa, die einen arabischen Kicker mit rassistischen Sprüchen beleidigt haben sollen, wurden am Dienstagmorgen festgenommen.
Und es gibt auch besonnene Stimmen, die sich gerade jetzt deutlich für die Koexistenz aussprechen. Allen voran der neue Staatspräsident Reuven Rivlin. Auf seiner Facebook-Seite warnte er vor den Aufwiegelungen der Gruppe Lehava und schrieb: »Mahmoud und Morel haben sich entschieden, ihre Freiheit in einem demokratischen Land auszüben. Die Hasstiraden gegen sie sind ärgerlich und machen wütend. Nicht jeder muss ihr Glück teilen, aber jeder muss es respektieren. Rassismus und Hass haben keinen Platz in der israelischen Gesellschaft.« Und weiter: »Ich wünsche dem jungen Paar Gesundheit, Zufriedenheit und viel Glück!«
Solidarität Gesundheitsministerin Yael German stimmte ein. »Möge eure Hochzeit dazu beitragen, dass Israel eine tolerantere und pluralistischere Gesellschaft wird«, richtete sie dem Paar aus.
Finanzminister Yair Lapid nannte die Demonstration bei der Heirat »eine hässliche Aktion von einer hässlichen Gruppe. Auch wenn wir nicht mit allem übereinstimmen, müssen wir doch Toleranz zeigen«. Gleichzeitig betonte Lapid, es würde ihn »sehr stören, wenn mein Sohn eine Nichtjüdin heiraten würde«.
Der jüdische Israeli Guy Ronen organisierte für Morel und Mahmoud am Abend der Feier eine Gegendemonstration. Mit Ballons, Blumen und Herzbildern direkt vor dem Eingang der Festhalle. »Es ist eine Hochzeit, da darf sich niemand einmischen«, sagte er, während die roten Luftballons im Abendwind flatterten. »Wie alle Menschen, so haben auch sie das Recht, ihre Liebe frei zu wählen.«