Sein Amt fülle er ohne jeglichen Gedanken ans eigene Ego aus, pflegte er über sich selbst zu sagen. Gäbe ein Politiker heute derartiges von sich, würde man schallend lachen. Yitzchak Schamir sel. A. aber zweifelte man nicht an. Er war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Bis zuletzt. Am 30. Juni verstarb der siebte Ministerpräsident Israels mit 96 Jahren in Herzlija bei Tel Aviv.
»Yitzchak Schamir war ein mutiger Krieger für Israel. Er war ein großartiger Patriot, und seine außergewöhnliche Leistung wird für immer in die Geschichtsbücher eingeschrieben sein«, erklärte sein einstiger politischer Weggefährte, Staatspräsident Schimon Peres. »Er stand loyal zu seinen Überzeugungen und diente seinem Land mit äußerstem Einsatz. Möge er in Frieden ruhen.« Am Montag wurde der Politiker der alten Garde auf dem Nationalfriedhof auf dem Jerusalemer Herzlberg in einer Staatszeremonie beigesetzt.
Zweimal hatte Schamir das Amt des israelischen Ministerpräsidenten inne, von 1983 bis 1984 und von 1986 bis 1992. Der jetzige Premier, Benjamin Netanjahu, bezeichnete ihn als »Mitglied einer Generation von Giganten, die den Staat Israel gegründet und für die Freiheit des jüdischen Volkes in seinem Land gekämpft haben.«
Wille Obwohl er eher für seine harte Haltung bekannt war, ist Schamir vielen Israelis noch heute für seine Zurückhaltung während des ersten Golfkriegs in Erinnerung, als der irakische Diktator Saddam Hussein Raketen bis nach Tel Aviv geschickt und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt hatte. Wochenlang hockten die Israelis aus Angst vor Angriffen mit Gasmasken in versiegelten Räumen. Doch statt zurückzufeuern, stärkte Schamir die Verbindung zu den USA.
Schamir wurde am 15. Oktober 1915 als Icchak Jaziernicki in Ruschany, Russland, geboren und wuchs in Polen auf. Schon als Teenager trat er Beitar bei, der revisionistisch-zionistischen Jugendbewegung. Später studierte er Jura in Warschau. Doch mit 20 ließ er seine dortige akademische Karriere hinter sich und wanderte nach Palästina aus, das sich damals unter britischem Mandat befand.
Seine ersten Schritte auf dem politischen Parkett unternahm er in den paramilitärischen Gruppen Etzel und Lechi, die gegen die Briten kämpften. Zweimal wurde er von den Engländern verhaftet und in Internierungslager gesteckt. Doch schon damals bewies Schamir den eisernen Willen, der seine spätere Laufbahn bestimmen sollte. Er floh aus den Lagern und wurde Anführer von Lechi.
Nicht viele wissen, dass er zehn Jahre lang (1955–1965) beim israelischen Geheimdienst Mossad diente. Erst Mitte der 60er-Jahre wechselte er in die Politik, wurde Teil von Menachem Begins Cherut, aus dem später der Likud entstand. 1973 wurde Schamir zum ersten Mal in die Knesset gewählt, 1977 fungierte er als ihr Präsident. Sieben Jahre später folgte er Mosche Dayan als Außenminister. 1983 trat er in die Fußstapfen von Begin und wurde Premierminister. Im Jahr darauf bildete er mit der Arbeitspartei eine große Koalition und agierte als stellvertretender Ministerpräsident. Nach den Wahlen von 1988 setzte er wieder auf Einheit mit der Arbeitspartei und war erneut vier Jahre lang Regierungschef.
Kritiker In dieser Zeit brachte er Tausende äthiopischer Juden mit der Operation Salomon ins Land. Die Immigration von Juden aus aller Welt war sein Traum. Ein Geheimnis aus seiner Überzeugung machte er nie. Er war ein Hardliner des rechten Lagers, hätte am liebsten für seine Vorstellung von einem »Groß-Israel« Millionen von Russen in Judäa und Samaria, also dem Westjordanland, angesiedelt. Selbst jene, die von seiner Politik nicht angetan waren, bescheinigten ihm stets, »ein Patriot mit Leib und Seele zu sein«. Kritiker warfen ihm vor, mit seiner Politik für ewige Stagnation im Nahostkonflikt zu sorgen.
1993 gab er den Vorsitz des Likud auf, 1996 zog er sich ganz aus der Politik zurück. Schamir war seit 1944 mit Schulamit verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Tochter Gilada bescheinigte ihrem Vater, »zu einer Generation gehört zu haben, die Werte und Überzeugungen hatte«. Gleichzeitig sei er stets Familienmensch im wahrsten Sinne des Wortes gewesen. »Er war einfach ein ganz besonderer Mann.«
2004 schließlich wurde es sehr still um den siebten Ministerpräsidenten Israels. Nach der Alzheimer-Diagnose wurde er in ein Pflegeheim in Herzlija verlegt, in dem er bis zuletzt lebte. Für sein Lebenswerk erhielt er 2001 den Israel-Preis, vier Jahre darauf wählten ihn die Bürger unter die 30 bedeutendsten Israelis aller Zeiten.