Die arabische Raam-Partei hat am vergangenen Sonntag mitgeteilt, sie setze ihre Beteiligung an der Koalition von Regierungschef Naftali Bennett vorerst aus. Die Partei reagierte damit nach Medienberichten auf Druck aus den eigenen Reihen, wegen des Vorgehens der israelischen Polizei auf dem Tempelberg aus der Regierung auszuscheiden.
Am vergangenen Wochenende war es auf dem Tempelberg erneut zu Konfrontationen gekommen. Vor geplanten Besuchen von jüdischen Pilgern hätten Hunderte junge größtenteils maskierte Muslime mit Steinen und Eisenstangen Hindernisse errichtet, um den Zugang zu blockieren, teilte die israelische Polizei mit. Nach Medienberichten kam es daraufhin zu Auseinandersetzungen zwischen Polizeikräften und Palästinensern auf der Anlage, mehrere Muslime seien dabei verletzt worden.
sitzungspause Weil das Parlament noch bis zum 8. Mai in einer Sitzungspause ist, hat die Entscheidung der Raam-Partei jedoch zunächst keinerlei praktische Auswirkungen. Das könnte sich nach Ansicht von Experten allerdings ändern. So sagte Wadi’a Awawdeh, ein Politik-Kommentator des arabischsprachigen Radiosenders Nas, der »Times of Israel«, der »Druck der Straße« habe die »islamische Bewegung dazu gebracht, ihre politische Partei Raam zu drängen, etwas zu tun«. Das Vorgehen der israelischen Polizei auf dem Tempelberg schüre nun die Wut, sagte Awawdeh.
Die Entscheidung von Raam-Parteichef Mansour Abbas vom Sonntag gefährdet die ohnehin schon wackelige Koalition. Raam ist mit vier Abgeordneten in der Knesset, dem israelischen Parlament, vertreten.
Regierungschef Bennett bemüht sich nach Medienberichten um eine Beruhigung der Lage. Seine Acht-Parteien-Koalition hatte vor rund zwei Wochen bereits ihre hauchdünne Mehrheit im Parlament verloren. Eine Abgeordnete von Bennetts Jamina-Partei war überraschend aus der Koalition ausgetreten. Anlass war ein Streit über religiöse Angelegenheiten.
Raam-Chef Abbas fordert, dass Israel auf dem Tempelberg zum Status quo von vor 2000 zurückkehrt.
Die Regierung Bennetts war Mitte Juni vergangenen Jahres vereidigt worden. Damit fand die politische Dauerkrise in Israel mit vier Wahlen binnen zwei Jahren ihr vorläufiges Ende. Die Koalition wurde von insgesamt acht Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum getragen – darunter mit Raam auch erstmals eine arabische Partei.
STATUS QUO Am Montag sagte Abbas in einem Radiointerview, er wolle, dass Israel auf dem Tempelberg zum Status quo von vor 2000 zurückkehrt. Auch wenn er nicht näher darauf einging, was damit gemeint war, so sei dieser Zeitraum laut Awawdeh von Bedeutung, da Israel damals den Zutritt jüdischer Besucher zum Tempelberg mit dem jordanischen Waqf koordinierte.
Die Forderungen spiegeln nach Ansicht von Raam-Parteigenossen Abbas‹ prekäre Lage wider: Eine Rückkehr in die Koalition sei demnach nicht nur eine Rückkehr zu Anfang April, bevor es zu den Unruhen auf dem Tempelberg kam. Schon im April 2021, vor den Parlamentswahlen in Israel, sei ein ideologischer Kompromiss mit der Bennett-geführten Regierung politisch nicht vertretbar gewesen. Salih Ryan, der Bürgermeister von Kabul, einer arabischen Kleinstadt im Norden Israels, sagte, die Frustration über Abbas‹ Vorgehen sei so sehr spürbar, dass »die Leute anfangen zu sagen, dass es sogar mit Netanjahu einfacher« war. Zumindest habe dieser »die extreme Rechte nicht zu Provokationen verleitet«.
Dass die Koalitionsmitgliedschaft nun auf Eis liege, sei mehr als das, wie Ryan der »Times of Israel« am Dienstag sagte. »Es gibt eine wirklich harte Spaltung innerhalb von Raam, ob sie in der Regierung bleiben soll oder nicht.« ksh (mit dpa)