Sie sitzen auf gelben Plastikstühlen im Sand, die Füße von Wellen umspült. Auf ihrem Schoß balancieren sie Laptop, Handy und kühle Cocktails, hinter ihnen liegt die Skyline von Tel Aviv in der Mittagssonne. Josy und Jeff Rose aus Seattle machen Ferien in Israel. »So muss ein perfekter Urlaubstag aussehen«, finden sie und schießen ein Selfie für die Daheimgebliebenen. Die Touristen sind wieder da.
Das Tourismusministerium veröffentlichte am Wochenbeginn die aktuellen Zahlen: Im vergangenen Monat besuchten rund 245.000 ausländische Gäste das Land – 26 Prozent mehr als im Juli des Vorjahres, als der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen begann. Damals flogen Tausende Raketen der Terrororganisation Richtung Israel, einige wurden sogar auf Tel Aviv und Jerusalem abgefeuert.
Doch das scheint dieser Tage vergessen: Auf dem bunten Carmelmarkt in Tel Aviv hört man fast mehr Französisch als Iwrit, in Jerusalem tummeln sich die christlichen Pilger vor den Kirchen und heiligen Stätten, im Galil düsen Besucher aus Deutschland auf Mietfahrrädern um den Kinneret. Sie fächern sich ein wenig Kühle zu, funktionieren ihre Regen- zu Sonnenschirmen um, setzen sich fast trotzig den extremen Temperaturen aus, um bloß nichts vom Heiligen Land zu verpassen.
berauscht »Es ist hier wirklich unglaublich heiß«, stöhnt Danuta Budka aus Warschau und wischt sich lachend die Schweißperlen von der Stirn. »Aber das macht nichts. Es war schon immer mein Traum, ins Heilige Land zu reisen. Letztes Jahr hätte ich fast einen Flug gebucht, doch dann gab es ja diese Unruhen. Das war schlimm, und ich war sehr traurig. Aber jetzt bin ich endlich hier. Da können mir auch keine 35 Grad etwas anhaben.«
Die gläubige Christin pilgerte mit einer Reisegruppe zu den Kirchen und Sehenswürdigkeiten in und um Jerusalem, wandelte am See Genezareth auf Jesu Pfaden und hängt jetzt noch ein paar Tage Badeurlaub in Tel Aviv dran, weil es so schön ist und sie am liebsten gar nicht mehr nach Hause möchte. »Immerhin weiß ich, dass ich wiederkomme. Ich bin regelrecht berauscht von der Lebendigkeit Israels.«
Auch Mustafa Ben-Moussa, Souvenirverkäufer in Jaffa, heißt die Touristenscharen willkommen. »Die Ausländer sind endlich wieder da – und ich kann aufatmen. Nach dem schrecklichen Sommer vom letzten Jahr, als nichts mehr ging und niemand mehr kam, normalisiert es sich jetzt wieder. Es wurde höchste Zeit, sonst hätte mir die Flaute wirtschaftlich das Genick gebrochen.« Sonnenhüte und kühle Getränke sind übrigens der Renner an seinem Stand.
Vor der Bäckerei Aboulafia, einer Institution direkt am Uhrenturm von Jaffa, stehen die Menschen an diesem Sonntagmorgen Schlange. Auch hier hört man öfter andere Sprachen als das lokale Hebräisch oder Arabisch. Viele Touristen wollen den Flohmarkt um die Ecke besuchen. Auch Stacey Stiller aus Kalifornien. Sie kennt Israel schon lange und ist immer wieder gern hier, um ihre Freunde und Bekannten zu besuchen. »Aber letztes Jahr habe ich, ehrlich gesagt, einen Rückzieher gemacht. Ich hatte fest vor, zu kommen, doch meine Eltern wären verrückt geworden vor Sorge. Da habe ich es schweren Herzens gelassen. Doch jetzt mache ich es mit drei vollen Wochen wieder gut.«
Für die ehemalige Kibbuz-Helferin ist das Land wie eine zweite Heimat. »Obwohl ich nicht jüdisch bin, fühle ich mich hier fast wie zu Hause. Es ist ein fantastisches Fleckchen Erde, von dem man einfach nicht genug bekommen kann.« Die Nähe und Vielfalt der Landschaften und Kulturen seien umwerfend, an jeder Ecke gebe es etwas Interessantes zu sehen. »Und außerdem gibt es hier mit Abstand das köstlichste Essen der Welt«, sagt sie und beißt in den warmen Bagel in ihrer Hand.
Durchbruch Die Tourismusindustrie setzt nach wie vor auf Natur- und Kulturschätze, um so viele Gäste wie möglich anzulocken. Zwar hinken trotz des Juli-Hochs die Zahlen der ersten sieben Monate dieses Jahres mit 13 Prozent weniger Gästen dem gleichen Zeitraum des Vorjahres noch hinterher, doch Branchenkenner sind zuversichtlich. »Das Schlimmste liegt hinter uns, der Durchbruch ist geschafft«, heißt es aus dem Tourismusministerium.
Um diese Dynamik zu nutzen, bat der Präsident der israelischen Hotelvereinigung, Eli Gonen, Premierminister Benjamin Netanjahu jetzt noch einmal, die Empfehlungen des Regierungskomitees von 2012 umzusetzen. Damals schlugen Experten vor, unbedingt die Kosten eines Israelbesuchs für Touristen zu verringern. Dazu gehörten vor allem niedrigere Hotelkosten und der Abbau von Hürden für den Neubau von Komplexen.
François Petit beklagt sich nicht über die Preise. Der Mann aus Paris ist mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn in Israel. Sie touren kaum durchs Land, schauen sich lieber ausschließlich auf Tel Avivs Straßen um und genießen das Savoir Vivre am Mittelmeer. Sie sind zum vierten Mal hier. »Und jedes Mal wird es schöner«, schwärmt Petit, als er auf dem Carmelmarkt Kräuterbündel von den Ständen zupft. »Es ist für uns das perfekte Urlaubsland. Tolle Städte, schöne Natur und vor allem nette Leute. Und wer weiß, vielleicht kommen wir ja schon bald für immer.«