Ein Diabetiker muss sich vier- bis fünfmal in den Finger stechen – jeden Tag, sein Leben lang. Mit dem Tropfen Blut misst er seinen Blutzuckerspiegel, um die nötige Menge des Insulins zu bestimmen. »Das sind oft mehr als 100.000-mal Schmerzen und Verletzungen«, sagt Andreas Pfützner vom »Pfützner Science und Health Institut« in Mainz. Die schmerzfreie Abhilfe kommt aus dem Heiligen Land. »CNOGA Medical Ltd.« aus Caesarea im Norden Israels entwickelte ein nicht invasives Messgerät, Pfützner testete es in Deutschland und spricht von einer »kleinen Revolution«.
Mittlerweile ist das Gerät mit Namen »TensorTip CoG« in Europa zugelassen, ab Ende Dezember soll es zunächst über die Website der Firma für rund 1500 Dollar vertrieben werden. Es ist klein und handlich, wiegt nicht mehr als eine Tafel Schokolade und misst den Blutzuckerspiegel per optischem Verfahren als Fotografie der Haut des Fingers. Zwei bis drei Jahre soll es funktionieren.
Ein Weihnachts- oder Chanukkageschenk für alle Diabetespatienten? »Auf jeden Fall«, meint Pfützner, der nach Caesarea gekommen ist, um die Ergebnisse seiner Studie zu präsentieren. »Pieksen ist passé.« Im Nebenraum tummeln sich währenddessen die Angestellten des Unternehmens mit internationalen Experten und chinesischen Investoren.
Spezialisten Seit einer Weile bereits arbeitet CNOGA mit dem Chefarzt und Leiter der Endokrinologie-Abteilung am Peking-Union-College-Krankenhaus, Weigang Zhao, zusammen. Er gehört zu den führenden Spezialisten für die Krankheit. Die Zahlen der Diabeteskranken explodieren förmlich, vor allem in China und Indien, weiß Pfützner, der ebenfalls zu den zehn renommiertesten Diabetesexperten weltweit gehört.
»Sie haben sich in den vergangenen 25 Jahren vervierfacht, von 108 auf 450 Millionen.« Der Grund sei keine Verwestlichung, sondern schlicht der Zugang zum Essen, erläutert er. Schokolade an den Feiertagen zu naschen, sei übrigens in Ordnung. Kein Grund, Sufganiot oder Chanukkagelt zu schmähen. »Dass Zucker zu Diabetes führt, ist ein Märchen. Es ist eine reine Erbkrankheit.«
Die Entwickler im Industriegebiet von Caesarea sind sich der Bedeutung ihrer Erfindung bewusst. Gründer und Geschäftsführer Joseph Segman, von Haus aus Mathematiker, hat für die Auswertung der Daten des Gerätes Algorithmen entwickelt und die Chaostheorie angewandt. Er spricht darüber, dass letztlich alles von Nummern bestimmt sei. »Zahlen zeigen uns, wie etwas funktioniert oder nicht funktioniert.
Hat man das verstanden, kann man eine Balance zwischen Ordnung und Unordnung herstellen.« So sei es auch mit der Farbe der Haut, hinter der Zahlen stünden, die ausgewertet werden können. Aus dieser Idee entstand der TensorTip. Segman ist von seinem Produkt überzeugt: »Eine Revolution ist es sicher.«
Fotografie Das Glukose-Messgerät ermöglicht eine blutfreie Überprüfung des Blutzuckers durch eine simple Fotografie der Haut, nachdem das Gerät eine Woche lang vom Anwender kalibriert, also mit Daten durch Blutabnahme im Finger gefüttert wurde. Anschließend muss nur noch bei Unklarheit oder im Notfall gepiekst werden. Das Gerät ist auch dazu in der Lage. Die Genauigkeit der Messung ist ausschlaggebend für die korrekte Therapie bei einer Diabeteserkrankung, macht Pfützner deutlich. »Denn wenn man Diabetes in Schach hält, kann man recht gut damit leben.«
Funktionalität und Genauigkeit wurden in zwei klinischen Studien in Deutschland getestet. Bei der sogenannten Mahl-Studie, die das Mainzer Institut mit 36 Teilnehmern durchführte, wurde ein Essen serviert und anschließend der Blutzuckerspiegel drei Stunden lang alle 15 Minuten mit dem TensorTip sowie anderen Messgeräten überprüft.
Bei der zweiten Studie maßen verschiedene Geräte unterschiedliche Höhen des Blutzuckerspiegels. Das Pfützner-Institut ist eine rein private Einrichtung, die mit verschiedenen Firmen zusammenarbeitet. Der Leiter legt diese gern offen. »Ich bin so abhängig, dass ich schon wieder unabhängig bin«, sagt er und schmunzelt. Zum Beispiel arbeite er auch für die Konkurrenz von CNOGA.
Farbe Die Analyse der Farbe unseres größten Organs durch den TensorTip sei so akkurat, dass es Pfützner zunächst fast sprachlos machte. »Diese Genauigkeit hat mich positiv überrascht. Das habe ich noch nie bei einem nicht invasiven Gerät gemessen.« Zuvor hatte sein Institut bereits 40 andere Apparate aus der ganzen Welt untersucht. TensorTip kann für Diabetes Typ 1 und 2 angewandt werden.
Praktisch 100 Prozent aller Diabeteskranken könnten eine exakte Messung des Blutzuckerspiegels vier bis fünf Mal täglich nicht immer einhalten, zeigen Studien. Der deutsche Experte versteht das. »Während die Insulin-Zuführung heute schon relativ schmerzfrei vonstattengehen kann, sorgt die Blutabnahme noch immer für Schmerzen. Das ist mit diesem Gerät endlich vorbei. Wenn es mir jemand erzählt hätte, ich hätte es nicht geglaubt.«