Nach Wochen, in denen sie sich nicht dazu äußerte, fordert die Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, jetzt Opfer und Zeugen in Israel auf, nicht mehr zu schweigen. Patten war am Montag mit einem Team von UN-Rechtsanwälten und medizinische Experten in den Nahoststaat gereist, um die weit verbreitete und systematische sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu untersuchen, die von Terroristen der Hamas am 7. Oktober gegen Israelis verübt wurde.
Die Vereinten Nationen und besonders ihre Frauenorganisationen stehen unter scharfer Kritik, weil sie es zwei Monate lang versäumt hatten, glaubwürdige und zunehmende Anschuldigungen über sexuelle Gewalt anzuerkennen, die von der Hamas und palästinensischen Zivilisten aus Gaza während des Massakers begangen wurden.
Die Sonderbeauftragte Patten wurde vom israelischen Außenministerium eingeladen. Sie wird von Gilad Erdan, dem israelischen UN-Botschafter, auf der Reise begleitet. Neben Israel will sie auch in das palästinensische Westjordanland reisen.
Man schulde den Überlebenden und Opfern mehr als Solidarität
Am Dienstag traf sie sich in der Präsidentenresidenz, dem Beit Hanasi, mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog und der First Lady Michal Herzog. »Die Szenen, die wir am 7. Oktober gesehen haben, wirken noch immer nach. Sie müssen öffentlich gemacht und untersucht werden. Vor allem aber muss für die Opfer gesorgt werden«, betonte Herzog. Patten beteuerte, sie sei hier, »um meine Solidarität mit der Regierung Israels, dem Volk Israel, den Überlebenden, den Familien der Opfer und den Familien der Geiseln zum Ausdruck zu bringen«. Man schulde den Überlebenden und Opfern mehr als nur Solidarität. »Wir wollen sicherstellen, dass Ihnen Gerechtigkeit widerfährt«, so Patten.
Sie habe eine wichtige Botschaft, fuhr die Sonderbeauftragte fort: »Sexuelle Gewalt ist eines der abscheulichsten Verbrechen mit verheerenden Folgen, die sich über Generationen hinweg widerspiegeln.« Sexuelle Gewalt, die als Taktik des Terrorismus oder als Kriegstaktik eingesetzt werde, soll nicht nur die Opfer, sondern auch die Familien, die Gesellschaft, die Nation oder den vermeintlichen Feind destabilisieren, Angst schüren, demütigen und entmenschlichen.
»Das Stigma, die Schande liegt bei den Tätern!«
sonderbeauftragte pramila patten
»Und es ist das Schweigen der Überlebenden, die aus Scham und Stigmatisierung keine Anzeige erstatten, das sexuelle Gewalt so billig und wirksam macht: Billig, weil die Täter davon ausgehen, dass die Opfer sich nicht melden und völlig ungestraft frei herumlaufen werden, und wirksam, weil sie das Leben und die Lebensgrundlage der Opfer, ihrer Familien und Gesellschaften zerstören.«
Daher bitte sie die Opfer, Familien und Zeugen: »Bitte treten Sie vor, bitte brechen Sie Ihr Schweigen, denn Ihr Schweigen wird die Lizenz dieser Täter sein, weiterhin diese abscheulichen Verbrechen zu begehen. Auf den Schlachtfeldern des 21. Jahrhunderts ist für solche Verbrechen kein Platz.«
Sie und ihr Team seien da, um »in aller Sicherheit und Vertraulichkeit Ihren Geschichten zuzuhören. Die Welt muss erfahren, was am 7. Oktober wirklich passiert ist. Das Stigma sollte nicht auf Ihnen lasten. Das Stigma, die Schande liegt bei den Tätern«.
Patten wird für eine Woche in Israel sein
Sie schloss: »Ich möchte sagen, dass wir Ihnen, Überlebenden und Opfern, mehr als nur Solidarität schulden. Wir möchten wirklich sicherstellen, dass Ihnen Gerechtigkeit widerfährt, damit wir dieser abscheulichen Tat ein Ende setzen können«.
Patten wird für eine Woche in Israel sein und mit Angehörigen von Opfern, Überlebenden und Zeugen der Hamas-Massaker vom 7. Oktober zusammenkommen. Außerdem sind Treffen mit verschiedenen führenden Zivilgesellschafts-, Rechts- und Medizinexperten auf dem Gebiet der Frauenrechte geplant.
Am Mittwoch traf die UN-Delegation die aus der Geiselhaft freigelassenen Geschwister Maya und Itai Regev, die Ende November nach mehr als 50 Tagen zurück nach Hause gekommen waren. Maya Regev erzählte den Botschaftern, dass die Terroristen damit gedroht hätten, sie zu erschießen, falls die IDF versuchen sollte, sie zu retten. »Der Terrorist, der mich bewachte, sagte mir jeden einzelnen Tag, dass er mich sofort töten würde, wenn die IDF käme, um mich zu retten, und er nicht allein sterben würde.«
Mehrere Geiseln, die nach Israel zurückgekehrt sind, haben davon berichtet, dass sie Zeugen sexueller Übergriffe der Terroristen auf Geiseln wurden. Andere sagten, junge Frauen hätten ihnen von sexueller Gewalt gegen sie erzählt.